Ausgabe 1 / 2015 Andacht von Eva-Maria Bachteler

Sie merkt, wie gut ihr Geschäft geht

Andacht zum Lob einer starken Frau im Buch der Sprichwörter 31

Von Eva-Maria Bachteler

Es gibt biblische Texte, die sind wie Perlen. Erstaunliche Funde, wertvolle Schätze, Zeichen des Reichtums der Bibel. Schön, sie vor Augen zu haben und sie immer wieder anzuschauen. Je nachdem, in welchem Licht wir sie betrachten, können sie in unterschiedlichen Farben schimmern.

Eine solche Perle ist im Buch der Sprichwörter zu finden. Der Text beschreibt uns eine Frau, die nur so sprüht von Tatkraft und Aktivität. Wir erfahren zwar – wie so oft – keinen Namen, aber eine ganze Menge über das, wie diese Frau ihren Alltag lebt, was sie umtreibt, was ihr im Leben wichtig ist und welche Bedeutung sie für ihre Mitmenschen hat:

Die folgenden Verse können so (oder zuvor auch in Kopie verteilt) vorgetragen werden. Eindrücklicher wird das gemeinsame Lesen und Hören, wenn während des Lesens einige der angesprochenen Dinge (Spindel, Decken, Gürtel …) an den entsprechenden Textstellen in die Mitte gelegt werden könnten, die zu Beginn schon z.B. mit einigen Tüchern und einer schönen Kerze vorbereitet ist.

Sie kümmert sich um Wolle und Leinen.
Voll Vergnügen arbeiten ihre Hände.
Sie steht auf, wenn es noch Nacht ist, gibt ihrem Haus, was es braucht,
und erteilt ihren Mitarbeiterinnen Anweisungen.
Sie plant, ein Feld zu kaufen, und tut es.
Sie pflanzt einen Weinberg vom Ertrag ihrer Hände.
Mit Kraft umgürtet sie ihre Hüften und macht ihre Arme stark.
Sie merkt, wie gut ihr Geschäft geht.
Auch in der Nacht erlischt ihre Lampe nicht.
Ihre Finger greifen den Spinnrocken, und ihre Hände halten die Spindel.
Für die Rechtlosen breitet sie ihre Arme aus,
und ihre Hände reicht sie den Armen.
Decken stellt sie für sich her. Ihr Kleid ist aus feinstem Purpur.
Ein Hemd fertigt sie und verkauft es.
Einen Gürtel liefert sie den Kaufleuten.
Macht und Hoheit sind ihr Gewand.
Auf den nächsten Tag freut sie sich.
Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit,
und Lehre voll Liebe ist auf ihrer Zunge.
Spr 31,13.15-20.22.24-26.27a BigS

Der Text stellt uns eine Frau vor Augen, die nur so sprüht vor Energie und Freude.
Sie ist in der Textilbranche tätig, kundig in der Herstellung und Verarbeitung von Stoffen. Sie leitet verantwortungsbewusst einen hauseigenen Betrieb mit mehreren Angestellten. Sie produziert nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern treibt auch Handel mit ihren Produkten. Als erfolgreiche Geschäftsfrau kann sie es sich leisten, sich in Purpur zu kleiden und selbstbewusst in der Öffentlichkeit aufzutreten. Sie agiert ökonomisch klug und investiert ihre Einkünfte in den Kauf von weiteren Grundstücken. Trotz ihres Erfolgs verliert sie ihre Umwelt nicht aus dem Blick: sie engagiert sich sozial und unterstützt Hilfsbedürftige. Sie steht ihre Frau, ist belastbar und verfügt über körperliche Stärke. Ihr Erfolg macht sie zufrieden und motiviert sie zu unermüdlichem Einsatz. Sie hat Freude an dem, was sie tut. Sie ist keine einsame Einzelkämpferin, sondern eine Frau, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen an andere weitergibt. – Eine erfolgreiche, selbstbewusste Geschäftsfrau, die mit Freude und Lust, aber auch mit großem Kraftaufwand und hohem Einsatz arbeitet.

