Ausgabe 2 / 2005 Artikel von Gerd Humbert

Sensibel für Geschlechtergerechtigkeit

Ein Beitrag zur Belebung der kirchlichen Arbeit

Von Gerd Humbert

(Auszug)

„Eigentlich bin ich ganz anders. Aber ich komme nie dazu!“, meinte der ungarische Dramatiker Ödön von Horváth. Geht es Ihnen manchmal auch so? Eigentlich bin ich für Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kirche. Wir wollen ja Geschlechtergerechtigkeit erreichen. Aber viele andere Themen sind eben doch viel wichtiger, aktueller, brennender…

Nutzen für die  Gemeindearbeit

Wenn geschlechtersensibel gearbeitet wird, steigt die Attraktivität einer Kirchengemeinde nach innen und außen. Die geschlechtersensible Sichtweise ist dabei ein Instrument, um für Fragen, bei denen es in einer Kirchengemeinde gerade brennt, neue, andere, ergänzende Lösungswege zu finden. Es kommt also keine neue Arbeit hinzu, sondern die bestehende Arbeit wird unterstützt!
Wie wird das konkret? Wir fragen zunächst, wie sich unser kirchliches Handeln auf Frauen, Männer und die Geschlechterverhältnisse auswirkt. Wie gehen wir damit um, dass sich in der Frauenarbeit immer weniger „jüngere Frauen“ beteiligen? Wie erreichen wir wieder Männer aus der mittleren Generation? 90% Frauen und 10% Männer besuchen unsere Gottesdienste! Wie viele männliche Mitarbeiter und wie viele Jungen als Teilnehmer finden wir in unseren Kindergottesdiensten? Können wir sie neu beleben, indem wir Jungen und Mädchen bewusst in den Blick nehmen? Warum haben wir in den Presbyterien einen Frauenanteil von über 50% und in aufsteigenden Gremien eine abnehmende Frauenquote?

Jede Kirchengemeinde hat ganz besondere Merkmale und damit auch eigene Anknüpfungspunkte für eine geschlechtersensible Sichtweise. Um Ungleichheiten abzubauen, bedarf es einer gründlichen Analyse. Wichtig ist, dabei nicht nur Fehler und Missstände anzuprangern. Wenn wir Geschlechtergerechtigkeit wollen, werden wir auch unsere Erfolge in den Blick nehmen und sie als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung nutzen. Das heißt: Wir schauen, wo die Gemeinschaft zwischen den Geschlechtern funktioniert, wo gemischt-geschlechtliche Teams eine effektive Arbeit leisten, wo Frauen und Männer gemeinsam die Kirche weiter bringen. Wir werden erfolgreiche Angebote für Männer und Frauen ansprechend präsentieren und dadurch Impulse für Gemeinden geben.

Letztlich allerdings ist geschlechterbezogene Praxis für mich keine Methode, sondern Haltung und Sichtweise. Sie ist keine Brille zum beliebigen Auf- und Absetzen, sondern eine dauerhafte Einstellung und Überzeugung, begründet in einem christlichen Auftrag.

Für die Arbeit in der Gruppe

„Als ich zehn war…“

Ziel: Die folgende Arbeitseinheit soll die Vielfalt und Konstruktion von Geschlechterrollen verdeutlichen

Methode: Kopieren Sie die folgenden Fragen mit Zwischenräumen auf ein Blatt und bitten Sie die TeilnehmerInnen, sich ihre Antworten in Stichworten zu notieren:

Stellen Sie sich vor, Sie wären wieder zehn Jahre alt: Welche Vorstellungen hatten Sie über das jeweils andere Geschlecht?
Was durften Jungen? Was durften Mädchen? Was durften Jungen nicht? Was durften Mädchen nicht?
Wie erleben Mädchen und Jungen im selben Alter heute das jeweils andere Geschlecht?

Im Plenum werden die Erfahrungen ausgetauscht. Überlegen Sie dann gemeinsam: Welche Geschlechterrollen von Mädchen und Jungen wurden früher / werden heute konstruiert? Halten Sie die Ergebnisse auf 2 Plakaten mit der Überschrift „früher“ bzw. „heute“, jeweils unterteilt in „Jungen“ und „Mädchen“ in Stichpunkten fest.

Gerd Humbert, diplomierter Religionspädagoge und Sozialtherapeut, arbeitete als Gemeindepädagoge und Leiter einer Einrichtung der Offenen Jugendarbeit. Seit 2001 ist er Gleichstellungsbeauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz und betätigt sich, nach einer Ausbildung durch die Heinrich-Böll-Stiftung, freiberuflich als Gender-Trainer. Für Nachfragen ist er unter gerd.humbert@evkirchepfalz.de erreichbar.

 

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