Ausgabe 1 / 2015 Artikel von Ilona Helena Eisner

Silvesterparty im März

Gleiches Geld für gleich werte Arbeit

Von Ilona Helena Eisner

Equal pay – schon wieder so ein englisches Wort? Aber bevor wir uns darüber aufregen, werfen wir doch zunächst einen Blick dahinter. Equal pay be­deutet: gleich bezahlen. So weit so gut. Das ließe sich auch auf Deutsch sagen. Doch mit einem Wort mehr, nämlich Equal Pay Day (EPD), ist es schon wieder ein geschützter Begriff, mit einer ganz besonderen Bedeutung und Geschichte.

Bereits im Jahr 1919 taten sich berufstätige Frauen in den USA zusammen, um sich zu solidarisieren und gegenseitig zu unterstützen. Berufstätig zu sein war für die Frauen von vielen Faktoren abhängig, mit denen sie nicht einverstanden waren. In den 1930er Jahren forderten sie zum Beispiel die Abschaffung des „Gesetzes der Untersagung der Berufstätigkeit durch den Ehemann“. Während des zweiten Weltkriegs gab es, wie in allen beteiligten Staaten, in den USA einen Zustrom von Frauen an den Arbeitsmarkt – allerdings zu sehr ungleichen Bedingungen. Der Zusammenschluss berufstätiger Frauen in den USA, die International Federation of Business and Professional Women, forderte darum nach 1945 die Einführung des Pay Act, ein Gesetz zur Sicherung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Aber erst 18 Jahre später wurde es durch den Senat in Kraft gesetzt, an seiner Umsetzung wird bis heute gearbeitet. So kam die Festlegung von Kriterien für die Bewertung und Vergleichbarkeit von Arbeit hinzu (1986) oder die Stärkung und Durchsetzung der bestehenden Equal Pay Rechte mit dem Lohngleichheits-Beschäftigungsgesetz von 1994.

In Deutschland gründete sich 1931 in Berlin die Vereinigung berufstätiger Frauen, die sich bereits 1932 in Paris dem internationalen Bund anschloss. Doch schon 1933 löste sich die Organisation wieder auf, da sie der Aufforderung Goebbels, einer Naziorganisation beizutreten, nicht folgen wollte.1 Die Idee der Solidarisierung und gegenseitigen Hilfe berufstätiger Frauen kehrte 1951 mit der Gründung des Deutschen Verbandes berufstätiger Frauen (DVBF) nach Deutschland zurück. Erste Themen und Betätigungsfelder ließen in der Nachkriegszeit nicht lange auf sich warten. Mit der Rückkehr der Männer wurden die Frauen an den Herd zurück gedrängt, traditionelle Rollenmuster lebten wieder auf, und Frauen brauchten wieder die Genehmigung des Mannes, um einer Arbeit nachzugehen – in der alten Bundesrepublik Deutschland wurde das Bürgerliche Gesetzbuch diesbezüglich erst 1977 geändert; bis zum 1. Juli 1958 konnte der Ehemann dort sogar den Anstellungsvertrag seiner Frau nach eigenem Ermessen und ohne deren Zustimmung fristlos kündigen. In den 1970er Jahren erreichte der Verband durch zahlreiche Aktivitäten einen hohen Bekanntheitsgrad und gewann viele neue Mitglieder. Bereits in den 1980er Jahren spricht er sich für eine paritätische Besetzung der Parlamente aus, fordert die Anerkennung von Familienarbeit und die Abschaffung von Minijobs. Themen, die uns bis heute begleiten. In den neuen Bundesländern gründeten sich die ersten Clubs in Erfurt 1995, in Jüterbog und Sachsen 1997. Seit Oktober 1999 heißt der Deutsche Verband berufstätiger Frauen „Business and Professional Women – BPW Germany“ und zeigt damit wieder die Zugehörigkeit zum internationalen Verband.

