Ausgabe 2 / 2003 Artikel von Susanne Lipka

Rassismus erkennen und bekämpfen

Definitionen, Geschichte, Hintergründe, Auswege

Von Susanne Lipka

(Auszug)

Die Biologie benutzt den Begriff „Rasse“, um verschiedener Lebensformen zu unterscheiden. Es gibt aber keine verschiedenen Rassen von Menschen! Die Unterschiede zwischen einem Menschen afrikanischer Abstammung mit dunkler Hautfarbe und einem Menschen europäischer Abstammung mit heller Hautfarbe sind rein äußerlich. Zu behaupten, dass es verschiedene „Menschenrassen“ gebe, ist Rassismus. Die Erkenntnis setzt sich im öffentlichen Bewusstsein nur langsam durch.

Die Theorien des Rassismus ordnen Menschen verschiedener Hautfarben unterschiedliche Eigenschaften oder Fähigkeiten zu. Eigenschaften und Fähigkeiten, die in der Gesellschaft höher bewertet werden, den Menschen mit heller Haut, die als weniger wert gelten, den Menschen mit dunkler Haut. Viele Formen der Unterdrückung, Unterwerfung oder gar Ermordung von Menschen wurden – und werden bis heute – mit rassistischen Theorien zu legitimieren versucht.

Rassismus heute

Rassistische Überfälle sind spektakulär – aber nur die Spitze des Eisbergs. Rassismus ist tief in der Gesellschaft verankert. Nur in einem rassistischen Umfeld kann die Gewalt auf der Straße sich ausbreiten. „Wann gehen Sie in ihre Heimat zurück?“ Schwarzen Deutschen solche Fragen zu stellen ist nicht unbedingt ausgrenzend gemeint. Dennoch wird ihnen damit das Gefühl vermittelt, nicht hierher zu gehören. Weiße Mütter mit Kindern dunkler Hautfarbe werden gefragt, woher sie denn ihr Kind haben. Wenn sie sagen, es sei ihr eigenes, riskieren sie merkwürdige Blicke oder auch offene Beschimpfung als „Negerhure“. „Rassenschande“ wird Paaren von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe auch heute noch vorgeworfen, offen oder verdeckt. Mein Pass wurde auf der Straße noch nie von der Polizei kontrolliert. Menschen, die eine dunkle Hautfarbe haben und anders aussehen, werden häufig kontrolliert. So entsteht der Eindruck, sie müssten kriminell sein, sonst hätten sie nicht so oft mit der Polizei zu tun. Das Sicherheitsrisiko nachts auf der Straße ist bei schwarzen Menschen größer. Sie haben Probleme, eine Wohnung oder Arbeit zu finden…

Ebenso wirksam sind strukturelle Formen des Rassismus in der Gesellschaft. Das Ausländerrecht etwa unterstellt Menschen je nach Aufenthaltsstatus verschiedenen Regelungen und „produziert“ so Menschen 1., 2. und 3. Klasse. Das Gesetz fördert nicht den Abbau von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Wenn z.B. eine deutsche Frau einen schwarzen Afrikaner heiraten möchte, sind die deutsche Auslandsbehörden sehr zögerlich mit der Ausstellung der Visa zum Zweck der Familienzusammenführung. Manchmal dauert es Jahre, auch wenn schon gemeinsame Kinder da sind.

Opfer rassistischer Gewalt auf der Straße sind überwiegend Männer. Aber wenn Rassismus und Sexismus zusammenkommen, wirkt sich das für Frauen besonders schlimm aus. Heiratsvermittler vermarkten die „Ware Frau“ mit rassistischen Klischees: Asiatinnen werden als von Natur aus unterwürfig und zugleich sexuell besonders fähig, Osteuropäerinnen als anspruchslos angeboten. Deutschland ist ein Hauptziel- und Durchgangsland des internationalen Frauenhandels. Die meisten Frauen in der Prostitution sind Ausländerinnen, die vielfach ausgebeutet werden uns sich aufgrund des illegalen Aufenthalts kaum wehren können. Pornographie wird heute großteils mit Migrantinnen produziert.

Für den Abbau von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist bedeutsam, wie sich MeinungsführerInnen im öffentlichen Leben äußern und verhalten. Es gibt viele Beispiele für gelungene Integration und friedliches Zusammenleben, wenn PolitikerInnen auf verschiedenen Ebenen oder auch PfarrerInnen in den Gemeinden dies befürworten. Wenn sie dagegen vor „Durchrassung der Gesellschaft“ und „Überfremdung“ warnen, wie es manche Politiker gerne in Wahlkämpfen tun, dann legen sie eine Saat, die nicht selten in rassistischer Gewalt aufgeht. Verantwortlich für die Aufarbeitung unserer eigenen rassistischen Anteile und den Rassismus in der Gesellschaft aber sind wir alle.

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