Ausgabe 2 / 2015 Artikel von Stefan Weidinger

Tratschen, lachen und Ideen spinnen

Frauengruppe im virtuellen Raum

Von Stefan Weidinger

Als mich meine Mutter im Jahr 1979 auf die Welt brachte, dachte sie bestimmt nicht daran, dass ich einen Großteil meines Lebens in virtuellen Räumen verbringen würde. Wahrscheinlich wäre es für sie in jenen Tagen, als mit „CD“ nur eine Seife gemeint sein konnte, eine schreckliche und der Science Fiction entlehnte Vorstellung gewesen.

Hollywood – und das hätte meine Mutter sicher auch so gesehen – zeichnete damals ein düsteres Bild virtueller Realitäten, in der Menschen sich in einer kalten Digitalität verlieren und von Nullen und Einsen gefangen gehalten werden. Drei Jahrzehnte und zwei Internet-Volkshochschulkurse später ist dieses Bild der 1980er bedeutungslos geworden, und meine Mutter hat nun eine Ahnung davon, was ihr Sohn als Web­entwickler und Online Campaigner täglich im Internet treibt. Sie ist selbst zur Akteurin geworden und nutzt digitale Dienste, um trotz der großen Entfernung, die zwischen unseren Wohnorten liegt, mit mir in Kontakt zu bleiben.

Wir tauschen Familienfotos via Dropbox (Speicherplatz im Internet), kommunizieren mittels Chat oder Skype-Videokonferenz (www.skype.com/de) und „verkürzen“ so die Zeit, bis wir uns im Real Life (reales Leben) wiedersehen. Um eine Familienzusammenkunft zu ­organisieren, an der wirklich alle teilnehmen können, nutzen wir schon mal den Terminplanungsdienst Doodle (www.doodle.com). Die Erinnerung an den Tag, als mich eine Benachrichtigung des Social-Networks Facebook erreichte, in der man mir mitteilte, dass meine Mutter mit mir befreundet sein möchte, zaubert mir immer noch ein Lächeln ins Gesicht 🙂

Seitdem können wir leichter als früher teilhaben an den Dingen, die uns interessieren und bewegen. Wenn ich beispielsweise einen Artikel über das Schicksal im Mittelmeer ertrunkener Flüchtlinge empört mit meinen Facebook-Freunden teile, dann überrascht mich eine Kommentierung meiner Mutter wie „Das ist eine Schande!“ nicht mehr. All das würde auch ohne Internet klappen: Wir könnten uns Briefe schreiben und entwickelte Fotos oder ausgeschnittene Zeitungsartikel in einen Umschlag stecken. Wir könnten telefonieren, selbstverständlich würden wir uns dabei nicht sehen. Doch es ist oft ein Gesichtsausdruck, eine Mimik, die uns das Gesagte richtig interpretieren lässt. Auch wäre der Aufwand oft höher, sowohl was die Kosten als auch die Zeit betrifft, da sind wir uns nach anfänglichen Diskussionen nun einig. Einig sind wir uns auch darin, dass Online-Dienste allein kein befriedigender Ersatz für Real Life Beziehungen sind.

Was geht?

Wie aber lassen sich soziale Aktivitäten und organisiertes Handeln mithilfe von Social Software (Soziale Software ermöglicht Interaktion der Nutzerinnen) online abbilden? Es geht hier nicht darum, wie mit den Möglichkeiten des Internets Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden kann, auch wenn da zweifelsohne ein enormes Potential besteht. Im Fokus stehen vielmehr interne Prozesse: Wie gewährleistet man einen hierarchielosen Informationsfluss kleinerer Gruppen? Welche Online-Instrumente unterstützen einen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess, und wie kann eine daraus resultierende Praxis organisiert werden? Oder einfach ausgedrückt: Wie können wir das, was wir auch in unseren Real Life Gruppen täglich unternehmen – sprich miteinander tratschen, lachen, Neuigkeiten und Ideen austauschen, Geburtstage, Ostern und Weihnachten feiern – eben auch mithilfe eines virtuellen Raumes tun?

Mit der richtigen Sozialen Software lässt sich all das umsetzen. Voraussetzung für die gemeinsame Nutzung virtueller Räume ist: für alle Teilnehmenden ein internetfähiges Endgerät, zum Beispiel ein Desktop-Computer, ein Laptop oder ein Smartphone, und eine ausreichende Breitband- oder Mobilfunk-Internet-­Ver­bindung. Vor allem aber: eine gute Portion Neugier auf die neuen Möglichkeiten.

