Alle Ausgaben / 2013 Artikel von Maria Rigoutsou und Monika Konigorski

Schicksalsgemeinschaft

Zur Stellung des Tieres in den Weltreligionen

Von Maria Rigoutsou und Monika Konigorski


Die Schicksalsgemeinschaft zwischen Mensch und Tier setzt sich nach islamischen Vorstellungen auch nach dem Tod fort. Östliche Religionen wie der Buddhismus und Hinduismus gelten als besonders tier- und lebensfreundlich.

Im Koran wimmelt es von Tieren. Ein Kapitel trägt die Überschrift: „Die Tiere“, andere sind gleich nach einzelnen Tieren benannt: Die Kuh, die Ameise, die Spinne, der Elefant. Die 16. Sure wird „Die Bienen“ genannt. Hier wird auf die Vorbildfunktion der Tiere für den Menschen verwiesen.

„Und siehe, am Vieh habt ihr wahrlich eine Lehre. Wir tränken euch mit dem, was in ihren Leibern ist in der Mitte zwischen Mist und Blut, mit lauterer Milch, die den Trinkenden so leicht durch die Kehle gleitet.“


Gott gegenüber in einem Boot – Mensch und Tier im Islam

„Ebenfalls ist im Koran erwähnt, dass alle Tiere für sich Gemeinschaften bilden und diese Gemeinschaften eben auch Gott preisen. Somit hat der Muslim auch einen seelischen Bezug zu der Tier- und Pflanzenwelt, da das für ihn auch nicht nur eine Sache ist, sondern auch mit ihm zusammen in der Dienerschaft Gottes gegenüber befindet man sich in einem Boot, also Tiere wie auch Menschen.“ Mohammed Naved Johari arbeitet als Prediger in der Frankfurter Muslimischen Gemeinde IIS – Islamische Informations- und Serviceleistungen. Bei dem deutschsprachigen Verein finden Freitagsgebete und Glaubenskurse statt. Während die meisten anderen muslimischen Gemeinden in Deutschland muttersprachlich organisiert sind, besuchen nach Angabe des Vereins regelmäßig Menschen aus 50 Nationen die Veranstaltungen des IIS.

Mohammed Naved Johari erzählt weiter: „Der Prophet hat zu verschiedenen Situationen auf Tiere aufmerksam gemacht, hat einmal den Halter von einem Kamel kritisiert dafür, dass er Kamel überlastet, nicht genügend Zeit und Nahrung gibt zum Ausruhen.“

Viele solcher Anweisungen finden sich in den Hadithen, den Überlieferungen vom Leben des Propheten. Besonders berühmt ist das Reitpferd Mohammeds, das in der Tradition den Namen „Buraq“ trägt. Ganze Abhandlungen gibt es über Pferdeheilkunde und Reitlehre.

Die Schicksalsgemeinschaft zwischen Mensch und Tier setzt sich nach islamischen Vorstellungen auch nach dem Tod fort. Denn die Tiere werden am Jüngsten Tag versammelt und mit den Menschen in Frieden leben. Da sie nicht schuldfähig sind, wird auch nicht über sie gerichtet.

Ein marokkanischer Marktplatz. Eine Ziege schreit, als ein Mann sie an den Beinen fasst und auf den Rücken wirft. Ein anderer Mann presst ihren Körper zu Boden. Gleich schneidet er ihr die Kehle durch. Wie der Name es nahelegt, gehört es zum höchsten islamischen Fest, dem Opferfest, ein Tier zu schlachten. Das Fleisch wird von Bekannten und Freunden verspeist, ein Teil wird an Bedürftige gegeben.


Wähle das Leben – Diskussion um Fleischverzehr im Judentum

In allen drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam spielt das Schlachten von Tieren bzw. der Verzehr ihres Fleisches eine zentrale Rolle bei religiösen Festen. Im Islam ist es vor allem das Opferfest. Zur Feier des jüdischen Pessachfestes gehört üblicherweise der Verzehr von Lammfleisch.

„Zu Beginn der Schöpfungsgeschichte war es dem ersten Menschen, Adam, nicht erlaubt Tiere zu essen. Oder nur unter bestimmten Umständen. Aber seit Noah, seit der Sintflut, aber auch in der Thora ist es vorgesehen, ist es erlaubt, Tiere zu essen“, erklärt auch Jaron Engelmayer, Rabbiner in der jüdischen Gemeinde Köln.

