Alle Ausgaben / 2017 Artikel von Hreike Proske

Umspült

Leben am Wasser. Aus Wasser. Auf dem Wasser.

Von Hreike Proske

Wer kennt sie nicht – die Sehnsucht nach Sommer, Sonne, Meer! Auch und gerade jetzt, wenn die Tage kürzer und die dunklen Nächte länger werden. Sommer, Sonne, Meer – damit verbindet sich unweigerlich ein schönes Gefühl: entspannen, durchatmen, sich wohl fühlen, das Leben genießen.

Beim Blick aufs Wasser – und sei es nur in Gedanken – beginnen viele Menschen zu strahlen. Sie spüren ihre Sehnsucht nach Ruhe, nach dem gleichmäßigen Geplätscher der Wellen ohne störende Lärmkulisse. Sich im Rhythmus der Wellen selbst in ein inneres Gleichgewicht schaukeln, die Seele baumeln lassen. Über das Wasser bis zum Horizont schauen, dahin, wo wir manchmal selbst gerne weilen würden, wo liebe Freunde gerade sind, wo all das herkommt, was unser Leben angenehm macht. Das Rauschen des Wassers, das Brausen der Wellen als beruhigendes, angenehmes Geräusch wahrnehmen.

Wasser ist Leben

Aber woher kommt eigentlich unsere Sehnsucht nach Wasser? Wieso haben wir ein „gutes Gefühl“, wenn wir an Wasser denken? Wir alle haben unsere ersten Erfahrungen mit Wasser als Embryo im Bauch unserer Mutter gemacht. Da waren wir sicher, haben uns wohlgefühlt. Angenehme unterbewusste Erinnerung schwingt bei uns mit, wenn wir Wasser sehen, Wasser spüren. Und das ist in allen Kulturen gleich.

Ohne Wasser kein Leben. Nicht ohne Grund spielt bei der Erforschung anderer Planeten der Zugang zu Trinkwasser die entscheidende Rolle. Gefunden wurde bislang nur Dampf und Eis, also nichts direkt „Trinkbares“. Kein anderer Stoff auf unserer Erde ist so vielseitig verwendbar wie Wasser. Weil die Menschheit für das Wasser eine besonders große Verantwortung trägt, haben die Vereinten Nationen das Jahr 2003 zum Jahr des Wassers erklärt. Seitdem ist das Bewusstsein für den Wert des Wassers gewachsen. Auch wenn bei uns Wasser etwas Selbstverständliches ist, wissen wir doch inzwischen, dass dies nicht überall auf der Erde der Fall ist. Spätestens bei Wassermangel oder bei Überschwemmungen sind wir – anders als in unseren Wasserträumen – mit der ganzen Realität des Wassers konfrontiert.

Vor allem aber gilt: Wasser ist Leben. Menschen und Tiere würden ohne Wasser verdursten. Pflanzen wachsen nicht ohne Regen. Dennoch gehen wir allzu häufig unachtsam und verschwenderisch mit dem kostbaren Nass um. Wir lassen sogar zu, dass Wasser zum teuren Konsumgut und sauberes Wasser für Millionen Menschen unerreichbare Ware wird.

Überlegen wir einmal, wann und wie viel Wasser wir regelmäßig in unserem Alltag benötigen …

Murmelgruppen:
Wofür benutzen wir Wasser?
Wie viel Wasser schätzen wir, dass wir pro Person pro Tag benötigen?
Nachts haben wir eine Flasche Wasser am Bett stehen. Unser Tag beginnt mit Wasser: zum Waschen oder Duschen, zum Tee- und Kaffeekochen. Weiter geht's mit Wasser zum Putzen, Wasser für die Toilettenspülung, Wasser zum Händewaschen. Wir füllen Wasser ab in Gläser, Wasserkocher, Kochtöpfe, Gießkannen. Wir haben Schwimmbäder, kleine Pools für Kinder in den Gärten, gefrorenes Wasser in erfrischenden Getränken. 121 Liter Wasser verbrauchen wir in Deutschland pro Tag und Person. Viel höher ist jedoch der indirekte Wasserverbrauch – Wasser, das zum Beispiel in Lebensmitteln oder Kleidung steckt.1

Bibel und Koran

In anderen Regionen unserer Erde – auch da, wo die Bibel und der Koran entstanden sind – sind die Menschen sich der Bedeutung des Wassers sehr bewusst. In trockenen Wüstenregionen gerät jedes Wachstum schnell an Grenzen, wenn nicht ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Nicht umsonst wird Allah oft mit dem grenzenlosen Ozean verglichen, der Menschen, Pflanzen und allen Lebewesen sein Wasser schenkt.

