In den ersttestamentlichen Texten wird Schmuck in unterschiedlichsten Zusammenhängen thematisiert. Geschichten, Vorschriften, prophetische Visionen und Mahnreden, poetische Texte wie die Psalmen oder das Hohelied und schließlich weisheitliche Sprüche reden davon.
Sich schmücken zum Fest
Biblisch gesehen gehört es zu einem Fest, sich zu schmücken. Als besonderes ‚Fest des Schmückens' erwähnen vor allem prophetische Schriften immer wieder die Heirat (vgl. Jes 49,18; 61,10; Jer 2,32; Ez 16,9-14). Braut und Bräutigam schmücken sich dazu mit Schmuck, besonderer Kleidung, Parfüm (etwa Hld 1,3.12; 3,6; 4,11; Ps 45,9) und wohl auch Schminke (vgl. 2 Kön 9,30; Jer 4,30; Ez 23,40; die Archäologie brachte zahlreiche Kajalstifte und Schminkpaletten als Grabbeigaben zutage).
Die Festzeit als Zeit des Sich-Schmückens findet ihr Gegenstück in der Zeit der Trauer und Erniedrigung. So heißt es in Jes 3,24: „Dann habt ihr Moder statt Balsam, Strick statt Gürtel, Glatze statt kunstvolle Locken, Trauergewand statt Festkleid, ja, Schande statt Schönheit.“ Jes 61,1-3 verwendet das Bild in umgekehrter Richtung: Den Trauernden soll die Asche, die sie sich als Trauerritus über den Kopf streuen, durch Kopfschmuck ersetzt werden, das Trauergewand durch Freudenöl, die Verzweiflung durch Jubel.
Schmuck als Ressourcenpool
Die bekannteste biblische Schmuckgeschichte ist die Geschichte vom Goldenen Kalb (Ex 32): Aus den goldenen Ohrringen der Frauen, Mädchen und Knaben wird ein blasphemischer Kultgegenstand gegossen. Der Schmuck stammt wohl aus dem „friedlichen“ Raubzug der Israelitinnen, den JHWH vor dem Auszug aus Ägypten ermöglicht hat (Ex 3,22; 11,1-2; 12,36). Schmuck als Kriegsbeute spielt auch in anderen Texten eine Rolle (vgl. Num 31,50; Ri 8,26). Der Zwischenfall mit dem Goldenen Kalb gipfelt in der Aussage, dass die IsraelitInnen nach ihrem Aufenthalt am Berg Horeb keinen Schmuck mehr getragen hätten (Ex 33,6).
Schmuck und sonstige wertvolle Materialien sollen nicht für das Goldene Kalb, sondern für den Bau des richtigen Heiligtums, der Stiftshütte, gespendet werden (Ex 35,5ff. 22ff.). Schmuck dient in diesen Fällen als Träger von wichtigem Rohmaterial – vergleichbar mit unseren Kirchenglocken, die man früher im Bedarfsfall zu Kanonen umschmelzen liess. Von den biblischen Texten her kennen wir den Slogan ‚Schwerter zu Pflugscharen' (Jes 2,4; Mi 4,3; in umgekehrte Richtung: Joël 4,10).
Schmuck als Statussymbol
Laut den biblischen Texten sind bestimmte Schmuckstücke nur bestimmten Personen zugedacht und zeigen an, dass diesen spezifische Amtshandlungen vorbehalten sind. Großen Raum nimmt im Buch Exodus die Beschreibung des Schmucks des Hohenpriesters ein (Ex 28; 39). Dem Schmuck werden z.T. Worte eingraviert. Sie binden den, der den Schmuck trägt, an die Identität des Volkes Israel und an die dem Hohenpriester zugedachten Verpflichtungen zurück.
Archäologische Funde belegen, dass in Palästina Siegel unter Männern wie Frauen weit verbreitet waren. Als Ring konnten sie am Finger, in eine Schnur eingefädelt am Handgelenk oder als Anhänger „auf dem Herzen“ (vgl. Hld 8,6) getragen werden. Tamar verlangte von Juda als Pfand für ihren Dienst als Prostituierte dessen Siegel mit Schnur (Gen 38,18.25). Eine besondere Rolle kommt dem königlichen Siegelring zu. Ihn zu benutzen oder gar zu tragen, stattet eine Person mit königlicher Autorität aus (vgl. 1 Kön 21,8; Est 3,10.12; 8,2.8.10; 1 Makk 6,15). Auch Josef bekommt in Ägypten bei seiner Einsetzung als höchster Beamter vom Pharao unter anderem dessen Siegelring (Gen 41,42; vgl. analog dazu Mordechais Werdegang in Est 8,2.15). Einige Texte bezeichnen sogar positive politische Leitfiguren als Siegelringe JHWHs (Jer 22,24; Hag 2,23; Sir 49,11). Bei dieser Art von Schmuck scheint es sich praktisch ausschließlich um ‚Männerschmuck' zu handeln. Königinnen wie Isebel und Ester können zwar das Siegel ihrer Gatten dazu benutzen, um Erlasse als rechtsgültig zu markieren (1 Kön 21,8; Est 8,8), offiziell übergeben wird ihnen der Ring deswegen aber nicht.
Schmuck-Metaphern
Die Prophetenbücher erwähnen Schmuck einerseits in Zusammenhang mit dem Bild Jerusalems und Samarias als unzüchtige Verführerinnen (Ez 16,15ff.; Ez 23,40ff.), andererseits in Zusammenhang mit dem Bild Jerusalems als geschmückter Braut JHWHs (Ez 16,10-14). Das Bild der ‚Hurerei' dient als eines der polemischen Bilder für Kultpraxen und politische Koalitionen, die als problematisch eingestuft werden. Ein Gegenbild zur als unzüchtig kritisierten und verworfenen Verführerin stellt die Figur Judits dar: Als fromme Witwe schmückt sie sich festlich, um den feindlichen Holofernes zu verführen, ihn sodann zu ermorden und damit die Stadt Betulia zu befreien (vgl. Jdt 10,3-4; 12,15).
In einigen Texten ist direkt von Jerusalem als einem Schmuckstück die Rede. Nach Jes 62,3 stellt die Stadt die prächtige Krone und das königliche Diadem in den Händen JHWHs dar. Für einmal kann also auch eine weibliche Figur, wenn auch keine reale, als Insignie Gottes imaginiert werden. Ez 20,6 umschreibt das verheissene Land als ‚Schmuckstück unter allen Ländern'.
Jerusalem oder Israel als geschmückte Braut JHWHs – was für ein kräftiges Gegenbild zu späteren, insbesondere in gewissen christlichen Kreisen bevorzugten Tendenzen, sich als Gegenüber Gottes in einer durch Lustfeindlichkeit und Selbsterniedrigung geprägten Haltung zu verstehen!
Veronika Bachmann © bei der Autorin
Vgl. hierzu die Bibelarbeit der Autorin S. 6ff.
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