Ausgabe 1 / 2009 Material von Berta Braune

Übersiedlung nach Bielefeld

Von Berta Braune


Sodann hatte ich mir schon früher vorgenommen, nicht zu lange in den verantwortlichen Ehrenämtern zu bleiben. Seit dem 62. Lebensjahr hat mich intensiver beschäftigt, jüngere Menschen in meine Aufgaben zu holen. In der gewohnten Teamarbeit lernte ich sie kennen. Ich stellte auch fest, dass meine Gesundheit das immerwährende Überspielen meiner Grenzen auf die Dauer nicht mitmachte. Jeder Arbeit tut ein Wechsel gut. Ich gewann daran selbst die Erkenntnis, dass man zwar ein unauswechselbarer Mensch ist, dass aber die Aufgaben, von anderen übernommen, andere wesentliche und auch neue Akzente gewinnen, als wenn ihnen bei zu langem Verweilen der Hauch „lähmender Gewöhnung“ anhaftet.

Die Pastorin fragte, als ich neu als Gemeindeglied auftauchte: „Was können Sie?“ Vielleicht wäre ich damals mit 64 Jahren noch „Bezirksfrau“ in der Gemeinde geworden, wenn ich meine noch vorhandenen Möglichkeiten hätte einsetzen wollen. Aber gerade das war nicht meine Absicht. So erwiderte ich: „Siebenunddreißig Jahre lang habe ich in der Berlin-Brandenburgischen Kirche ehrenamtlich leidenschaftlich gern mitgearbeitet. Jetzt möchte ich erst einmal Raum haben, für mich selbst und meine ganz persönlichen Interessen. Ich möchte nicht mehr mit dem Terminkalender leben müssen wie in den vergangenen Jahren. Ich möchte Zeit haben für die Familie, die Enkel und Menschen, die mich vielleicht brauchen.“

Gewiss war ich jederzeit bereit, mich bei Einzelaufgaben, die auf mich zukamen, einzusetzen. Das aktive Teilnehmen am Gemeindeleben bleibt mir selbstverständlich und ist mir ein Bedürfnis. Aus kritischen Gemeinden in Berlin kommend, brachte ich auch kritische Gedanken mit. … Andererseits wird mir der Satz aus dem Gebet der unbekannten Äbtissin immer wichtiger: „Bewahre mich vor der fatalen Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit und über jedes Thema mitreden zu wollen. Befreie mich von der Einbildung, ich müsse anderer Leute Angelegenheiten in Ordnung bringen.“


Berta Braune

aus:
Hoffnung gegen die Not. Mein Leben mit Paul Braune 1932-1954
© 1986 SCM R. Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

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