Und die Überschrift?
Durchaus angemessen, wenn diese Darstellung eingeleitet wird mit der Frage: „Eine tatkräftige Frau – wer findet sie?“ (V. 10) Wörtlich übersetzt ist von einer Frau der Stärke die Rede, denn der entsprechende hebräische Ausdruck, mit dem die Frau beschrieben wird, lautet in seiner Grundbedeutung „Macht, Kraft, Stärke“.

In unterschiedlichen Bibelübersetzungen hat dieser Abschnitt Überschriften erhalten, die nach dem, was wir bisher über diese Frau erfahren haben, etwas irritierend klingen. Für viele war und ist wohl bis heute das „Lob der tüchtigen Hausfrau“ der Lutherübersetzung prägend. Hier ist nicht mehr von einer starken, tatkräftigen Frau die Rede, sondern von einer tüchtigen Frau. Weil der Begriff „Kraft, Stärke, Macht“ wohl nur für Männer passend schien, wurde er im Blick auf eine Frau mit „Tüchtigkeit“ wiedergegeben. Und da die Frau (nicht nur) für Martin Luther idealerweise als Hausfrau und Mutter auf den häuslichen Bereich beschränkt war, konnte sich ihre Tüchtigkeit nur auf ihr Hausfrauendasein beziehen.

Hausfrau oder Geschäftsfrau mit Familienverantwortung?
Das Buch der Sprichwörter richtet sich an männliche Adressaten: junge Männer werden belehrt, wie ein weises Leben zu führen sei. In dieser Perspektive wird fast ausschließlich über Frauen und nicht zu ihnen gesprochen. Im Vordergrund steht, welchen Nutzen die Männer durch ihre Frauen haben und dass Eigenschaften wie Schönheit, Klug­heit und Fleiß sie zu guten Partnerinnen der Männer machen.

Auch die Beschreibung der starken Frau steht in diesem Kontext eines männlich geprägten Frauenbildes. Dreimal ist ausdrücklich von ihrem Ehemann die Rede. Wir erfahren, dass die Frau das Vertrauen ihres Mannes genießt und ihn gut versorgt. Immer wieder wird erwähnt, dass sie ihre Verantwortung als Familienfrau und Hausherrin ernst nimmt. Sie achtet darauf, was in ihrem Haus geschieht, heißt es in Vers 27a. Trotzdem ist es aber vor allem ihr beruflicher Erfolg, der ihrem Mann finanzielle und gesellschaftliche Vorteile bringt: Berühmt wird der Mann in den Toren der Stadt, wenn er bei den Ältesten des Landes sitzt. (V. 23) Auch das Lob, das ihr am Ende zugesprochen wird, bezieht sich sicher nicht nur auf ihr vorbildhaftes Hausfrauendasein, sondern auch auf ihre Tätigkeit als aktive und erfolgreiche Geschäftsfrau. Dem entsprechend ist nicht nur ihre Familie voll des Lobs, sondern ihre Werke rühmen sie in den Stadttoren. Das heißt, auch in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit wird wahrgenommen und wertgeschätzt, was sie leistet.

Was für Martin Luther und viele andere (männliche) Ausleger nicht vorstellbar schien, legen sozialgeschichtliche Untersuchungen nahe: dass zur Entstehungszeit dieses Textes, im 5. Jh. vor Chr., Frauen gehobener Bevölkerungsschichten die Möglichkeiten hatten, ihren Lebensalltag so zu gestalten, wie es uns hier im Blick auf die starke Frau erzählt wird, und wirtschaftliche Macht besaßen. Den Wirkungsbereich dieser starken Frau auf den familiären und häuslichen Bereich einzugrenzen, verhindert, dass der biblische Text in seiner Stärke wahrgenommen wird. Und verhindert so auch, ihn fruchtbar zu machen für die Frage nach einem verantwortlichen ökonomischen Handeln von Frauen heute.