Einer der schönsten Bibelverse beim Propheten Jesaja lautet: „Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.“ (Jes 58,11) Dabei geht es nicht um eine Gartenbaumaßnahme. Wenn in der Bibel von Wasser und von einer Quelle die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass Gott Kraft schenken will, die für alles ausreicht, was wir zu bewältigen haben.

Im Koran wird das Paradies als prachtvoller Garten beschrieben, durch den kühles und reines Wasser fließt. Es gehört zur Überzeugung vieler Musliminnen und Muslime, dass Gläubigen ausreichend Wasser zur Verfügung steht, während Ungläubigen Wasser entzogen wird und ihre Gärten vertrocknen werden. Auch heute noch gelten wunderbar angelegte Gärten mit viel üppigem Grün in arabischen Ländern als Zeichen des Reichtums und des Segens.

Vor jedem der fünf Gebete, die muslimische Gläubige pro Tag zu verrichten haben, werden Gesicht, Hände, Arme und Füße nach festen Ritualen gewaschen. Dies dient nicht nur der Reinigung im sichtbaren Sinn, sondern auch der Reinigung der Gedanken als Konzentration auf das Gespräch im nachfolgenden Gebet mit Gott. Und im Christentum haben wir eine grundlegende Reinigung, die allerdings mit und bei der Taufe nur noch symbolisch vollzogen und öffentlich dargestellt wird.

Auch im jüdischen Glauben gibt es unterschiedliche Reinigungs-Vorschriften. Das Erste Testament spricht bereits vom lebendigen Wasser. Gleich zu Beginn der heiligen Schriften schuf Gott Wasser und Festland und trennte beides, gab also jedem Teil die eigene Bedeutung und den eigenen Sinn. Das Wort „Wasser“ kommt von der ersten bis zur letzten Seite in der Bibel sehr häufig vor.

Im Plenum sammeln und auf einem Flipchart oder großen Papierbögen (sortiert nach Altem und Neuem Testament) festhalten:
Welche Geschichten aus der Bibel fallen uns ein, in denen Wasser eine Rolle spielt?
Welche Verse kennen wir und können sie zitieren?
Wir sehnen uns nach Wasser in seiner ganzen Schönheit, weil wir es uns leisten können. Wir haben all das Wasser, das wir zum Leben benötigen. Darum haben wir Zeit, uns Erholung am Wasser zu wünschen. Das ist nicht überall so.

Menschen, die am Flussdelta in Bangladesch wohnen, leiden unter den alljährlichen Überschwemmungen; das Wasser nimmt ihnen regelmäßig ihre Existenzgrundlage. Menschen in Venedig fürchten den Untergang ihrer Stadt, damit ihrer Heimat, ihres Lebensmittelpunktes und ihrer Zukunft – ebenso wie die Menschen in in Tuvalu, einem Inselstaat im Pazifischen Ozean. Solange Wasser das Element ist, um das sich Menschen für ihre Existenz sorgen oder das sie fürchten müssen, bleibt für das Träumen über Wasser als etwas Schönem und Beruhigendem kein Raum.

Austausch: Wo verbinde ich Wasser mit Entspannung? Wo erfahre ich die bedrohliche Kraft des Wassers?
Mit dem Wasser, am Wasser, im Wasser, auf dem Wasser fühlen wir uns wohl. Aber wir nutzen das Wasser in den Meeren auch als Grundlage einer Welt umspannenden Logistik, Basis unseres Handels und Lebensstils.

