Geld war bei uns zuhause immer knapp. Mutter bekam Haushaltsgeld zugeteilt und verdiente später, als wir Kinder schon größer waren, in Teilzeit dazu. Ein kleines Zubrot zum Haushaltsgeld.
Vater hatte einen Vollzeitjob, der ihn häufig am Abend, gelegentlich auch am Wochenende beanspruchte. Uns Kindern sagte er immer: „Wenn dich jemand fragt, was dein Vater verdient, sagst du: Weiß ich nicht.“
Über Geld wurde in unserer Familie nicht gerne gesprochen. Aber wir Kinder haben gespürt: Es reicht nicht wirklich! Eine typische Nachkriegskindheit: vier Kinder, die Eltern in der damals in unserer Gegend im Südwesten Deutschlands typischen Ernährer-Ehe. Mir war schon als Kind klar, ich würde für die Sicherung meiner Existenz selber sorgen müssen. Und so war ich die erste in unserer Ahninnenreihe, die ihr ganzes Leben berufstätig war und Familie und Beruf unter einen Hut bringen musste. Karriere und hohes Einkommen? Eher nicht. Mit Blick auf den Ruhestand erwartet mich eine bescheidene Rente, obwohl der Rentenberater derzeit sagte: „Sie gehören zu den Frauen, die eine gute Rente erwarten können!“ Alles falsch gemacht? Nein, aber einiges. An vielen Wegkreuzungen meines Lebens war ich nicht mutig und entschieden genug, auch materiell für mich zu sorgen. Auch das ein Beispiel einer typischen Frauenbiografie meiner Generation. Familienfreundliche Arbeitsplätze? Ein Fremdwort. Jetzt, kurz vor dem Ruhestand, sprechen die Zahlen für sich. Viel gearbeitet, und trotzdem wird es nur so eben reichen.
Heute ist die Ernährer-Ehe, die ich als Kind erlebte, ein Auslaufmodell. 70 Prozent der Frauen sind berufstätig, und das Zielfenster der Wirtschaft ist nahezu 100 Prozent. Frauen sind mit Männern juristisch gleichgestellt, auch die Rechtsprechung orientiert sich an einem partnerschaftlichen Familienmodell. Die familienpolitische Gesetzgebung, beispielsweise das neue Unterhaltsrecht, forciert die Verantwortung von Frauen für ihre eigene Existenzsicherung. Aber damit ist sie den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen weit voraus. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen beträgt immer noch circa 23 Prozent.1 Trotz gleicher, häufig sogar höherer Qualifikation haben Frauen weniger Chancen und sind in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Die längst überfällige, von der Bundesregierung jetzt auf den Weg gebrachte Regelung, die eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent in deutschen Aufsichtsräten vorschreibt, ist ein wichtiges politisches Signal und beschleunigt den gesellschaftlichen Kulturwandel. Aber Dienstleistungsberufe mit traditionell hohen Frauenanteilen sind mit ihren geringen Löhnen immer noch als „Zuverdienerinnen-Berufe“ konzipiert. Eine eigenständige Existenzsicherung ist in diesen Lohngruppen unmöglich. Nicht zuletzt bewirken die unzureichenden Rahmenbedingungen der Vereinbarkeit von Familie/Pflege und Beruf, dass die Erwerbsbiografien von Frauen immer noch stärker von Brüchen geprägt sind, als diejenigen von Männern.
Der erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 20112 zeigt deutlich, wie sehr das Frauen- und Familienbild in Deutschland nach wie vor durch Rollen- und Geschlechterstereotype geprägt ist. Der Maßstab für unsere Lebensentwürfe kann und darf allerdings nicht nur die Arbeitswelt sein. Hier muss ein Paradigmenwechsel erfolgen, der das Miteinander der Geschlechter und die gesamten gesellschaftlichen Aufgaben neu denkt.