Die starke Frau und Frau Weisheit
Weiter führt hingegen eine andere Dimension, die durch das Bild der starken Frau hindurchschimmert. Durch vielfältige Bezüge ist das Lob der starken Frau, das wir am Ende des Buches der Sprichwörter hören, mit der Gestalt von „Frau Weisheit“ verbunden. Diese Gestalt tritt in den Anfangskapiteln des Buches auf und steht als Person für das, was im Sprüchebuch unter „Weisheit“ verstanden wird. So wirbt „Frau Weisheit“ unter ihren Zuhörer_innen für ein kluges, sinnvolles Leben, das sich an der Weisung Gottes, der Tora, ausrichtet und an Recht und Gerechtigkeit orientiert. Da Frau Weisheit Gott ganz nahe steht, wird deutlich: hier geht es um die göttliche Weisheit, die Menschen suchen und realisieren sollen. Und in der Gott den Menschen nahekommt und sie zu einem guten Leben ermutigen möchte.

Unsere erfolgreiche Frau ist nun ein Beispiel dafür, wie es aussieht, wenn Menschen dem Rat von Frau Weisheit folgen. So lebt und handelt eine Frau weise. Ausdrücklich wird das in Vers 26 erwähnt: Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit, und Lehre voll Liebe ist auf ihrer Zunge. Aber nicht nur durch ihr Reden, sondern mit all dem, was sie tut, verwirklicht sie den gottgemäßen Lebenswandel. Eine Frau, die die Ewige achtet und ehrt, kann sich rühmen, so wird sie abschließend mit Vers 30b auch noch als gottesfürchtige Frau beschrieben und gelobt.

Ein unerreichbares Ideal?
Hier geht es in der Tat um eine Frau, die Vorbildhaftes leistet: neben ihrem erfolgreichen Dasein als Geschäfts- und Familienfrau zeigt sie sich anderen gegenüber gerecht, sozial verantwortlich und als kluge Ratgeberin mit einer starken und lebendigen Gottesbeziehung. Die Form dieses Abschnittes – als Gedicht mit 22 Versen, die jeweils mit einem Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnen – unterstreicht, dass hier ein Idealbild beschrieben wird: ein ABC der starken Frau, deren Tätigkeiten sich auf alle Lebensbereiche beziehen und deren Leben umfassend gelingt, weil es von Weisheit geprägt ist.

Die starke Frau und wir
Ist damit das, was der starken Frau gelingt, nicht für alle anderen Menschen in unerreichbare Ferne gerückt? Können wir uns mit einer solchen idealen Frau überhaupt identifizieren? Wir müssen dieses ABC nicht als Aufforderung, diesem Idealbild in allen Punkten zu entsprechen, lesen. Wir können es vielmehr verstehen als Raum der Möglichkeiten für ein gelingendes Leben, das sich von Gottes Weisheit inspirieren lässt. Dass dieser Raum der Möglichkeiten für Frauen nicht nur auf die Sorge um Mann, Kinder und Haushalt beschränkt ist, sondern auch wirtschaftliche, soziale und öffentliche Verantwortung beinhaltet, macht die Stärke dieses Textes aus. Er ermutigt Frauen dazu, selber zu entscheiden, in welchen Lebensbereichen sie ihre Kraft und Klugheit einsetzen wollen. Beruflicher Erfolg wird nicht ausgespielt gegen die verantwortliche Sorge für die Familie. Frauen dürfen erfolgreich sein, auch in der Wirtschaft. Frauen können über eigenes Vermögen verfügen, es selbst genießen, ihre Familie damit unterstützen und an andere weitergeben, die weniger haben.

