„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern nach der zukünftigen suchen wir.“ – Was hat es mit dieser Zukunft auf sich? Für wen und was soll es Zukunft geben? Geht es um Menschen oder alle Kreatur oder sogar um noch mehr? Und: Wie können wir so leben, dass es überhaupt Zukunft gibt? Schließlich: Von welchem Leben reden wir? Von dem Leben hier bei uns oder überall auf der Welt? So viele Fragen, die sich aus dem kleinen Halbsatz von Hebräer 13 Vers 14 ergeben: „… nach der zukünftigen suchen wir“.
Lohnenswerte, Lebensnot wendende Fragen sind das. Viel zu selten gelingt es im Alltag, sie zu stellen und dann in Ruhe nach Antworten zu suchen. Durch Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Bücher erhalten wir eine Fülle von Informationen, die unser Leben und unsere Zukunft betreffen. Wir hören und lesen, bilden eigene Standpunkte, diskutieren mit anderen.
Erinnern wir uns an einige der vielen Informationen der letzten Monate,
die betroffen machen: verdorrte Maisfelder in den USA und die steigenden Weltmarktpreise für Lebensmittel; Waffenlieferungen Deutschlands in Krisengebiete; tote Landschaften durch Einsatz von Chemikalien bei der Goldgewinnung in Südamerika; das tägliche Aussterben von Tier- und Pflanzenarten auf dem ganzen Globus. Warum lassen wir das zu?
Zugleich erfahren wir aber auch von neuen Anbaumethoden, die afrikanischer Landbevölkerung zu Nahrung verhelfen; von der Aufmerksamkeit einiger Nachbarn, die einer kranken Frau halfen; von einer weltweiten Solarlampen-Kampagne eines Künstlers aus England; von der erfolgreichen Renaturierung eines kleinen Flusses in Hessen; von Kaffeepflückerinnen und -pflückern, die nach langem Kampf um nicht gezahlten Lohn endlich Entschädigung in Form von Land erhalten. Wie ist das möglich?
Auf der einen Seite erleben wir Zerstörung, Ausbeutung, Lebensfeindlichkeit und Gier, auf der anderen Seite Aufbau, Lebenswillen, Gemeinschaftssinn und Kreativität. Die Geschichten der Bibel handeln auch von solchen Erfahrungen. Sie zeigen uns, wie es gelang und gelingt, zu Gott zu kommen und Zukunft haben zu können.
Stellen wir uns für die Frage nach Gottes Zukunft ein Bild vor: ein großes, buntes Netz, an dem Menschen knüpfen, flechten und weben. Die vier wichtigsten Fäden dieses Netzes heißen: Schöpfung, Leben, Visionen und Zukunft. Gott braucht dieses Netz – und wir Menschen brauchen es.
Schauen wir den ersten wichtigen Faden des Netzes an, die Schöpfung. Mit Weisheit hat Gott alles gestaltet. In Jesaja 6, Vers 3 heißt es: „Die ganze Erde ist erfüllt mit Gottes Glanz.“ Die Theologin Ina Praetorius spricht von „geschenktem Reichtum“. Diese Fülle erleben wir etwa mit dem Beginn des Frühlings oder üppigen Ernten oder angesichts von Bächen mit klarem, sauberem Wasser, mit Sonne, Wind oder Regen, mit Tieren, Pflanzen, Erde, Steinen und Sand. Immer wieder zeigt sich Gott mit dieser geschöpflichen Herrlichkeit!
Wir Menschen gehören zur Schöpfung des Lebendigen. In Gemeinschaft und Alleinsein, mit Reden, Singen, Lachen, traurig oder zornig, mit Arbeit und Muße, friedvoll oder konfliktreich, gesund oder krank leben wir auf dieser Erde. Auch hier stellen sich uns die Fragen: Wie leben so, dass die Schöpfung Gottes bleibt? Wird es möglich sein, die lebensfeindlichen, zerstörenden Mächte zu stoppen? Der Faden „Schöpfung“, darf nicht reißen – er muss wieder stark und fest gemacht werden!
Wie soll Leben sein, welche Vielfalt können wir leben? Wie wollte Gott unser Leben, das Leben? Was für das Leben richtig ist, können Menschen durch Weisheit von Gott wissen. Im Buch der Weisheit heißt es: „Nicht anders, als dass du Weisheit gibst und sendest deinen heiligen Geist aus der Höhe, dass richtig werde das Leben auf Erden, dass die Menschen lernen, was dir gefällt, und durch die Weisheit errettet werden.“ (Weish 9,18)1) Weisheit war zu Beginn der Schöpfung bei Gott – und aus dieser Beziehung erwächst Leben. Durch Beziehung zu Gott und unter uns Menschen können wir Leben entwickeln, ausdrücken, finden. Der Dialog, das Wechselspiel, das Erkennen im Du macht lebendig und kreativ.
Gott, der oder, wie wir auch sagen können, die Lebendige will das Leben. Der Baum des Lebens, von dem die biblische Paradiesgeschichte erzählt, dient uns als Zeichen. Ganz eindrucksvoll begegnet uns die Bedeutung von Leben im hebräischen Wort nefesch.
In Genesis 2 Vers 7 steht, dass Gott in die Nase des Menschenwesens Lebensatem blies und „da wurde der Mensch atmendes Leben“. Nefesch, das heißt Atem, Kehle, Seele, Leben. Im Leben finden wir unsere Seele (wieder), unsere Lebendigkeit schöpft aus ihr. Auch diesen bunten, leuchtenden Lebensfaden nehmen wir in unser Bild vom Netz hinein, so dass wir und andere Menschen ihn immer wieder finden können.