Ja, Frauen verdienen mehr für ihre vielen ungezählten und unbezahlten Stunden der Care-Arbeit im familiären Leben. Für die unterbezahlten, für die Gesellschaft so wichtigen Tätigkeiten in der Pflege, in der Kindertagesbetreuung, in den Krankenhäusern. Für ihre anstrengende Arbeit bei Aldi an der Kasse. Zumal sie häufig Alleinverdienerinnen und Ernährerinnen von Familien sind.3 Der Umfang der sogenannten Reproduktionsarbeit in unserer Gesellschaft übersteigt deutlich die Erwerbsarbeit, wird aber grundsätzlich nachrangig behandelt. Professionelle Erziehungs- und Sorgearbeit hat einen geringen Status mit mäßigem Ansehen und vor allem ungünstige Vergütungsstrukturen. Das 2014 gestartete Care Manifest,4 initiiert von Wissenschaftlerinnen und Politikerinnen, hat mit einer groß angelegten Unterschriftenaktion die politische Diskussion zum Stellenwert und der Entlohnung der Care Arbeit in unserer Gesellschaft eröffnet.
Es gibt noch einen weiteren bemerkenswerten Zusammenhang von Geld und (Erwerbs-) Arbeit zu bedenken. Petra Bock, Autorin und Expertin für persönliche Erfolgsstrategien, sagt: „Wer kein Verhältnis zu Geld hat, hat auch keinen Erfolg. Die meisten arbeiten nicht in dem Beruf, in dem ihre wahren Fähigkeiten und Stärken liegen. Sie erfüllen Pflichten, statt Berufung zu leben. Oder sie arbeiten in einem Umfeld, indem ihre Einkommensmöglichkeiten stark reglementiert und damit begrenzt sind.“5 Hinzu kommt: Oft wissen Frauen nicht einmal genau, wie viel sie verdienen oder verschaffen sich keinen Geldüberblick. Nicht allein „die Welt“ oder der Arbeitsmarkt ist der Grund, dass ich im Mangel lebe. Häufig ist es ein tief verinnerlichter Leitsatz, der da heißt: „Ich habe es nicht verdient.“ Oder „Ich bin nicht gut genug.“ Doch, liebe Frauen, wir sind es wert, für das, was wir tun, gutes Geld zu verdienen! Ohne diesen Satz zu verinnerlichen, wird sich wenig ändern. Denn, so Petra Bock: „Der erste Schritt zu authentischem Wohlstand führt uns jedenfalls zu uns selbst.“6
Die eben beschlossene Mütterrente ist ein wichtiger Schritt, um die erbrachte Lebensleistung von Frauen zu würdigen, bewahrt aber nicht vor Altersarmut. Altersarmut ist für viele Frauen inzwischen fast ein Normalfall. Der Anteil der auf Hartz IV angewiesenen Rentnerinnen ist 2014 auf 12 Prozent7 angewachsen. Frauen bekommen im Schnitt ca. 50 Prozent weniger Rente als Männer. Zwar hat die derzeitige große Koalition auch die Mütterrente für die vor 1992 geborenen Kinder auf den Weg gebracht, das sind bis zu 29 Euro pro Kind im Monat. Ein Ansatz, aber kein Signal für eine gleichberechtigte Bewertung von Fürsorge- und Berufsarbeit und vor allem keine Wertschätzung für die Lebensleistung von Müttern. Auch die jetzt beschlossene Regelung, bereits nach 45 Jahren geleisteter Beitragszahlung in Rente gehen zu können, entspricht der klassischen männlichen Erwerbsbiographie und wird für die meisten Frauen nicht in Frage kommen.