„Jedoch in der Zukunft gibt es die Meinung, dass wir wieder zurückkehren werden zu dem ursprünglichen Zustand im Garten Eden, in dem Adam grundsätzlich vegetarisch gelebt hat. Das nennt sich auch die Vision des Vegetarismus, die sich aber nicht auf die heutige Zeit übertragen lässt, sondern nur in die zukünftige Zeit. In der heutigen Zeit ist Fleischverzehr ab und zu nicht nur erlaubt, sondern auch geboten. Zum Beispiel an unseren Feiertagen sollen wir uns freuen und Wein trinken und Fleisch essen, und da gehört der Fleischverzehr zur Freude des Feiertages auch dazu.“

Die jüdische Tierrechtlerin Hannah Reintz sieht die Zeit dagegen schon jetzt gekommen, zum urzeitlichen Thora-Gebot zurückzukehren. „Leben und Tod lege ich dir vor. Wähle das Leben!“ Wer diese Aufforderung der Thora ernst nehme, könne sich nicht Tiere, also totes Leben, einverleiben.


Nicht verletzen – Gebote der -östlichen Religionen

Östliche Religionen wie der Buddhismus und Hinduismus gelten als besonders tier- und lebensfreundlich. Aus Indien kennt man die Bilder von heiligen Kühen, die auf den Straßen liegen, stehen und laufen, wo sie wollen. Bilder von Mönchen, die mit einem Staubwedel alles abbürsten, damit sie sich nicht versehentlich auf ein Kleinstlebewesen setzen. Sie tragen einen Mundschutz, der sie daran hindern soll, beim Einatmen Insekten zu verschlucken.

„Das Bild ist mit Sicherheit teilweise richtig, es ist ja auch traditionell belegt, aber es entspricht natürlich nicht durch und durch der heutigen Zeit“, erläutert Arabella Unger vom Südasien Institut der Universität Heidelberg. Sie ist Vorsitzende des interdisziplinären Studienkreises „Tiere und Religion“ der Tierschutzorganisation Minding Animals International.

„Ganz einfach deshalb, weil die industrielle Zeit und die Dienstleistungsgesellschaft einen anderen Umgang mit dem Tier mit sich gebracht hat.“

Sowohl im Hinduismus als auch im Buddhismus spielt der Sanskrit-Begriff ahimsa, das Gebot des Nichtverletzens von Lebewesen, eine wesentliche Rolle. Ahimsa bedeutet: Keiner darf anderes Leben in Gedanken, Worten oder Taten verletzen. Jeder soll verhindern, dass andere dies tun.

Die Anhänger des Jainismus befolgen dieses Gebot besonders strikt. Der Jainismus entwickelte sich, wie der Buddhismus, aus der alten vedischen Religion, auch Brahmanismus genannt. Heute gehören nur etwa 4,4 Millionen Gläubige dem Jainismus an – fast alle leben in -Indien. Es sind die Jaina-Mönche, die Mundschutz und Staubwedel bei sich tragen. Sie ernähren sich ausschließlich vegan, auch geschenktes Fleisch dürfen sie, anders als die buddhistischen Mönche, nicht essen.

„Von der Tradition der Erziehung her heißt das schon, dass man eigentlich überwiegend dazu erzogen wird, vegetarisch zu leben. Allerdings nicht nur mit Rücksicht auf die Tiere, sondern auch mit Rücksicht auf seine eigene Erlösung.“ Denn die Erlösung ist vom eigenen Verhalten abhängig. Erlösung heißt: Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburt.

„Der Wert und der Umgang mit dem Tier, der ist historisch vor allem im Jainismus entstanden, und fast zeitgleich auch im Buddhismus und Hinduismus. Die hinduistische Ethik wurde dann erst später geprägt, auch in Reaktion auf den Jainismus und auf den Buddhismus. Aber wenn man es generell zusammenfasst, kann man sagen, dass im Rahmen der ganzen Erlösungstheorie – das gilt für alle drei Religionen gemeinsam – mit der Reinkarnation es natürlich möglich sein kann in einer schlechteren Geburt als Tier wiedergeboren zu werden.“

Ein Tier könnte also die Reinkarnation eines verstorbenen Familienangehörigen oder Freundes sein.


Maria Rigoutsou und Monika Konigorski: Opfertiere und das Gebot des Nichtverletzens von Lebewesen – Serie Deutschlandfunk „Die Stellung des Tieres in den Weltreligionen“ Teil 2: Islam, Judentum und östliche Religionen
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