Ausgabe 1 / 2010 Artikel von Sibylle Gundert-Hock

Saisonal vor regional

Umweltpolitik mit dem Kochtopf

Von Sibylle Gundert-Hock


Politik mit dem Einkaufskorb – kennen wir. Jetzt auch noch mit dem Kochtopf? Lauert hier eine weitere Möglichkeit, unseren Alltag etwas komplizierter zu machen?

Sehen wir es positiv: Mit unseren Alltagsentscheidungen haben wir weit
reichende Gestaltungsmöglichkeiten. Wir können sie so nutzen, dass Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung dabei möglichst gering sind – und so dazu beitragen, dass die Lebensgrundlagen für alle Menschen dieser Erde erhalten bleiben.


Prima Klima auf dem Teller?

Von den durchschnittlich 10-12 Tonnen Treibhausgas-Emissionen, die eine Person in Deutschland pro Jahr verursacht, fallen drei Viertel in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Wohnen an, zwei Tonnen davon für „Essen und Trinken“. Um das Klima im Gleichgewicht zu halten, dürfte jeder Mensch pro Jahr nur zwei Tonnen CO2 insgesamt erzeugen! Mit dem Einkaufszettel ist da viel zu machen.

Unsere schlechte Bilanz ist vor allem dem hohen Anteil tierischer Produkte auf unseren Tellern geschuldet. Nicht Transport und Verpackung, sondern die landwirtschaftliche Produktion selbst ist für den größten Teil der Treibhausgase verantwortlich. Hier schlägt besonders der Methanausstoß von Rindern zu Buche (ZD: 144f(1)). Bei der Produktion lassen sich die Emissionen durch vielfältige Maßnahmen senken. Doch weitaus größere Potentiale liegen bei den VerbraucherInnen. Mit Einkaufskorb und Kochtopf können wir die Zukunft unserer Welt mit gestalten – und unsere Familien, FreundInnen und KollegInnen mit auf den Weg bringen (ZD: 145f).

Die Spitzengruppe bei der Erzeugung von Klimagasen bilden Fleisch und fette Milchprodukte von Wiederkäuern – vor allem von Rindern, aber auch von Schafen und Ziegen. Diese Produkte sollten deshalb nur in Maßen auf den Teller kommen. Wer sich für vegetarisches und ökologisches Essen statt einer fleischreichen, konventionellen Ernährung entscheidet, kann damit den individuell ernährungsbedingten Ausstoß von Treibhausgas um über 60 Prozent reduzieren. Doch ist auch Fleisch nicht gleich Fleisch: Huhn und Schwein sind deutlich klimafreundlicher als Rindfleisch, fetter Käse, Sahne oder Butter. Noch klimafreundlicher ist Wild, das manchenorts so zahlreich ist, dass es in der Jagdsaison auch gut und günstig zu haben ist.(2)

Allein 39 Kilogramm Tiefkühlkost wurden 2008 hierzulande pro Kopf verspeist – so viel wie nie zuvor. Obst, Gemüse, Fisch, Torten oder Pizza werden mit hohem Energieaufwand schockgefrostet. Tiefkühlware belastet unser Klima, denn die Kühlkette während Transport und Lagerung verschlingt viel Energie und produziert damit jede Menge Treibhausgase, reisen doch manche Tiefkühlprodukte um die halbe Welt.(3)

Fast immer unschlagbar klimafreundlich ist saisonal geerntetes Gemüse und Obst aus der Region. Fast – denn auch hier gilt es genau hinzusehen. Dabei gilt die Faustregel: saisonal vor regional. Denn außerhalb der Saison kann der Import per Schiff oder LKW günstiger sein als die Herkunft aus einem beheizten Treibhaus um die Ecke. Immer schlecht fürs Klima ist jedoch der Flugzeugtransport – und der fällt ja überwiegend bei Nahrungsmitteln an, die außerhalb der Saison geerntet und transportiert werden. Das Beispiel der Tomate macht es deutlich: siehe Grafik Anbauart der Tomate 

Auch die Art, wie wir unsere Lebensmittel vom Supermarkt nach Hause bringen, spielt eine Rolle. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß kommen Sie zum Laden, ohne dass dabei ein einziges Gramm CO2 entsteht. Mit dem Auto kommen Sie schon bei einer Fahrt von wenigen Kilometern auf einige tausend Gramm. Großeinkauf per Fahrrad ist natürlich nur bei kleineren Haushalten möglich – aber immer spricht einiges gegen den kleinen Einkauf mit dem Auto. Und auch gegen lange Autofahrten zum Bioladen. Die gelieferte Bio-Kiste ist hier die klimafreundlichere Variante.(4)


Tür zu und Deckel drauf!

