Ausgabe 1 / 2012 Artikel von EFiD-Mitgliedsorganisationen

Projekt Heimat Europa

Evangelische Frauenverbände machen mit

Von EFiD-Mitgliedsorganisationen


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„Reisen ist tödlich für Vorurteile.“ Davon war Marc Twain überzeugt – und wir sind es auch.

Denn auf Reisen findet nicht nur eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem Fremden statt, sondern man erfährt es mit allen Sinnen – vor allem, wenn mit dem Besuch des Landes auch die Begegnung mit Menschen verbunden ist. Bei den Studien- und Begegnungsreisen für Frauen, die wir regelmäßig anbieten, gelingt das unterschiedlich intensiv, je nachdem, wie gut wir Kontakte im Land herstellen können.

In diesem Jahr besuchen wir Albanien. Wir treffen viele kleine Frauengruppen, die alle schon Weltgebetstag feiern und sich als Teil dieser weltweiten Bewegung sehen. Seit zwei Jahren kommen in Albanien im Januar christliche Frauen aus verschiedenen Konfessionen und Regionen des Landes zu einer WGT Konferenz zusammen. Wieder zu Hause laden sie andere zur Vorbereitung und dann zur Feier des Weltgebetstags ein. Merita Meko, Mitarbeiterin einer Mis-sionsorganisation, organisiert diese Konferenzen und hält den Kontakt zu den kleinen Frauengruppen, die so an vielen Orten entstanden sind.

Im Gespräch mit den Frauen spüren wir, wie das Land im Aufbruch ist, wie die Menschen auf der Suche nach Orientierung und Struktur sind. Die Sprachprobleme bei den Begegnungen sind lästig, aber wir erleben auch, dass wir als Christinnen noch anderes miteinander teilen können. Wir können miteinander beten, singen und tanzen. So entsteht oft für einen Moment viel Nähe, Fröhlichkeit und das Gefühl, dass wir hier mit unseren Schwestern im Glauben zusammen sind.

Meistens besuchen wir bei unseren Reisen auch Organisationen, die sich sozial oder kulturell in ihrem Land engagieren – diesmal unter anderem „Nützlich für albanische Frauen“, eine Organisation, die sich gegen Gewalt an Frauen engagiert. Neben direkter Hilfe, psychologischer und juristischer Beratung steht präventive Arbeit. Mit Eingaben zu Gesetzesänderungen versuchen die Frauen auch auf der politischen Ebene Veränderungen zu bewirken.

Sind diese Frauen-Begegnungsreisen nachhaltig? Sicher nicht in dem Sinne, dass wir als Frauenarbeit längerfristige Kontakte zu den besuchten Gruppen halten könnten. Aber die mitreisenden Frauen werden von den Begegnungen und Erlebnissen erzählen und berichten. So kann, was sie selbst erfahren und reflektiert haben, auch in ihrem Umfeld wirksam werden und zur Überwindung von Vorurteilen beitragen.

Ilse Blendin ist Referentin im Fachbereich Frauen in der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft (Pfalz).

Heimat Ukraine

Die Ukraine – übersetzt „Grenzland“ – liegt auf der Grenze zwischen West und Ost, was sich auch in ihrer politischen Orientierung nach der Loslösung aus der Sowjetunion zeigt. Strebt der Westen des Landes eine stärkere Hinwendung zur Europäischen Union an, so orientiert sich der Osten mehr an Russland. Auch die sozialen Unterschiede sind groß, soziale Kälte und harter Wettbewerb bestimmen den Alltag. Können Kirchen und christliche Gemeinden in dieser Situation Heimat geben? Für das Gustav-Adolf-Werk, das Diasporawerk der EKD, sind die Partnerkirchen die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine mit ihrem Zentrum in Odessa und die ungarisch-sprachige Reformierte Kirche in Transkarpatien im Westen.

Für 2011 hatte die Frauenarbeit im GAW diese beiden Partnerkirchen und ihre sozial-diakonischen Projekte für ihr Jahresprojekt ausgesucht. Diese Tradition, früher „Frauenliebesgabe“, ist 125 Jahre alt. Im jährlichen Wechsel zwischen Ost- und Mittelosteuropa, Süd- und Südwesteuropa und Lateinamerika werden sozial-diakonische Projekte und Projekte mit frauenspezifischen Schwerpunkten unterstützt.