Arbeiten auf hoher See

Die Menschen, die uns mit ihren Schiffen auf den „Autobahnen der Ozeane“ unsere täglichen Waren transportieren haben wir in unserem Alltag in der ­Regel nicht im Blick: die Seeleute aus allen Ländern der Erde, von denen über 90 Prozent unseres Welthandels abhängt. Für sie ist Globalität normaler Alltag. Sie erleben unterschiedliche Länder und Kontinente als „Eine Welt“, mal in schwüler Hitze, mal in klirrender Kälte. Sie sind in der ganzen Welt zu Hause, woher immer sie kommen. In ­jedem Hafen sprechen die Menschen eine andere Sprache, kommunizieren aber mit den Seeleuten auf Englisch.

In fast jedem Hafen müssten Seeleute mit einer anderen Währung bezahlen – wenn sie denn die Chance hätten, von Bord zu kommen. Das ist aber nur selten der Fall. Die Liegezeiten der großen Containerschiffe sind inzwischen so kurz, dass es sich selten lohnt, an Land zu gehen, zumal Häfen häufig weit draußen vor den Toren einer Stadt liegen und – anders als Flughäfen – nicht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sind. Genau wie Flughäfen sind Häfen aber Hochsicherheitsbereiche, die zu verlassen und wieder in sie hineinzukommen, einiges an Aufwand und Zeit kostet. Da ist und bleibt das Schiff, also der eigene Arbeitsplatz, die Heimat während der gesamten vertraglich geregelten Arbeitszeit – meist sieben bis zwölf Monate lang.

Austausch – evtl. in Kleingruppen:
Überlegen wir einmal, was wir für einen Tag am Wasser einpacken. Woher kommen all diese Dinge?
Sonnenhut – made in Thailand.
Sonnencreme – made in England.
Badeanzug – made in Bangladesch. Badelatschen – made in China.
Sisaltasche – fabriziert im Fair Trade Brasilien …

All diese Dinge haben bereits weite Reisen hinter sich, manchmal mehr als einmal rund um den Globus. Die Rohstoffe werden in einem Land gewonnen, geerntet, abgetragen. Dann werden sie in den nächsten Hafen transportiert und, meist in Containern, an Bord riesiger Schiffe gebracht. Von dort geht es in ein anderes Land, in dem Verwertung und Produktion besonders billig sind. Oft werden die hier hergestellten Waren zum Verpacken wiederum verschifft, dann noch einmal auf ein Schiff geladen, um schließlich in Europa oder Nordamerika anzukommen und in unserem Supermarkt-Regal oder unserer Online-Lieferstätte zu landen.

Wer war dafür zuständig? Welche Menschen haben sich darum gekümmert? Unter welchen Bedingungen? Mit Seefahrt haben wir alle zu tun, ob wir an der Küste leben oder nicht. Ob wir am Wasser Urlaub machen oder nicht.

Beten wir abschließend Psalm 23 in einer maritimen Fassung:
Kopiervorlage für Abonnent_innen unter www.ahzw-online.de / Service / Material zum Herunterladen

Der HERR ist mein Lotse.
Ich werde nicht stranden.
Er leitet mich auf dunklen Wassern
und führt mich auf der Fahrt meines Lebens.
Er gibt mir neue Kraft und hält mich auf rechtem Kurs
um seines Namens willen.
Und geht es durch Unwetter und hohe See, fürchte ich mich nicht,
denn du bist bei mir,
deine Liebe und Treue sind mir Schutz.

Du bereitest mir einen Hafen am Ende der Zeit.
Du beschwichtigst die Wellen und lässt mich sicher segeln.
Die Lichter deiner Güte und Freundlichkeit werden mich begleiten auf der Reise des Lebens
und ich werde Ruhe finden
in deinem Hafen immerdar.

Amen.

Heike Proske, 55 Jahre, ist Pfarrerin und seit 2009 Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission e.V. (DSM). Die DSM unterhält im Ausland über 17 Seemannsstationen, die eine „Heimat in der Fremde“ für Seeleute bieten. In Deutschland sind 16 Stationen mit eigenständigen Inlandsvereinen unter dem Dach der DSM organisiert. Die DSM ist Mitglied beim Evangelischen Werk für Diakonie
und Entwicklung und finanziert sich weitgehend durch Spenden. – mehr zur Arbeit der DSM unter www.seemannsmission.org

Anmerkung
1) mehr dazu unter http://www.umweltbundesamt.de/themen/verstecktes-wasser

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