Visionen sind Bilder, die in Bezug auf die Zukunft entworfen werden. Welche Visionen haben wir? Lesen, hören wir von Menschen, deren Visionen so mächtig sind, dass sie Veränderungen bewirken? Oder verkümmern solche Vorstellungen, weil kein fruchtbarer Boden da ist, in den sie gepflanzt werden?
Von Propheten und Prophetinnen der Bibel wissen wir: Ihre Lebensweise wurde von Visionen, von der Vor-Schau bestimmt, Gottes Wirken zu durchdringen und diese Haltung auf ganz unterschiedliche Weise den Mitmenschen nahe zu bringen. Welche Kraft ist von ihnen ausgegangen?
Auch an Kassandra können wir in dem Zusammenhang denken, die Seherin, die von Christa Wolf so eindringlich beschrieben wird. Troja war in Gefahr, Kassandra wollte ihr Volk bewahren, allein, ihre weise „Sehkraft“ fand keinen Widerhall.
Wie manches Mal wurden und werden Menschen als verrückt bezeichnet, die in der Gegenwart erkennen, „sehen“, dass für die Zukunft Unheil zu erwarten ist. Eine hoffnungsvolle Wendung ist möglich, wenn wir uns der göttlichen Verheißung anvertrauen. Klara Butting sagt: „Gott setzt seine ganze göttliche Kraft ein, damit wir auf unsere Füße kommen und von neuem zu leben beginnen.“ Gerechtigkeit, geschwisterliches Miteinander, barmherziges Tun und „der Gewalt gegenüber Menschen und Natur eine Grenze setzen“ – das wäre die Vision, der Taten zu folgen hätten.
Wie die Luft zum Leben brauchen wir Menschen, die Visionen haben, damit uns „Lichter aufgehen“. Für das bunte große Netz ist der manchmal kaum sichtbare Faden der Vision vom lebensförderlichen Zusammenleben unentbehrlich. Nur aus ihm kann unser Denken und Handeln gespeist werden. Und damit das Netz hält, müssen wir auch unsere eigenen Visionen hineinweben – zum Festhalten der Schöpfung, zum Festhalten Gottes und des Lebens.
Etwas über die Zukunft zu wissen, heißt noch lange nicht, zu „sehen“. Was wird in Zukunft sein? Wo fängt die Zukunft an – oder ist sie für uns Menschen gar irgendwann zu Ende?
Prophetinnen und Propheten der Bibel „sagen die Zukunft, die Gott heraufführt, an, um deutlich zu machen, worauf es in der Gegenwart Gottes ankommt. … Die Umsetzung der Weisung ins Leben ist neue Offenbarung des lebendigen Gottes.“2) Wenn wir über Zukunft nachdenken, kommt es also zunächst und vor allem auf die Gegenwart an. Was können wir erkennen, wahrnehmen, schauen, sehen? Die Bibel gibt uns eine Fülle an Geschichten, die solches Wahrnehmen fördern – und einladen, ja, herausfordern, Gottes Reich hier und jetzt zu verwirklichen. Es kommt darauf an, Gottes Gegenwart und Gottes Lebendigkeit in unser Leben, unser Menschsein, in uns aufzunehmen und danach zu handeln.
Weben wir auch diesen Zukunftsfaden, der fest mit unserer Gegenwart verbunden ist, in unser Netz. Lassen wir es groß und kräftig werden und es füllen mit unseren jeweiligen Möglichkeiten. Keine davon ist zu klein oder unbedeutend – jede wird gebraucht, damit das Netz des Lebens Zukunft hat.
-Zu Beginn die Jahreslosung lesen: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebr 13,14)
-Austausch über erste Assoziationen im Rundgespräch
-Die Andacht insgesamt vortragen – möglichst durch verschiedene Stimmen. Wenn alle den Text in Kopie haben, kann absatzweise reihum gelesen werden.
-Evtl. intensiverer Austausch zu den vier Themen Schöpfung – Leben – Visionen – Zukunft in Gruppen
-Mit der ganzen Gruppe mit dicken, verschiedenfarbigen Stoffstreifen ein großes Netz knüpfen oder weben – positive Beispiele sammeln, auf Zettelchen schreiben und ins Netz füllen
Segen: Aus Gottes guter Schöpfung kommt unser Segen!
Segen für unsere Visionen,
Segen für lebendiges Wirken,
Segen für die Stärkung der Zukunft von Erde, Menschen und aller Lebendigkeit.
Gott, segne uns mit deinem Segen!
Lied: Wenn eine alleine träumt oder Gott gab uns Atem (EG 432) oder „Gott, du schenkst uns Vollmacht, Zukunft zu gestalten in deinem Geiste“ (Text: Marie-Luise Langwald / Melodie: Schweige und höre)
Anmerkungen
1 Übersetzung Jörg Zink, in: Ders., Die Urkraft des Heiligen, Stuttgart 2003, S. 311
2 Crüsemann, Hungar u.a. 2009: Sozialgeschichtl. Wörterbuch zur Bibel
Hanne Finke, Jahrgang 1952, ist Erzieherin und Diplompädagogin. Sie arbeitet in der städtischen Familien- und Sozialarbeit, ehrenamtlich ist sie die Landesbeauftragte im Frauenwerk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers und Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.
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