Alle Ausgaben / 2014 Andacht von Hanne Finke

Schafsgespräche

Andacht mit der Jahreslosungskarte

Von Hanne Finke


Vorbereitung: Jahreslosungskarten in der Anzahl der TN besorgen – evtl. zusätzlich das Plakat.

Begrüßung
Ich begrüße Sie und freue mich, dass wir heute zusammen Andacht halten zur Jahreslosung. Sie steht in Kap. 15, Vers 7 im Brief des Paulus an die Gemeinde im Rom und lautet: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ – Beginnen wollen wir aber nicht mit dem biblischen Vers, sondern mit einem Bild. Einem Bild, das kaum zur Jahreslosung zu passen scheint. Oder vielleicht doch? Wir werden sehen …

Bildbetrachtung
Plakat jetzt in die Mitte legen oder für alle gut sichtbar aufhängen oder Jahreslosungs­karten verteilen – etwas Zeit zum Anschauen lassen, aber bitten, sich noch nicht zu äußern – dann (evtl. nach einem akustischen Impuls mit einer Klangschale) langsam lesen:

Drei Schafe auf einem Berg.
Sie stehen und schauen.
Wir schauen die Schafe an:
Wohin sehen die drei?
Was sehe ich?
Zwei weiße Schafe?
… und ein dunkles Schaf.
Ein „schwarzes Schaf“?

Ein weißes Schaf steht mit einem dunklen zusammen, das andere weiße Schaf steht nicht so dicht bei den beiden. Es sieht auch nicht in die gleiche Richtung wie die anderen beiden.
Und: Es steht ganz dicht neben einer – Tankstelle! Wieso Tankstelle? Es sieht doch fast so aus, als ließe es sich „betanken“. Warten die anderen nur geduldig, bis es fertig ist?

Ich stelle mir ein Schafs-Gespräch vor:

evtl. mit verteilten Rollen lesen

Tolle Aussicht – findet ihr nicht auch?
Und sogar eine Tankstelle ist hier, da gibt's neue Energie …
Und die kommt direkt von oben, vom Himmel!
Ach, seht mal: Da unten sind ja die ­anderen, wir sind doch ziemlich zurückgeblieben!
Dann rennen wir doch gleich hinterher – aber erst müssen wir noch auf Liese­lotte warten, bis sie fertig getankt hat!
Mir wird es jetzt aber doch etwas zu la-a-a-a-ng … – t'schuldigung.
Aber wir drei gehören doch zusammen, also gehen wir auch zusammen weiter!
Da hast du schon Recht – aber wir gehören schließlich auch zu den anderen da unten. Stell dir vor, es passiert etwas und die finden uns nicht …
Meinst du nicht, dass es ihnen auffällt, wenn wir nicht da sind?
Naja, wir sind doch alle sehr verschieden, das müssten sie wirklich merken: unser Fell und unsere Stimmen sind unterschiedlich, unsere Hörner und Ohren, unsere Beine, unser Charakter und überhaupt.

Lieselotte meint, als sie endlich fertig ist, dass Hubert ja doch sehr anders aussieht.

Kleingruppen oder Murmelgruppen:
Wenn bisher nur das Plakat da war, werden jetzt die Karten verteilt. Die Gruppen haben 10-15 Minuten Zeit, ihre Phantasie blühen zu lassen und eigene „Schafsgespräche“ auszudenken. Sie werden gebeten, sich dabei zunächst einmal noch gar nicht um die Jahreslosung zu kümmern – und es ist auch nicht verboten, dabei zu lachen! Die Schafsgespräche werden anschließen in der großen Gruppe vorgetragen.

Betrachtung zur Jahreslosung
Es gibt ein ganz schönes kleines Gedicht,1 das eigens für unser Schafsbild geschrieben sein könnte:

Für uns sind die anderen anders.
Für die anderen sind wir anders.
Anders sind wir,
anders die Anderen,
wir alle anderen.
Wie empfinden wir, wie sehe ich es: die anderen und ich? Ich und die anderen?

Wenden wir uns nun dem Bibelvers der Jahreslosung zu, der auf dem Bild steht: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ – Unwillkürlich verknüpfe ich den Text mit dem, was ich sehe. Einander annehmen, das kann vieles heißen. Was meinte Paulus damals? Was bedeutet es für uns heute? Und vor allem: zu Gottes Lob? Im Bild sieht es so einfach aus: füreinander da sein, einander wahrnehmen, zuhören, aufeinander warten, sich Gedanken umeinander machen, sich umeinander sorgen. Und auch: akzeptieren, dass eine oder einer etwas braucht, geduldig miteinander sein, die Unterschiede sehen, aber nicht für Ausgrenzung benutzen.