Bequem und ohne technische Vorarbeit lässt sich Facebook als virtueller Raum mit zahlreichen sozialen Interaktionsmöglichkeiten nutzen. Das größte So­cial Network der Welt bietet kostenlos zahlreiche soziale Funktionen „out of the box“, also ohne dass noch zusätzliche Komponenten ein- oder angebaut werden müssen. Durch eine ausdifferenzierte Gruppenfunktion ermöglicht Facebook sowohl öffentliche Gruppen als auch geschlossene und sogar für ­Außenstehende nicht sichtbare Gruppen (von Facebook als geheime Gruppe bezeichnet). Trotz aller Vorteile für die Nutzerinnen und der ausgereiften technischen Basis gibt es einen Wermutstropfen bei dem Angebot des Internet-Konzerns: Die eingegebenen Daten, also die hochgeladenen Fotos, Texte und selbst der kurze Weihnachtsgruß werden ausgewertet, kategorisiert und gehen laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Mitbesitz des Konzernes über. In Punkto Datenschutz ist Facebook, wie im Übrigen auch alle anderen großen kostenlosen Dienste, klar zu kritisieren. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit persönlichen Daten und der eigenen Privatsphäre sei daher hier dringend empfohlen!

Facebook ist allerdings bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, Social Software für virtuelle Gemeinschaften zu nutzen, auch wenn die große Verbreitung noch einen anderen entscheidenden Vorteil bietet: In fast jeder Familie und Freundeskreis gibt es Facebook Nutzer_innen, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn etwas unklar ist. Fragen Sie einfach mal ihre Kinder oder Enkel. Oder, wenn Sie zu den jüngeren Internet-Skeptiker_innen gehören, Ihren alten Onkel oder Ihre alte Tante. Bei 28 Millionen aktiven Facebook-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern in Deutschland wird sich auch in Ihrem Umfeld jemand finden!

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch das Social Network Google+ erwähnt, es bietet einen ähnlichen Funktionsumfang und ermöglicht auch eine differenzierte Gruppenfunktionalität. Google+ wird im Gegensatz zu Facebook oft im geschäftlichen Bereich für virtuelle Projektgruppen genutzt und bietet zudem mit Google Docs einen Werkzeugkasten an kollaborativen Arbeitsinstrumenten, wie webbasierte Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationen. An Dokumenten kann gleichzeitig von verschiedenen Personen gearbeitet werden, jede Änderung ist nachvollziehbar. Jedoch gelten auch hier dieselben Einschränkungen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre wie beim Angebot des Konkurrenten Facebook.

Los geht's!

Grundvoraussetzung für eine virtuelle Gemeinschaft ist selbstverständlich, dass das Interesse daran da ist – und ein Computer sowie eine benutzbare Internetverbindung. Selbstverständlich kann man auch zu zweit mit einer virtuellen Gemeinschaft starten, jedoch leidet die Attraktivität des Projektes, wenn auf der Plattform nichts passiert, also die Beteiligung zu gering ist. Eine gute Basis sind 10-30 Teilnehmende, wobei mindestens eine Person sich um administrative Aufgaben kümmern sollte und eine ­weitere um inhaltliche Impulse, Fragestellungen und gegebenenfalls notwen­dige Moderation.

Eine Grundregel für Online Communities lautet: Je klarer der Zweck der Unternehmung, der Fragestellung oder der Aufgabe formuliert ist, desto erfolgreicher ist die Beteiligung und desto besser das Ergebnis.

Option 1: eine „Geschlossene Gruppe“ auf Facebook
So erstellen Sie eine Gruppe:
1. Sollte noch kein Facebook Account vorhanden sein, registrieren Sie sich auf www.facebook.com
2. Gehen Sie auf Ihre Startseite und klicken im linken Menü den Abschnitt Gruppen, anschließend klicken Sie auf Gruppe erstellen.
3. Nun klicken Sie oben auf der Seite auf Neue Gruppe erstellen. Jetzt öffnet sich ein Fenster, in das Sie den Namen für die Gruppe eingeben können. Hier können Sie auch die Privatsphäre-Einstellungen für die Gruppe auswählen. Wir wählen Geschlossene Gruppe.
4. Wenn Sie damit fertig sind, klicken Sie auf Speichern.
5. Sobald die Gruppe erstellt wurde, werden Sie zur Gruppe weitergeleitet. Klicken Sie zuerst oben rechts auf das kleine Zahnrad und wählen Sie Gruppeneinstellungen bearbeiten. Hier können Sie eine Beschreibung der Gruppe und eine Gruppen-E-Mail-Adresse eingeben sowie ein Gruppenbild hochladen.

So fügen Sie einer Gruppe neue Mitglieder hinzu:
1. Rufen Sie die Gruppe auf.
2. Klicken Sie in der rechten Spalte auf das Feld + Personen zur Gruppe hinzufügen.
3. Geben Sie die Namen der betreffenden Facebook Freunde ein und klicken Sie darauf, um sie der Gruppe hinzuzufügen.

