Wie jede Woche bin ich mit dem Bücherwagen der Krankenhausbücherei unterwegs. Eine alte Dame spricht mich in der geriatrischen Tagesklinik schon beim Eintreten an: „Das Buch macht ja Mut für ein ganzes Leben!“ Ich schaue sie fragend an, weiß nicht, wovon die Rede ist. „Na ja, das Buch mit den zwei alten Frauen, das mir Ihre Kollegin letzte Woche gegeben hat.“ Und zu ihrer Tischnachbarin gewandt: „Das müssen Sie unbedingt lesen!“ Ich entdecke das Buch auf der Ablage und reiche es ihr: „Zwei alte Frauen“ von Velma Wallis. Ein Buch, das tatsächlich gerne gelesen wird – nur höre ich selten einen Kommentar dazu, da die Patientinnen und Patienten die ausgeliehenen Bücher bei ihrer Entlassung einfach auf Station abgeben.
„Und heute wollen wir was zum Lachen – ach, die Bücher von früher, waren die schön…“, fährt sie fort. Schließlich, nach kurzem Suchen, reiche ich ihr „So zärtlich war Suleyken“ von Siegfried Lenz. Sie strahlt und sagt zu ihrem Tischnachbarn, der gerade das Lesen eines Buches abgelehnt hatte: „Das werde ich Ihnen vorlesen, da werden wir uns amüsieren, das wird Ihnen gut tun.“ Beim Hinausgehen höre ich sie zur Praktikantin sagen: „Die erste Geschichte werden Sie uns vorlesen, danach lese ich.“ Noch zwischen Tür und Angel klingt die helle Stimme der jungen Frau …
Eine Woche später oben im kleinen Raum der Bücherei. Eine Patientin hat sich gerade zwei Bildbände ausgeliehen und drückt sie an die Brust: „So lässt es sich sogar im Krankenhaus aushalten. Wissen Sie, mit diesen Büchern baue ich mir einen Schutzwall. Gegen das viele Gejammere. Wenn Sie wüssten, was Sie hier für verborgene Schätze haben.“ Mit guten Wünschen für das Wochenende verabschieden wir uns. Bei allen Zweifeln – unsere Arbeit in der Krankenhausbücherei hat einen Sinn.
Barbara Wulf-Ospach
Leiterin der Krankenhausbücherei
Bielefeld/Johannisstift
(c) bei der Autorin