Gesprächsimpuls: Was würden Sie noch ergänzen? Finden Sie Beispiele aus Ihrem Alltag und diskutieren Sie zu zweit oder dritt mit Ihren Nachbarinnen.

Wenn ich mir die Schafe auf dem Bild ansehe, kommt es mir so vor, als seien sie – wissend. Wissend in dem Sinn, dass sie sich mit dem einander annehmen Gott hinhalten. Hier stehen wir, Gott, unter deinem Himmel, in diesem wundervollen Licht, und es gibt nichts weiter zu tun, als füreinander da sein – ohne uns selbst aufzugeben. Die anderen und ich, auch ich eine andere, wie es in dem Gedicht heißt. Wie wäre es, was wäre, wenn uns das auch immer wieder einmal so gelingen würde?

… wie Christus euch angenommen hat. – Anderen Menschen Würde geben und sie in ihren Problemen und Sorgen, ­ihren Krankheiten und Handicaps, mit ihren Vorurteilen und Überheblichkeiten wahrnehmen. Einfach war es für Jesus nicht – und für alle, die ihm nachfolgten, erst recht nicht. Paulus wusste, wie es zugeht mit Unterschieden, mit dem Trennenden unter Menschen, mit Herrschaftsverhältnissen und mit dem schwie­rigen Leben der vielen „zusammengewürfelten“ Menschengruppen in der großen Hauptstadt.

Gesprächsimpuls: Schauen Sie sich einmal um in Ihrem Lebensumfeld – was können Sie bei sich wahrnehmen?

Für Paulus stand über allem „der Gott der Hoffnung“, wie es in Vers 13 heißt. Zum Lob dieses Gottes sollten die Menschen miteinander leben. Im Griechischen steht da doxa, ein Wort mit vielen unterschiedlichen Bedeutungen wie Schwere, Gewicht, Glanz, Herrlichkeit, Ehre. Martin Luther hat doxa hier mit Lob übersetzt. Im Hebräischen findet sich das Wort kavod mit gleichen Bedeutungen. Margarete Frettlöh schreibt dazu, es gehe darum, Gott Gewicht zu geben im Sinne von: Gott wichtig machen, Gott ernst nehmen. Paulus hat ein wunderbares Leitbild entwickelt, indem er aufzeigt, wie Menschen in der Nachfolge Jesu ihr Handeln für dieses Gewicht Gottes ausrichten können.

Die Bedeutung „Gewicht“, aber auch „Glanz“ ist spannend, wenn wir wieder auf unser Bild mit dem Bibelvers zurückkommen. Wir können Gott „Gewicht geben“, wenn wir Toleranz und Verständnis leben!

Gesprächsimpuls: Konkurrenz, Spannun­gen, Konflikte, Boshaftigkeit, Neid, Wegsehen: Das kennen wir zur Genüge. Bleiben da gegenseitiger Respekt und freund­liche Begegnungen unweigerlich auf der Strecke? Vielleicht nicht immer. – Erzählen Sie einander (zu zweit) von einem Erlebnis mit Respekt und Angenommensein.

Wenn wir genau hinsehen, finden wir Toleranz und gegenseitige Annahme – insbesondere unter Menschen, die sich gut verstehen und oft einer Meinung sind. Doch wie schwer sind Respekt und das Annehmen, wenn ich auf Menschen oder Gruppen treffe, bei denen Lebensweisen, Ansichten, Äußerlichkeiten und Haltungen sich sehr von meinen unterscheiden. Einander annehmen: Geht das leichter, wenn wir erkennen, dass es nicht um uns selbst geht, sondern darum, Gott Ehre und Gewicht zu geben? Können wir in den Verschiedenheiten der Menschen eine Chance sehen, miteinander zu Gottes Glanz das Leben zu gestalten? Was brauchen wir dazu?

Vielleicht machen wir es wie die Schafe auf dem Bild, die wissen: einander anzunehmen ist kompliziert und einfach, schwer und leicht zugleich! Fassen wir Mut und nehmen wir Gottes Segen in Anspruch, damit es oft gelingt.


Hanne Finke, geb. 1952, ist Erzieherin und Diplompädagogin. Sie arbeitet in der städtischen Familien- und Sozialarbeit, ehrenamtlich ist sie Landesbeauftragte im Frauenwerk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und Mitglied im ­Redaktionsbeirat ahzw.


Anmerkung
1)
Hans Manz, aus: Die Welt der Wörter – Sprachbuch für Kinder und Neugierige,
Beltz Verlag 1996; © beim Autor

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