Der Equal Pay Day

Am Anfang stand die 2007 in den USA gestartete Red Purse Campaign – in Deutschland bekannt geworden als „Initiative Rote Tasche“. Die Kampagne wollte aufmerksam machen auf die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern, die unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Arbeit. Das Rot steht dabei für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. Ein Jahr später wurde der Equal Pay Day erstmals begangen – auch in Deutschland. Bundesweit beteiligten sich 2008 aus dem Stand bereits 6.000 Frauen und Männer mit 40 Aktionen in 25 Städten; die roten Taschen wurden schnell zum bekannten Symbol für die roten Zahlen. Seither ruft BPW Germany jedes Jahr Männer und Frauen zum Aktionstag auf, gegen Lohnunterschiede und für gleiche Einkommenschancen gemeinsam auf die Straße zu gehen. Inzwischen findet der Equal Pay Day in vielen europäischen Ländern jährlich statt. Und zwar an verschiedenen Tagen. Die Erklärung dafür klingt zunächst etwas kompliziert, liegt aber eigentlich auf der Hand.

In Deutschland zum Beispiel bestand im Jahr 2012 noch eine so genannte Lohnlücke von 23 Prozent. Dieser Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern ist laut Statistischem Bundesamt mittlerweile auf 22 Prozent gesunken. Das heißt: Wenn Männer einen Euro bekommen, erhalten Frauen nur 78 Cent. Deutschland gehört damit zu den Schlusslichtern in Europa und hat also keinen Grund, auf dieses eine Prozent stolz zu sein. Und doch ist es ein Lichtblick – kam doch nach vielen Jahren der Stagnation endlich Bewegung in die Zahlen. Genau diese Bewegung erklärt auch das variable Datum des EPD – er wird nämlich jeweils begangen „an dem Tag, der rechnerisch markiert, wie viele Tage Frauen nach Ablauf eines Jahres mehr arbeiten müssen, um genauso viel Geld in der Tasche zu haben wie Männer bereits an Sylvester“.2


Die Lücke im Frauenlohn

Dass die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bei uns so groß ist, dafür gibt es viele Gründe. Mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit oder in Minijobs oder in Branchen und kleinen Betrieben, in denen weniger gezahlt wird. In den Familienphasen zur Betreuung von Kindern und/oder pflegebedürftigen Angehörigen unterbrechen Frauen häufiger die Erwerbstätigkeit als Männer. Sie steigen aus und wieder ein – aber selten auf. Geleistete Familienarbeit ist von größter Bedeutung für die Gesellschaft, aber eben keine Erwerbsarbeit. Ähnliches gilt für die Bewertung der Branchen. Welche Kriterien werden eigentlich zugrunde gelegt, wenn eine Erzieherin oder Altenpflegerin weniger verdient, als ein Automechaniker oder Gerüstbauer? Mit Sicherheit kann es da jedenfalls nicht um die psychische und physische Belastung, geschweige denn um die Verantwortung für Menschen gehen. Auch Bildung und Berufserfahrung schmälern die Lohnlücke nicht. Im Gegenteil wird sie mit dem Bildungsniveau eher noch breiter. Für höhere Bildungsabschlüsse liegt der Unterschied bei 27 Prozent und in Führungspositionen verdienen Männer 30 Prozent mehr als Frauen. Alter und Berufserfahrung zeigen ähnliche Werte. Beträgt die Lücke, der oft auch so genannte Gender Pay Gap, bei den 25- bis 34-Jährigen noch 11 Prozent, ist er bei den 35- bis 44-Jährigen bereits auf 24 Prozent gestiegen.

Doch ich will nicht verschweigen, dass es auch Städte mit einem „negativen Gender Pay Gap“ gibt. Das heißt: Hier verdienen Frauen mehr als Männer! Dieses Phänomen finden wir unter anderem in Thüringen – auch meine Heimatstadt Weimar gehört dazu. Woran liegt das? Weimar ist als Kunst- und Kulturstadt vom Tourismus geprägt. In dieser Branche arbeiten sehr viel mehr Frauen als Männer. Dazu kommt, dass es hier weniger Industriezweige gibt, in denen Männer besser bezahlt werden oder mehr verdienen können. Die genannten 22 Prozent Lohnunterschied sind ein Durchschnittswert – und in Thüringen beträgt der Lohnunterschied im Durchschnitt nur etwa sechs Prozent. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Frauen in Thüringen besser bezahlt werden als im Rest von Deutschland. Es heißt zuerst und vor allem, dass auch Männer hier mit weniger Geld auskommen müssen, als ihre Kollegen in anderen Regionen.