Geld allein macht nicht glücklich, macht aber das Leben entspannter und ermöglicht es uns, unser Leben zu gestalten. Geld ist ein „Lebensmittel“ für unsere Bedürfnisse. Geld eignet sich aber schlecht dazu, Lebenssinn zu kompensieren, denn in unserer Tiefe suchen wir nach Seelennahrung und nicht nach materiellem Überfluss. Die Generation der „Babyboomer“ der 60er Jahre hatte ganz oben auf ihrer Lebensagenda noch „Karriere und viel Geld verdienen“. Aber schon die nachfolgende Generation „Y“, deren Mitglieder zwischen 1990 und 2010 Teenager waren, nennt als erstes „Freiheit und Glück“. Da ist ein Paradigmenwechsel passiert, hin zu einer Balance zwischen innerem und äußerem Reichtum. Überhaupt sind viele neue gesellschaftliche Impulse aus der kritischen Betrachtung des „mehr, mehr, mehr!“ zu beobachten. Eine sehr trendige Bewegung unter jungen Leuten ist beispielsweise, maximal 60 Gegenstände zu besitzen.
Heidemarie Schwermer,8 eine ehemalige Lehrerin aus Westdeutschland, sah keinen Sinn in der Anhäufung von Besitz und hat zwölf Jahre ohne Portemonnaie gelebt. Sie zog umher, hütete Wohnungen und Häuser, half bei der Pflege und im Garten. Dieser radikale Schritt war durch ihr langjähriges Engagement in Tauschringen vorbereitet. Sie wollte ein Zeichen setzen und die Welt gestalten. ‚Gib' und ‚nimm' war ihr Motto, dem sie ohne großes (Gott-) Vertrauen nicht hätte folgen können. Die Journalistin Meike Winnemuth beschreibt, wie sie – nach einem Hauptgewinn in der Quiz-Show „Wer wird Millionär?“ – mit 500.000 Euro im Gepäck ein Jahr lang, jeweils für vier Wochen, zwölf Weltstädte besucht.9 Unabhängiger wollte sie sein und mehr dürfen als müssen. Mit dem Ergebnis: Es braucht definitiv keine halbe Million zum Glück – aber es hat ihr den entscheidenden Kick versetzt, um mutig zu sein und ein Risiko einzugehen. Letztlich hat sie sich in diesem Jahr durch ihr Schreiben selbst finanziert. Es braucht also mehr als Geld, um meinen Träumen nachzugehen. Jedoch ist Geld eine wichtige Grundlage, um meinen Träumen unabhängiger nachzugehen.
Und dann gibt es da noch die anderen. Frauen, die unser Land schon immer geprägt haben: Mäzeninnen, einflussreiche Stifterinnen und andere Frauen, die es verstanden, Geld zu „verwandeln“. Mit ihren Vermögen schafften sie Voraussetzungen für den kulturellen und sozialen Fortschritt. Die Zahl solcher Frauen, die auf diesem Feld Sinnvolles bewirken, ist bis heute um ein Vielfaches gestiegen. Frauenstiftungen gehen neue Wege der Geldverwandlung. Insgesamt überwiegen aber bei unserem Thema sicher immer noch die beschriebenen problematischen Aspekte. Frauen und Geld – eine unendliche Geschichte von Benachteiligung und Ungerechtigkeit? Das allerdings wäre dann auch wieder eine allzu einseitige Betrachtungsweise. Allemal stimmt: „Eigenes Geld“ macht frei und ist eine Grundbedingung für ein gleichberechtigtes Miteinander von Männern und Frauen. Zu raten wäre daher: Frauen, traut euch, Geld selbstbewusst und entspannt in die Hand zu nehmen und da, wo es notwendig ist, auch einzufordern. Oder wie Petra Bock sagt: „Nimm das Geld und freu Dich dran.“
Einstieg mit Themeninseln:
Der Raum ist mit verschiedenen Themeninseln gestaltet:
– Geldscheine, Münzgeld, Kontoauszüge – Mein Verhältnis zu Geld?
– Geldscheine mit Frauenbildern – Kenne ich diese Frauen? Welche Frauenpersönlichkeiten oder Frauen in meinem nahen Umfeld sind für mich Vorbilder in Sachen Geld?
– Lottoscheine – Was würde ich machen, wenn ich plötzlich im Lotto gewinnen würde?