Unabhängig davon, welche Arbeit Frauen tun: sie ist es wert, gelobt und öffentlich anerkannt zu werden. Diese wichtigen und starken Hinweise gibt uns der Text. Oft genug erhalten Frauen auch heute noch nicht die Anerkennung, die sie verdienen: gleiche Arbeit von Männern und Frauen wird nicht gleich bezahlt; ein großer Teil der Arbeit von Frauen, vor allem in der Fürsorge und Pflege, wird gar nicht oder nicht ausreichend honoriert. Der Text spricht hier eine andere Sprache.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Frauen, ihr Leben so zu gestalten, dass sie in der Balance bleiben: zwischen Selbständigkeit und beruflichem Erfolg, familiären Bedürfnissen und gesellschaftspolitischem Engagement, zwischen Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber. Sich darin immer wieder von der Weisheit Gottes lehren und auf den „rechten“ Weg bringen zu lassen, auch dazu ermutigt uns der Text. Er öffnet einen anderen Blick auf Frauen und Männer: gemeinsam auf dem Weg zu hören, zu lernen, wie gutes Leben für alle aussieht und was wir dazu beitragen können. Wie schön, dass es in der Bibel auch Frauen sind, die uns das selbstbewusst vorleben und lehren können und so Gottes reiches und vielfältiges Wirken auf ihre Art zum Ausdruck bringen.

Vom Staub der Geschichte befreit
Dieser Text aus dem Buch der Sprichwörter ist eine Perle. Ihr Strahlen wurde im Laufe der christlichen Auslegungsgeschichte immer wieder abgeschwächt und verdunkelt. Wenn wir aber die Perle von diesem Staub der Geschichte befreien und sie im richtigen Licht betrachten, dann kommt ein Text hervor, der uns ermutigt, unsere Stärken als Frauen bewusst beim Namen zu nennen und danach zu fragen, wie wir sie leben und nähren können. Angeregt durch die großartige und beeindruckende Frau, deren Kraft und Würde durch ihre Nähe zu Frau Weisheit einen göttlichen Schimmer erhält, kann dieser alte biblische Text uns heutige Frauen stärken – und uns vielleicht auch ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Vorschläge zur liturgischen Gestaltung

Gebet:
Als du die Welt
am Anfang aller Zeiten
schufst, war sie bei dir:
die Weisheit,
deine Gestaltungskraft
und deine Freude.
So wurde aus dem Chaos
und dem Fluss der Dinge
unsere Welt,
von dir nach Maß, Zahl
und Gewicht geordnet.
Gieße aus über uns
geisterfüllte Weisheit,
die unsere Gedanken
ordnet und lenkt.
Weisheit,
die unserem Handeln Geduld gibt und Sinn.
Gottesdienstbuch in gerechter Sprache, 88-89

Segen:
Gottes Segen komme zu uns Frauen,
dass wir stark sind in unserer schöpferischen Kraft,
dass wir mutig sind in unserem Recht.

Gottes Segen komme zu uns Frauen,
dass wir Nein sagen, wo es nötig ist,
dass wir Ja sagen, wo es gut ist.

Gottes Segen komme zu uns Frauen,
dass wir schreien, wo Unrecht ist,
dass wir schweigen, wo Entsetzen ist.

Gottes Segen komme zu uns Frauen,
dass wir Weisheit suchen und finden,
dass wir Klugheit zeigen und geben.

Gottes Segen komme zu uns Frauen,
dass wir die Wirklichkeit verändern,
dass wir das Lebendige fördern.

Dass wir Gottes Mitstreiterinnen sind auf Erden!
Hanna Strack
mit frdl. Genehmigung aus:
www.hanna-strack.de

Lieder:
Lobet die eine (in: Frauen loben Gott, 17)
Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut (EG 635 / oder in: Singen von deiner Gerechtigkeit, 36)
Klüger (in: damit wir klug werden, Liederbuch für den Kirchentag 2015, 1)

Eva-Maria Bachteler, geb. 1970, ist Landesfrauenpfarrerin der Württembergischen Landeskirche. Im Team der Geschäftsstelle der Evangelischen Frauen in Württemberg ist sie zuständig für den Bereich Theologie und Spiritualität.

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