Acht weitere Gründe für den Verdienstunterschied von Frauen und Männern benennt der christliche Sozialwissenschaftler Friedhelm Hengsbach.3 Drei davon möchte ich hier wiedergeben:

– Der überwiegende Teil der den Frauen zugewiesenen personennahen Dienste untersteht der Regie öffentlicher Haushalte. Die marktradikalen Propagandisten haben die Bereitstellung öffentlicher Güter (Gesundheits-, Pflege-, Erziehungs- und Bildungsleistungen) unter das Vorzeichen von Schuldenbremsen und Spardiktaten, des schlanken Staates und be­­schränkter öffentlicher Ausgaben gestellt.

– Den deutschen Gewerkschaften ist zwar halbwegs gelungen, innerhalb der Betriebe und innerhalb der Branchen die Solidarität der starken mit den schwächeren Kollegengruppen herzustellen, nicht aber über die Grenzen der Branchen hinaus. Dass etwa die Chemiearbeiter zu­gunsten der Erzieherinnen oder Krankenschwestern einen Solidaritätsstreik beginnen, ist wohl undenkbar.

– Die Kirchen sind als größte Arbeitgeberinnen im Bereich personennaher Dienste mitverantwortlich für den Lohnabstand und die geringe Verhandlungsmacht der abhängig Beschäftigten, solange sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine mit Drohpotential ausgestattete Solidaritätsbewegung verweigern.

Dies alles zeigt die Vielschichtigkeit der Problematik und unterstreicht die Wichtigkeit, sich gemeinsam zu engagieren und sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Handlungsmöglich­keiten

Der BPW Germany leitet seit 2011 die Bundesgeschäftsstelle Entgeltgleichheit sowie das Forum Equal Pay Day. Hier arbeiten und engagieren sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam und bereiten den jährlichen Aktionstag vor. Er wird jeweils unter ein besonderes Thema gestellt, Informations- und Werbematerial wird entworfen und angeboten. In diesem Jahr lautet das Motto: „Spiel mit offenen Karten: Was verdienen Frauen und Männer?“ Es wirbt für mehr Transparenz bei den Gehältern. Wenn Ihnen am 20. März 2015 also Frauen und Männer mit roten Taschen begegnen, dann ist es wieder soweit. Dann ist Equal Pay Day, dann sind Ak­tio­nen und Ideen gefragt, die aufrütteln und Lösungen finden lassen.

Für die Arbeit in der Gruppe

möchte ich keine 1-2-Stunden-Veranstaltung konzipieren. Der Landesfrauenrat Thüringen e.V. beteiligt sich seit vielen Jahren an den Aktionstagen zum EPD. Gab es zunächst viele kleine Aktionen vom BPW Germany Club Erfurt, den Gleichstellungsbeauftragten oder dem DGB, so bündeln wir seit drei Jahren dieses Engagement. Ich möchte darum viel lieber unsere Ideen und Erfahrungen vorstellen und hoffe, dass sie anregen, sich selbst am EPD zu beteiligen oder Aktionsgruppen zu unterstützen.

– Ein öffentlicher Informationsstand in der Innenstadt von Erfurt wurde begleitet von einer Supervisorin, die Frauen Tipps für Gehaltsverhandlungen gab und mit ihnen Bewerbungsgespräche nachstellte. Dazu brauchte es nur zwei weitere Stühle in unmittelbarer Nähe des Infostandes. Das Angebot fand regen Zuspruch und sorgte für viel Spaß während der Aktion.