– Geldsprüche und Redewendungen zu Geld – Welche fallen Ihnen ein?
– Einander unsere Geldbörsen zeigen – Was ist drin und für mich typisch? Wie gehe ich im Alltag mit Geld um?
Zur Musik von Pink Floyd10 „money, money, money“ bewegen sich alle durch den Raum. Wenn die Musik ausgeht, bleibt jede vor einer Themeninsel ihrer Wahl stehen und ein Austausch von ca. 3-5 Minuten beginnt. Das kann beliebig wiederholt werden.
Meine „Geldbiographie“ – und wie sie mich in meinem heutigen Leben prägt:
Einstieg mit einer Kollage aus Illustrierten – danach Austausch in kleinen Gruppen zu folgenden Fragen:
Wie war die Geldverantwortung bei uns in der Familie verteilt?
War unsere Familie arm oder reich? Wie habe ich das als Kind erlebt?
Welche Art der Geldwirtschaft erinnere ich? Gab es einen „Familienstil“ im Umgang mit Geld?
Mein erstes eigenes Geld?
Geld gewonnen? Geld verloren?
Schulden?
Geld und Berufswahl? Welche Rolle hat die finanzielle Seite gespielt?
Wie gehe ich heute mit Geld um? Fühle ich mich finanziell sicher/unsicher?
Phantasiereise: Ein unerwartetes Geldgeschenk!
– Stille, Atem spüren, Körper spüren
– Gehe mit Deinen Gedanken an einen Ort. Welche Bilder kommen? Verweile dort, schau dir diesen Ort genau an.
– Du entdeckst eine Kiste! Wie sieht sie aus? Wo steht sie?
– Auf der Kiste steht: „Du bekommst ein Geldgeschenk von …?“ – Du hast etwa 11 Minuten Zeit. auf Deine eigene innere Reise zu gehen.
– Du kommst wieder hierher zurück
Welche Bilder und Impulse sind dir gekommen? – Nimm nun ein weißes Blatt Papier und schreibe alles auf, was Dir dazu einfällt, ohne nach Formulierungen zu suchen oder auf Rechtschreibung zu achten. Schreibe spontan, bleibe im Schreibfluss!
Markiere fünf Worte, die die meiste Energie für Dich ausstrahlen! – Bilde die Quintessenz daraus, einen Satz mit den fünf markierten Worten.
Extra: Gesprächs- oder Schreibrunde: Was möchtest Du mit dem Geld machen? Austausch mit einer Partnerin: Was würde ich damit machen? Würde sich in meinem Leben etwas verändern? Was möchte ich ins Leben bringen und gestalten?
Abschluss:
Wir spielen zusammen das Kinderspiel „Taler, Taler, du musst wandern“. Die Frau, die den Taler hat, erzählt einen Wunsch, den sie sich erfüllen möchte …
Hannelore List ist Diplom Pädagogin. Sie arbeitet als Referentin für Familie, Gender und Lebensformen in der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Baden.
Anmerkungen
1) Vgl. hierzu ausführlich den folgenden Beitrag „Silversterparty im März“, S. 62ff
2) Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Männern und Frauen im Lebensverlauf; zugänglich unter: www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellungdid=126762.html
3) Der Anteil der Ein-Elternfamilien beträgt bundesweit inzwischen 19 Prozent. – Umfangreiche Informationen zum Thema beim Verband für allein erziehende Mütter und Väter unter www.vamv.de
4) Care-macht-mehr.com
5) Petra Bock: Nimm das Geld und freu dich dran, Kösel Verlag 2008
6) Ebd.
7) Statistisches Bundesamt www.destatis.de/kontakt/
8) Heidemarie Schwermer: Das Sterntaler-Experiment. Mein Leben ohne Geld, Goldmann Verlag 2003
9) Meike Winnemuth: Das große Los, btb Verlag 2014
10) Pink Floyd: „The dark side of the moon“
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum
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