TD: Wie viele Sterneköchinnen gibt es in Deutschland?
SW: 2006 haben ungefähr zweihundert deutsche Restaurants Michelin-Sterne bekommen. In ganzen vier davon sind die Küchenchefs Frauen – das macht satte zwei Prozent. In Österreich gibt es ebenfalls vier Sternköchinnen, da wurden aber insgesamt nur fünfzig Restaurants ausgezeichnet, was immerhin acht Prozent bedeutet.
TD: Da gratuliere ich doch zum österreichischen Emanzipationserfolg.
SW: Ja, wir österreichischen Mäderln waren schon immer ganz vorn. Spaß beiseite: Schon vor dem Mittelalter gab es stets zwei oder drei Frauen, die für einen Kaiser kochen durften. Wenn man sich also klarmacht, dass es weibliche Ausnahmen zu jeder Zeit gab, muss man feststellen, dass sich im Metier „Kochen“ an der Geschlechterfront nicht viel bewegt hat. Die Verhältnisse dort sind das vielleicht ehrlichste Abbild unserer Gesellschaft: Solange eine Tätigkeit keine soziale Anerkennung erfährt und nicht bezahlt wird, dürfen die Frauen – oder müssen die Frauen sogar ran. Seit Menschengedenken sind die Frauen für die Essenbeschaffung und -zubereitung zuständig. Aber sobald es um Sterne, Hauben oder das große Geld geht – schwupps: Plötzlich ist es Männersache. … Die Trennung, dass sie fürs Grobe, Überlebensnotwendige zuständig ist, und er auf den Plan tritt, sobald es „Kulturleistung“ wird, zeigt sich auch dort, wo es um die Nahrungszuteilung geht. … Die offizielle Begründung lautet: Der Mann arbeitet härter, also muss er auch die proteinreichere Nahrung bekommen – was natürlich Unsinn ist. Aber vermutlich halten die Männer die Frauen deshalb so gern an der kurzen Essensleine, weil eine Frau, die gesund ist und vor Kraft strotzt, ihnen Angst machen könnte. … Das Argument „Frauen sind nicht robust genug für die Profiküche“ wird heute immer noch gebraucht, obwohl eine moderne Restaurantküche ein ziemlicher Technikpark ist. Ich sage es noch einmal: Wenn es um unbezahlte Drecksknochenarbeit geht, sind die Frauen robust genug. Oder schau in eine ganz normale Großkantinenküche rein, wo für Hunderte oder Tausende von Leuten gekocht werden muss. Da wimmelt es vor Frauen, die schwere Arbeit verrichten und schlecht bezahlt sind.
Interview mit Sarah Wiener
gekürzt aus:
Thea Dorn
Die neue F-Klasse
© 2006
Piper Verlag GmbH
München
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