Gruppenmitglieder können ihre Facebook-Freunde hinzufügen. Andere Personen können die Mitgliedschaft in öffentlichen oder geschlossenen Gruppen beantragen und von einem Gruppenadministrator oder einer Gruppenadministratorin bestätigt werden. Sie können auch Personen einladen, mit denen Sie (noch) nicht auf Facebook befreundet sind, indem Sie rechts oben in Ihrer Gruppe auf Per E-Mail einladen klicken.

Wie posten Sie einen Beitrag und teilen diesen mit einer Gruppe?
Um in einer Gruppe etwas zu posten, gehen Sie zu der Gruppe und klicken auf das Feld Schreib etwas
Wenn die Möglichkeit besteht, die Registrierung und die ersten Schritte gemeinsam zu gehen, so ist das von Vorteil. Gegenseitige Hilfe und das gemeinsame Erkunden von Facebook und der Gruppenfunktion erleichtern den Start der virtuellen Gemeinschaft vor allem für Facebook-Neulinge erheblich!

Wer Wert auf hohe Datenschutzstandards legt, kommt nicht daran vorbei, sich selbst um die Software für eine virtuelle Gemeinschaft zu kümmern. Ohne jegliche Vorkenntnisse wird es zugegebenermaßen nicht ganz leicht, von heute auf morgen einen eigenen virtuellen Raum sein eigen zu nennen. Aber mit einer guten Anleitung ist es für eine internetaffine Person machbar! Während die genannte Social Networks (Facebook, Google+) zahlreiche einzelne Social Software Lösungen miteinander verbinden (Publizierungsmöglichkeit für Texte, Bilder, Videos, Kommentarfunktion, Chat, Private Nachrichten, Nutzerprofile, Bewertungstools, Abstimmungen u.v.m.), sind eigenbetriebene Lösungen oft fokussierter auf ein Ziel ausgerichtet. Jedoch gibt es Plattformen wie WordPress, die durch den Einsatz von Community-Erweiterungen den Großen in nichts nachstehen. Eine dritte Möglichkeit bieten Dienste wie SocialGo, hier kann unter Einsatz finanzieller Mittel ein eigenes Soziales Netzwerk gemietet werden. Mit SocialGO kann die Userin in kurzer Zeit ihr eigenes soziales Netzwerk erstellen. Diese Funktion lässt sich natürlich auch bestens dazu nutzen, um Projektteams und Arbeitsgruppen zu organisieren.

Option 2 wäre also ein WordPress-basierter virtueller Raum; mehr dazu auf www.de.wordpress.com – und Option 3 ein eigenes, „gemietetes“ Social Network mit SocialGo; weitere Informationen dazu auf www.socialgo.com.

Doch egal für welchen virtuellen Raum und welche Plattform Sie sich konkret entscheiden, aller Anfang ist schwer. Geben Sie der Social Software Ihrer Wahl eine Chance – und nicht nach 15 Minuten auf. Vieles dauert anfangs etwas länger, nach mehrmaligem Ausführen geht es jedoch wie von selbst! Das ist ein Versprechen.

Stefan Weidinger, geb. 1979, ist gelernter Drucker, hat seither aber Berufserfahrungen in den unterschiedlichsten Bereichen gemacht. Als Webdesigner und Campaigner arbeitet er zurzeit auch mit EFiD in der Kampagne für einen anderen Organspendeausweis zusammen.

Was ist Social Software?
Aus der Online Enzyklopädie Wikipedia: Social Software ist ein Modewort für Software, die der menschlichen Kommunikation und der Zusammenarbeit dient, z.B. im Zusammenhang mit Social Media. Das Schlagwort „Social Software“ ist um 2002 im Zusammenhang mit neuen Anwendungen wie Wikis und Blogs aufgekommen, kann aber auch ältere Dienste bezeichnen. Den Systemen ist gemein, dass sie dazu dienen, Gemeinschaften aufzubauen und zu pflegen; in aller Regel über das Internet. Zudem entwickeln sie sich teilweise selbstorganisiert. Eine einheitliche Definition existiert nicht, je nach Auslegung wird die soziale Software enger oder breiter gefasst.

Das breite Spektrum von Anwendungen sozialer Software lässt sich auf verschiedene Weise strukturieren. Schmidt1 führt zur Strukturierung beispielsweise drei Basis-Funktionen des Einsatzes von Social Software an:
– Informationsmanagement: Ermög­lichung des Findens, Bewertens und Verwaltens von (online verfügbarer) Information
– Identitätsmanagement: Ermöglichung der Darstellung von Aspekten seiner selbst im Internet
– Beziehungsmanagement: Ermöglichung Kontakte abzubilden, zu pflegen und neu zu knüpfen.

Anmerkung
1) Jan Schmidt: Social Software: Onlinegestütztes Informations-, Identitäts- und Beziehungsmanagement, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Nr 2/2006, S. 5

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