„Weil du wertvoll bist vor meinen Augen“ (Jesaja 43,4) ist das Jahresprojekt 2011 in der Ukraine überschrieben. Vor den Augen Gottes gelten andere Maßstäbe als vor denen der Menschen. Davon sind auch die Gemeinden und Partnerkirchen überzeugt. Christliche Gemeinden öffnen ihre Augen für Menschen auf der „Schattenseite des Lebens“. Für die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine bedeutet das unter anderem, den Blick auf junge Menschen zu richten, die im Umfeld von Alkohol- und Drogenmissbrauch aufgewachsen sind, und ihnen durch eine psychosoziale Beratungsstelle in Odessa ein Hilfsangebot zu machen. Der Frauenkreis der Lutherischen Gemeinde in Kiew plant ein Lebensberatungsangebot für junge Berufsschülerinnen und -schüler, die in einem Waisenhaus leben und in ihrer psychischen Stabilität besonders gefährdet sind. In der Reformierten Kirche entsteht ein Frauenhilfszentrum für Frauen in Lebenskrisen, zu dessen Realisierung die Frauenarbeit im GAW beitragen will.

Alle diese Initiativen mögen helfen, dass Menschen Heimat und einen Platz in der Gesellschaft finden und erfahren, dass sie wertvoll und angenommen sind.

Vera Gast-Kellert ist Vorsitzende der Frauenarbeit im Gustav-Adolf-Werk.

Frauen in der Fremde

Junge Frauen aus Osteuropa sehen die Migration nach Deutschland als eine Möglichkeit, für eine begrenzte Zeit oder auf Dauer den Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entfliehen. Das Leben vieler von ihnen ist dort geprägt von Armut und Arbeitslosigkeit, von erschwertem Zugang zu Bildung und durch Korruption. Sie hoffen ihre Familien unterstützen zu können oder, nach der Rückkehr in die Heimat, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Dabei laufen die Frauen Gefahr, ausgebeutet oder zur Prostitution gezwungen zu werden. Auch Aufklärung über die Gefahren der illegalen Einreise nach Deutschland ist notwendig. Deshalb haben der Bundesverband des Vereins für Internationale Jugendarbeit (vij) und dessen Landesvereine in Bayern und Württemberg gemeinsam mit dem Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution Baden Württemberg ein internationales Beratungs- und Begleitungsprogramm für junge Bildungs- und Arbeitsmigratinnen aus Osteuropa ins Leben gerufen. Zunächst sind die Ukraine, Russland und Rumänien im Fokus. Durch länderübergreifende Vernetzung von Frauenberatungsstellen soll eine internationale Schutzkette für mobilitätsbereite Frauen entstehen. Mit dieser menschenrechtsorientierten Sozialarbeit knüpft der vij an die 130-jährige Tradition seines Vereins an, aus dem neben der Au-pair-Beratung und internationalen Jugendtreffs sowie Fachstellen Frauenmigration und Menschenhandel auch die Evangelische Bahnhofsmission hervorgegangen ist.

Start eines zweijährigen Pilotprojekts OPEN (Orientation and Perspectives -European Network) for young women war im Juni 2011. Bereits im Heimatland werden junge Frauen darüber aufgeklärt, wie sie sich vor Frauenhandel und Arbeitsausbeutung schützen können. Vernetzung der Beratungsstellen in den beteiligten osteuropäischen Ländern mit den vij-Beratungsstellen in Deutschland ermöglicht für Erfahrungsaustausch und gemeinsame Fortbildungen der Beraterinnen. Für den Aufenthalt in Deutschland werden Au-pair- und Praktikumsstellen, Studienplätze sowie Einsatzstellen für freiwillige soziale und ökologische Jahre vermittelt, langfristig ist auch die Vermittlung von Arbeitsstellen geplant. Unterstützt werden die jungen Migrantinnen bei der Weiterbildung wie in der Freizeitgestaltung. Beratungsstellen in den Herkunftsländern sollen bei der Rückkehr und Entwicklung von Zukunftsperspektiven unterstützen. Schließlich ist daran gedacht, ein Netzwerk zwischen ausreisenden und rückkehrenden jungen Frauen aufzubauen.

Beratungsstellen des vij gibt es bereits in St. Petersburg, Kaliningrad, Odessa, Charkiv und Oradea. Durch die Zusammenarbeit mit anderen kirchlichen Einrichtungen wie mit Frauenprojekten und sozialen Institutionen vor Ort und den Ausbau von Beratungsstellen soll das Netzwerk nach und nach auch auf weitere osteuropäische Länder ausgeweitet werden.

Sigrid Schneider-Grube ist Vorsitzende des vij-Bundesvereins. Weitere Informationen unter www.vij.de und demnächst auch unter www.open-for-young-women.org

FrauenFriedensSchritte …

gehen seit 2001 die Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland, die Kirchgemeinde Essen Kray und der Bürgerverein Putevi Mira in Dubica (Bosnien).

Und das kam so: In Magdeburg trafen sich seit dem Kosovo-Krieg 1999 engagierte „Frauen in Schwarz“ zur Mahnwache. Anschließend luden sie zu einem Frauen-Friedens-Forum ein, um mit Frauen ins Gespräch zu kommen, die sich in Friedensinitiativen weltweit engagierten. Dort berichtete Heike Mahlke über ihre Arbeit beim Oekumenischen Dienst Schalomdiakonat (OeD). Sie begleitete einen Flüchtlingsverein in Dubica (im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas), dessen Aufgabe es war, Flüchtlinge zu begleiten, die nach dem Krieg wieder zurück in ihre Heimat kamen. Es ging in erster Linie um rechtlichen Beistand und darum, die nötigsten Dinge wieder zu erlangen, die sie auf der Flucht hatten zurücklassen müssen – Mobiliar, Kleidung, das eigene Haus.

