Alle Ausgaben / 2008 Editorial von Margot Papenheim

Schokolade für die Seele

oder: Winnetou darf nicht sterben

Von Margot Papenheim


Völlig verkrampft vor Angst verdrücke ich mich in Vaters großen Fernsehsessel. Und hoffe mit der ganzen Kraft meiner 10-jährigen Seele, dass es doch noch gut ausgeht. Winnetou darf nicht  sterben! Das Herz rast, die verschwitzten Finger hinterlassen Flecken auf den  dünnen Blättern von Winnetou III.


Dann ist alles vorbei. Der edle Häuptling der Apachen ist tot. Gestorben in den Armen seines geliebten Bruders „Charly“. Als Christ immerhin – was Karl May
tröstlich gemeint haben mag, meinen Kummer aber kein bisschen lindert. Eher schon, dass auch der starke Old Shatterhand sich seiner Tränen nicht schämt.

Karl May war meine erste große Leseliebe. Meine Tür in die Welt der Bücher, mit denen wir uns die große weite Welt ins Dorf holten. Dort gab es, Anfang der 1960er Jahre, noch kaum Fernseher und schon gar kein Kino. Und in vielen  Haushalten auch keine Bücher außer dem Bertelsmann Volkslexikon, Readers Digest vielleicht noch, und den schon leicht zerfledderten „Märchen der Gebrüder Grimm“, aus denen die Oma früher oft vorgelesen hatte. Aber eins gab es zum Glück doch: die winzige, auf höchstens dreißig Quadratmetern vom ältlichen „Fräulein Burdewick“  hingebungsvoll betreute Pfarrbücherei. 1 Groschen pro Buch und Woche – bezahlbares Futter für die Phantasie. Noch heute kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, wenn ich mich erinnere, dass ich (frauenpolitisch bedingt korrekt) bei unseren kindlichen Spielen meistens Winnetou war, hin und wieder auch einer seiner tapferen weißen Freunde – aber nie, nie! die sanfte Nscho-tschi …

Wer erinnert sich nicht an Bücher, die an bestimmten Punkten des Lebens zum Glück einfach da waren – und nur darauf warteten gelesen zu werden? Wer kann nicht von ähnlichen Lese-Erfahrungen erzählen? Lesen ist Schokolade für die Seele. Nahrung, die von innen heraus stark macht und wachsen hilft. Hier brauchen wir die helle, süße, zart schmelzende, und da die herbe, kaum noch genießbare bittere. Mal mehr davon, mal weniger. Nur ganz ohne geht es, auf Dauer jedenfalls, nicht.

Ob daheim oder mit Ihrer Gruppe: Haben Sie genüssliche Stunden mit dieser Ausgabe der ahzw! Lassen Sie sich anregen, ein Buch neu zu lesen, das früher einmal wichtig für Sie war. Geben Sie der Versuchung nach, sich Stunden um Stunden in einem neuen Krimi zu verlieren. Schmökern Sie, ganz nach Ihrer Lust und Laune, und lassen es sich gut gehen mit Ihrer Lieblingsschokolade für die Seele!

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