Ein relativ junges Phänomen ist die Bewegung um Urban bzw. Guerilla Knitting, zu deutsch: urbanes bzw. Guerilla-Stricken. Nach dem Motto „Stricken, was das Zeug hält“ werden zum Beispiel Straßenlampen, Strommasten, Ampeln, Skulpturen, aber auch Bäume und verlassene Fahrräder eingestrickt oder bestrickt. Mal fertigen die Strickerinnen die Objekte zu Hause an und hängen sie dann erst auf, mal stricken sie bei Nacht und Nebel. Der öffentliche Raum soll zurückerobert und durch die künstlerische Gestaltung wiederbelebt werden, wie zum Beispiel bei den „Rausfrauen“ aus München: „Warum immer nur fürs traute Heim stricken, häkeln, nähen, basteln? Und überhaupt – wer bewohnt hier in München gar noch ein ‚trautes Heim', bei horrenden Mietpreisen?“ Auch das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 wurde als Zeichen des Protestes gegen den Abriss mit Strickereien versehen. Im Gegensatz zu den üblichen Graffitis sind die gestrickten Graffitis ein „sanfter“ Eingriff in den öffentlichen Raum, weil sie jederzeit entfernt werden können. Die entstandenen Objekte irritieren, strahlen gleichzeitig Wärme und Friedfertigkeit aus.
Ein Ursprung der Knitting-Bewegung ist schwer ausfindig zu machen. So wird beispielsweise der Künstlerin Magda Sayeg eine Vorreiterrolle eingeräumt. Sayeg gründete 2005 das Kollektiv Knitta, Please! in ihrer Heimatstadt Houston, Texas. Ihre Strickobjekte sollten den grauen Betonlandschaften und kalten Metallobjekten in der Stadt mehr Wärme und Farbe verleihen. Sayeg geht es weniger um eine politische Aussage als darum, durch ihre Objekte PassantInnen ein „Lächeln auf das Gesicht“ zu zaubern.
Urban-Knitting erfreut nicht alle. So wurden in Wien die Strick-Objekte vom Gartenbauamt und der Müllabfuhr entfernt. In Bad Lippspringe haben EinwohnerInnen mit wütenden Beschimpfungen auf das bürgerschaftliche Projekt zur Stadtverschönerung in Form bestrickter Bäume reagiert. Dem tritt eine sich vernetzende Knitting-Bewegung gegenüber, die das Potenzial hat, Protest am Bestehenden zu üben und zu zeigen: Eine andere Welt ist strickbar!
Textauszüge aus:
Bunt statt grau – Wie Menschen unsere Städte verwandeln
in:
Wir Frauen
Ausgabe 2.2012
Foto: Mezzomax / wikipedia.org
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