Wussten Sie, dass Backöfen fünfmal mehr Energie als eine Herdplatte brauchen? Wann immer möglich, sollte deshalb der Herd vorgezogen werden. Aber auch beim Backen kann Energie gespart werden, indem Sie auf das Vorheizen verzichten bzw. weniger stark vorheizen, als in Rezepten angegeben ist. Bei Garzeiten ab 40 Minuten ist es durchaus möglich, den Backofen zehn Minuten vor dem Ende der angegebenen Zeit abzuschalten und die Nachwärme auszunutzen.

Umluft-Backöfen sollten immer auf Umluft geschaltet werden, das kann gegenüber der konventionellen Beheizung bis zu 20 Prozent Energie sparen. Das unnötige Öffnen der Backraumtüre gilt es ebenso zu vermeiden wie unnötige Bleche oder Pfannen im Backofen, die mit aufgeheizt werden müssen.
Für zwei Frühstücksbrötchen oder die Minipizza verwenden Sie lieber den Toaster oder einen Kleingrill, das spart etwa 60 Prozent an Energie.
Außerdem sollten Sie nie kleine Töpfe auf großen Herdplatten erwärmen. Ist die Platte nur ein bis zwei Zentimeter größer als der Topf, werden bis zu 20 Prozent Energie vergeudet. Auch der Deckel auf Topf oder Pfanne hilft Energie zu sparen, da weniger Wärme entweicht und also weniger zugeführt werden muss. Der Schnellkochtopf kann bis zu 60 Prozent Energie sparen, die Garzeiten verkürzen und wichtige Vitamine erhalten.

Restwärme nutzen und nachquellen lassen sind ebenso wie das Vorquellen von Hülsenfrüchten und Getreide alte Hausfrauentipps. Wie vieles, was Umwelt und Geldbeutel schont, erfordert es Zeit und Planung – im häufig turbulenten Frauenalltag, in dem Anforderungen aus Familie, Beruf und Ehrenamt einander jagen, ist beides oft Mangelware. Beim Wasserkochen hingegen lassen sich Zeit- und Energiesparen verbinden, denn der Heißwasserkocher ist deutlich besser als der Wasserkessel auf dem Herd.

Während all diese Hinweise sozusagen mit vorhandenen Mitteln umgesetzt werden können, liegen noch größere Energiesparpotentiale bei der Anschaffung neuer Küchengeräte. Ein Erdgasherd ist energetisch günstiger als ein Elektroherd. Gas lässt sich besser regulieren, und ein Gasherd benötigt circa 50 Prozent weniger Energie. Der höhere Anschaffungspreis hat sich also schon bald gelohnt. Glaskeramik-Kochfelder haben gegenüber Gusseisenplatten Vorteile. Es werden nur die Bereiche erwärmt, die geheizt werden sollen, daher bleibt weniger Wärme ungenutzt, was einen Energievorteil von bis zu 20 Prozent einbringt.


Essen lieben, Abfall hassen

„Wir lieben Essen und hassen Abfall“ heißt eine Kampagne in Großbritannien, die sich nicht damit abfinden will, dass weiter etwa ein Drittel aller Lebensmittel im Mülleimer landet. Lebensmittel-Abfallberge sind aber nicht nur ein britisches Problem. Auch in Deutschland wandern fast zwei Millionen Tonnen pro Jahr in den Müll – ein Zehntel der verpackten Lebensmittel werden ungeöffnet weggeworfen. (Klimakochbuch: 114) Die Müllberge im Vereinigten Königreich kosten die britischen VerbraucherInnen mehr als 13 Milliarden Euro im Jahr. Die Verschwendung schadet auch der Umwelt, weil durch unsere Lebensmittelabfälle Jahr für Jahr Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Angesichts von Hunger und Mangelernährung in vielen Ländern der Erde – und zunehmend auch in den reichen Industrieländern – ist sie darüber hinaus auch ein moralischer Skandal.

