Ausgabe 2 / 2004 Material von Alev Lytle Croutier

Türkischer Kaffee

Von Alev Lytle Croutier

 

Der türkische Kaffee wurde nicht etwa in der Türkei angebaut, sondern kam aus dem Jemen – und stieß zunächst auf einen feindseligen Empfang. Er galt als Quelle der Unmoral und war viele Jahre lang verboten. Mitte des 17. Jahrhunderts wurden seine Vorzüge dann aber mit dem typischen osmanischen Überschwang gepriesen, so beispielsweise von Katib Chelebi in seinem Werk „Das Gleichgewicht der Wahrheit“ (1650), in dem es unter anderem hieß, brühheißer Kaffee habe die wunderbare Eigenschaft, keine Verbrennungen zu verursachen:
„Kaffee ist unzweifelhaft kühl und trocken. Selbst wenn er in Wasser gekocht und eingeschenkt wird, behält er seine Kühle: Vielleicht nimmt sie noch zu, denn Wasser ist ebenfalls kalt. Aus diesem Grund löscht Kaffee den Durst und verbrennt nicht, wenn er auf die Gliedmaßen geschüttet wird, denn seine Hitze ist eine sonderbare Hitze, eine Hitze ohne Wirkung. Er eignet sich hervorragend für Personen, deren Temperament allem Feuchten zuneigt, vor allem für Frauen. Sie sollten eine große Menge starken Kaffees trinken. Selbst wenn sie ihn im Übermaß genießen, werden sie, sofern sie nicht schwermütig sind, keinen Schaden nehmen.“

Türkischer Kaffee besteht aus äußerst fein gemahlenen Bohnen und wird auf eine spezielle Weise zubereitet:
eine halbe Tasse Wasser
2 Teelöffel Zucker
2 Teelöffel feinstgemahlener Kaffee
Man gieße das kalte Wasser in einen jezve (kleiner zylindrischer Topf mit einem langen Griff). Zucker und Kaffee hinzufügen. Gut umrühren. Bei geringer Hitze erwärmen, bis sich kleine Blasen zu bilden beginnen. Vom Feuer nehmen und den Schaum in Mokkatassen abgießen. Zum Kochen bringen, aber nicht überkochen lassen. Vom Feuer nehmen. Auf den Schaum in den Mokkatassen gießen und servieren.

Das Rezept scheint ganz einfach zu sein, aber die perfekte Zubereitung gehört zu den schwierigsten Dingen auf der Welt. Es kommt darauf an, die richtige Menge von Schaum zu erzielen, das heißt, das Gefäß auf die Sekunde genau vom Feuer zu nehmen.
Die Zubereitung von gutem Kaffee gehörte zu den wichtigsten Dingen im Leben eines jungen Mädchens, da es als Ehefrau von Anfang an – und bis ans Ende seiner Tage – danach beurteilt wurde, wie sein Kaffee schmeckte. Frauen übten monatelang, um später das Herz ihrer Schwiegermutter zu gewinnen.

Ich selbst machte schon mit neun Jahren eine intensive Lehre durch, und nahm an, dass die Tradition, bei der die älteren Frauen den Mädchen beibringen, wie man guten Kaffee zubereitet, noch generationenlang weiterbestehen würde. Doch als ich vor einiger Zeit in meine alte Heimat zurückkehrte, musste ich feststellen, dass das nicht mehr so war. Immer mehr Leute bevorzugten „Nescafé“, das heißt, irgendeine Art von löslichem Kaffee, und wenn ich „türkischen Kaffee“ bestellte, wurde ich oft ungläubig oder sogar missbilligend angesehen.

aus: Harem – Die Welt hinter dem Schleier
© der dt. Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München 1989

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