Heike Mahlke organisierte auch das erste Seminar im April 2001 in Dubica – der Beginn der Frauenfriedensschritte. Zehn Frauen aus Ost- und Westdeutschland trafen Frauen aus Dubica, die sich mitunter im Krieg als bosnische Muslima und serbische Orthodoxe feindlich gegenüber standen. Allein durch ihre Anwesenheit hatten die deutschen Frauen eine wichtige Mittlerinnenfunktion. Die Tage waren geprägt von bewegenden Begegnungen und Gesprächen über die Zeit vor und während des Krieges, über Flucht, vorübergehende Unterbringung in Lagern und Heimkehr.

2002 benannte der Flüchtlingsverein sich um in Putevi Mira – „Friedenswege“. Heute ist Putevi Mira ein auch bei staatlichen Stellen anerkannter und geachteter Bürgerverein mit regelmäßigen Angeboten für Kinder, Jugendliche, Frauen und Familien. Das Seminar 2001 war auch der Beginn einer kontinuierlichen Frauenarbeit vor Ort, in deren Zentrum in den ersten Jahren die Aufarbeitung der traumatischen Kriegserfahrungen stand. Inzwischen sind die Frauen sehr miteinander verbunden, unterstützen einander im Alltag, teilen Freud und Leid.

Ihre Fortsetzung fanden die Friedensschritte 2008 in Halle mit dem Thema „Gastfreundschaft“ und 2011 in Essen zum Thema „Armut und Integration“. Erfolgsstory Friedensschritte also? – Ja, denn hier wurden ganz wesentliche Meilensteine für die Frauen aus Dubica gelegt, die mit den Jahren so eine wertvolle und sie stärkende Gruppe leben. Ja, denn die bilateralen Begegnungen ermöglichen einen Blick über den Tellerrand und sind darum sehr wertvoll für uns Frauen, die wir unsere jeweilige Ost- und Westperspektive einbringen. Sichtbar werden aber auch die Grenzen. Für die zweiten und dritten Friedensschritte in Deutschland war es sehr schwierig, Frauen aus dem mitteldeutschen Raum zu mobilisieren. Es gibt keine feste Frauengruppe, die die Partnerschaft pflegt.

Die Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland versuchen, die Frauen vor Ort zu unterstützen. So konnte eine Gemeindeschwester in Dubica ebenso finanziert werden wie die Durchführung von Nähkursen, die es Frauen ermöglichen, für sich und die Familie Kleidung selbst herzustellen, aber auch eine berufliche Perspektive zu gewinnen. In Essen hat sich die Kirchgemeinde Kray über Jahre stark engagiert und vielfältige Unterstützung organisiert; so konnten ein Müllwagen und ein Krankenwagen für Dubica bereit gestellt werden. Der Oekumenische Dienst Schalomdiakonat wurde 2011 in Magdeburg mit dem Lothar-Kreyssig-Friedenspreis ausgezeichnet.

Kristina Kootz ist Referentin bei Evangelische Frauen in Mitteldeutschland. Weitere Informationen bei den EFiM und unter www.schalomdiakonat.de

EFiD-Projekt „Heimat Europa“

Im Rahmen einer Projektstelle „Heimat Europa“ (2010/11) haben die Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) ihre ökumenische Arbeit im europäischen Kontext in den Blick genommen. Drei zentrale Aspekte waren:

– Die Zusammenarbeit der EFID mit den polnischen Partnerinnen, speziell bei der Versöhnungsarbeit im KinderGedächtnisGesundheitsZentrum Warschau (KGGZ), wurde neu ausgerichtet. Künftig werden die Fahrten in Kooperation mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste durchgeführt.

– Um die vielfältige ökumenische Arbeit von EFiD neu zu akzentuieren, braucht der Verband ein klares ökumenisches Profil. Nach Diskussion des vorliegenden Entwurfs auf allen verbandlichen Ebenen wird die Mitgliederversammlung 2012 das Profilpapier verabschieden.

– In Kooperation mit der Frauenarbeit des GAW wurden die EFiD-Mitgliedsverbände zu Formen der Zusammenarbeit im Bereich von Frauenprojekten in Mittel- und Osteuropa befragt. Etwa ein Viertel von ihnen engagiert sich auf diesem Feld. Vier Beispiele werden hier vorgestellt.

Informationen zu allen mitgeteilten Projekten sind auf der Internetseite www.ahzw-online.de als PDF-Anhang zu diesem Beitrag zugänglich.

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