Die Hauptverantwortung für diesen Skandal liegt bei den VerbraucherInnen: Warum kaufen wir mehr als wir brauchen, kochen mehr als wir essen können? Warum drei Hähnchen zum Preis von zwei, wenn eigentlich nur eins gebraucht wird? Warum werden die Regeln für gutes Haushalten so selten beachtet, die für die Eltern- und Großelterngeneration selbstverständlich waren? Warum ist es so schwer, einen Einkauf sinnvoll zu planen und alles, was im Vorrat liegt, zu verbrauchen? Ist die Restemahlzeit am Samstag nicht mehr zumutbar? Auch hier spielt der Zeitmangel eine gewichtige Rolle. Allzu häufig geschieht der Einkauf unter Zeitdruck und zwischen vielen anderen Verpflichtungen – der vorbereitete Einkaufszettel liegt zu Hause auf dem Küchentisch. Langsamer also, dann ist auch „weniger“ leichter möglich.

Müllberge wachsen auch durch große Mengen an Verpackung, selbst wenn sich hier schon einiges verbessert hat. Schaumstoffschalen und Aluminiumverpackungen sind besonders klimaschädlich. Am wenigsten Verpackungsmüll entsteht durch frische, wenig verarbeitete Lebensmittel aus der Region, sie sind in der Regel unverpackt. Wo die Wahl zwischen Plastikbecher und Mehrwegglas besteht, ist letzteres die klimafreundlichere Variante. Und natürlich nicht den Stoffbeutel oder Rucksack vergessen: 65 Plastiktüten pro Nase und Jahr sind zu viel!

Die Wasserflasche aus Frankreich oder Italien – wöchentlich im Sechserpack gekauft – ist eine besonders überflüssige Form der Klimabelastung. Bis ein importierter Liter Mineralwasser auf dem Tisch steht, werden rund 0,3 Liter Erdöl verbraucht, die insbesondere für die Produktion der PET Flaschen anfallen; bei einheimischen Marken sind es 0,03 Liter. Trinkwasser aus der Leitung ist von hoher Qualität – und es kommt ohne Verpackung und Aufpreis direkt auf den Tisch.

Übrigens: Die britische Kampagne ist ein voller Erfolg. In zwei Jahren ließen sich 1,8 Millionen Menschen davon überzeugen. Weil 137.000 Tonnen Lebensmittel im Wert von 325 Millionen Euro nicht im Müll gelandet sind, konnten ernährungsbedingte Treibhausgasemissionen um 600.000 Tonnen reduziert werden.(5)


Virtuelles Wasser

„Virtuelles Wasser“ beschreibt die Wassermenge, die im Herstellungsprozess eines Produktes verbraucht bzw. verschmutzt wird oder verdunstet. So gerechnet, werden globale Zusammenhänge im Hinblick auf Wassernutzung sichtbar. Für eine Tasse Kaffee etwa fallen nicht nur die 125 ml Wasser für die Zubereitung des Kaffees an. Zuvor wurden bereits 140 Liter Wasser verbraucht – die Kaffeepflanze musste gegossen und geerntet werden, die Kaffeekirschen wurden gereinigt. Und das war nur der Anfang.