– Für eine andere Aktion wählten wir den Bahnhofsvorplatz in der Zeit des Berufsverkehrs. Der Infostand mit den roten Taschen erregte Aufmerksamkeit und wir konnten viele BerufspendlerInnen ansprechen und informieren. Interessant war bei dieser Aktion die Tatsache, dass viele ArbeitnehmerInnen in angrenzenden Bundesländern arbeiten, weil sie in Thüringen keine gleichwertige Stelle finden konnten. Auch wenn der Fachkräftemangel inzwischen sichtbar und wahrnehmbar wird, auch für Unternehmen, sind die Angebote noch nicht so gut, dass BerufspendlerInnen sich dafür entscheiden würden wieder in Thüringen zu arbeiten. Lieber nehmen sie Fahrtzeiten und Strapazen in Kauf, als mit weniger Gehalt auskommen zu müssen.

– Ein weiterer Aktionstag begann mit einer Kundgebung vor dem Erfurter Rathaus. Gemeinsam mit dem DGB Hessen-Thüringen wurde zu einer Silvester-Party für Frauen am 25. März 2011 eingeladen. Bei einem Glas Sekt wurde zum Thema informiert. Im Anschluss fuhren die Akteurinnen in einem Fahrrad-Korso klingelnd quer durch Erfurt zum IKEA-Möbelhaus. Da IKEA in dem Jahr ebenfalls eine Aktion zum EPD durchführte, konnten wir vereinbaren, im Eingangsbereich mit Material und Gesprächen die Kundschaft zu informieren. Wir waren selbst erstaunt über das große Interesse und die wirklich guten Gespräche. Dass es für Frauen an diesem Tag einen Rabatt von 23 Prozent gab, war natürlich Werbung von und für IKEA. Nett von IKEA war es trotzdem.

– Im letzten Jahr haben wir zum EPD Aktionen für den ganzen Tag geplant. Los ging es mit einem Pressefrühstück im Frauenzentrum. Der BPW Germany Club Erfurt informierte über die aktuellen Entwicklungen und beantwortete Fragen zum Lohnunterschied. In einer Berufsschule für medizinische Pflegeberufe in Erfurt gab es anschließend eine Informationsveranstaltung für junge Menschen zum Thema Lohnunterschied und Gehaltsverhandlungen – aufgezeichnet und ausgestrahlt von einem regionalen Radiosender. Den Abschluss bildete wieder eine öffentliche Kundgebung vor dem Rathaus mit einer „Silvester-Party“.

– Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, am Vorabend des EPD mit VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft in einer öffentlichen Veranstaltung zu diskutieren, Fragen zu stellen und mit dem Publikum nach Lösungen zu suchen. Hier ist mehr Tiefgang möglich als bei öffentlichen Kundgebungen auf Straßen und Plätzen.

– Geplant werden die Aktionen bereits ab Oktober von einer Arbeitsgruppe, die nach Verbündeten sucht, Ideen austauscht und das vom BPW Germany vorgegebene Thema prüft. Dass nicht alles eins zu eins umsetzbar ist, hält uns nicht davon ab, eigene Aktionen zu planen. Denn es kommt nicht darauf an, vorgegebene Themen zu bedienen, son­dern nach eigenen Gegebenheiten Möglichkeiten und PartnerInnen zu finden, um an einem solchen Tag überhaupt aktiv zu werden. Denn unser großes Ziel ist es ja, dass die Frauen-Silvester-Party auch am 31. Dezember stattfindet, weil es keine Lohnunterschiede mehr gibt.

Ilona Helena Eisner, Jahrgang 1966, ist ehrenamtliche Vorsitzende des Landesfrauenrats Thüringen e.V.; beruflich arbeitet sie als Leiterin der Eltern­akademie Thüringen in Erfurt.

Anmerkungen
1) Zur Gleichschaltung der Frauenverbandsarbeit im Nationalsozialismus vgl. z.B. die Informationen auf der Internetseite des Deutschen Historischen Museum unter www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/innenpolitik/frauenpolitik.html oder bei der Bundeszentrale für politische Bildung unter www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35269/frauen-im-nationalsozialismus?p=all
2) Equal Pay Day Journal 2013, S. 14
3) Sie sind u.a. nachzulesen im Equal Pay Day Journal 2012 ab Seite 10.

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