Rund zwei Drittel des verbrauchten virtuellen Wassers gehen auf das Konto von Nahrungsmitteln. Auch hier sind die Unterschiede beträchtlich: Braucht es für die Produktion eines Kilogramms Äpfel rund 700 Liter Wasser, so benötigt die Herstellung eines Kilogramms Reis 3.400 Liter und ein Kilogramm Käse braucht von der Kuh bis ins Kühlregal 5.000 Liter. Zu den Spitzenreitern zählt wieder einmal Rindfleisch mit mehr als 15.500 Litern pro Kilo, da bereits für die Futtermittelerzeugung sehr viel Wasser benötigt wird. Für ein Kilo Schweinefleisch sind 4.800 Liter, bei Hühnerfleisch 3.900 Liter Wasser notwendig – die Angaben gelten jeweils für konventionell hergestellte Produkte. Unsere Ernährung wird also auch durch hohen Verbrauch von Wasserressourcen in anderen Ländern gesichert, im Falle Deutschlands vor allem in Brasilien, der Elfenbeinküste und Frankreich. Wie bei den Treibhausgas-Emissionen gilt auch hier: Fleisch, besonders Rindfleisch, schneidet besonders schlecht ab, während Gemüse und Obst, vor allem das regional und saisonal produzierte, die Umwelt wesentlich weniger belastet.

Viele Aspekte, viele Informationen und viele Zahlen – hoffentlich werden
daraus Denk- und Handlungsanstöße auf dem Weg zu einer Lebensart,
die ihre eigenen Grundlagen schützt und bewahrt! Gewiss haben einige Stellschrauben größere Wirkung als andere – viele einzelne Handlungsschritte können jedoch ohne große Umstände sofort umgesetzt werden. Im Gespräch und gemeinsamen Nachdenken darüber, was der je eigene Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung im Alltag sein kann, werden sich viele Möglichkeiten auftun.
Worauf warten wir?


Für die Arbeit in Gruppen:

-Einstieg: Die Leiterin stellt Fakten aus dem Artikel vor, die Tabellen (s.S. 72 und 44) liegen als Kopien oder auf einem Plakat für alle sichtbar vor.
– Die Frauen tragen in Kleingruppen zusammen, wie sich ihre Haushaltsführung und Ernährungsweise von der ihrer Mütter unterscheidet – und was die Ursachen für Unterschiede sind.
– Austausch in der Gesamtgruppe
– Wieder in den Kleingruppen besprechen die Frauen, welche Möglichkeiten für Veränderungen es in der eigenen Haushaltsführung und Ernährungsweise gibt. Sie einigen sich auf eine Veränderung, die sie bis zum nächsten Treffen ausprobieren. Die Verabredung wird auf einer kleinen bunten Karte notiert, die zu Hause an den Kühlschrank gehängt werden kann.
– Erweiterung: Mit welchen anderen Gemeindegruppen könnten die Ideen ausgetauscht werden?


Dr. Sibylle Gundert-Hock, 53, ist Referentin im Ev. Frauenwerk Mecklenburg-Vorpommern. Die Erwachsenenbildnerin und Ethnologin ist verheiratet und hat drei Söhne. Sie war lange im Bereich der entwicklungspol. Bildung und Netzwerkarbeit tätig.


Verwendete Quellen (Auswahl)

Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt. Frankfurt/Main 2008.
Das Klimakochbuch. Klimafreundlich einkaufen, kochen und genießen. Stuttgart 2009
Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. Woher stammt das Wasser, das in unseren Lebensmitteln steckt? wwf studie . Frankfurt/Main 2009 www.wwf.de
BR online 26.09.2009 Dossier: Durstiger Planet.
www.greenpeace.de / einkaufsnetz/ratgeber
Frankfurter Rundschau online.de, Wirtschaft, 26.09.2009 „Verschwendung ist keine Bagatelle“
www.verbraucherfuersklima.de, die Seite der Verbraucherzentralen zu unserem Thema.


Anmerkungen

1„ZD“ bezieht sich auf die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“, die das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag von Brot für die Welt, Ev. Entwicklungsdienst (eed) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND 2008 angefertigt hat. Mehr zur Studie siehe S. 51 ff.
2 Vgl. dazu die Tabelle S. 44
3 Vgl. dazu die Tabelle S. 441 mehr dazu unter: www.verbraucherzentrale.de / Kampagne Verbraucher für den Klimaschutz
4 Vgl. dazu ausführlich: ahzw 1-08 „Frauenraum Küche“, S. 57-61 und www.oekokiste.de
5 FR online.de, Wirtschaft, 26.09.2009 „Verschwendung ist keine Bagatelle“

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