Die Hoffnung vieler Menschen in den Kirchen ist: Die neuen Medien bieten vielfältige neue Möglichkeiten, das Evangelium per Mausklick „an die Menschen“ zu bringen. Das mag einerseits stimmen – andererseits stimmt aber auch: Ganz so einfach funktioniert es nicht. Das biblische „Gleichnis vom Sämann“ kann auch in diesem Zusammenhang sehr nachdenklich machen.
Lied
Auf und macht die Herzen weit (EG 454)
Psalm 119
Wohl denen, die ohne Tadel leben,
die im Gesetz des Herrn wandeln!
Wohl denen, die sich an seine Mahnungen halten,
die ihn von ganzem Herzen suchen,
die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.
Wenn ich schaue allein auf deine Gebote,
so werde ich nicht zuschanden.
Ich danke dir mit aufrichtigem Herzen,
dass du mich lehrst die Ordnungen deiner Gerechtigkeit.
Deine Gebote will ich halten; verlass mich nimmermehr!
Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.
Zeige mir, Herr, den Weg deiner Gebote,
dass ich sie bewahre bis ans Ende.
Meine Seele verlangt nach deinem Heil; ich hoffe auf dein Wort.
Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort und sagen:
Wann tröstest du mich?
Wenn dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre,
so wäre ich vergangen in meinem Elend.
Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
Erhalte mich durch dein Wort,
dass ich lebe, und lass mich nicht zuschanden werden in meiner Hoffnung.
Stärke mich, dass ich gerettet werde,
so will ich stets Freude haben an deinen Geboten.
Auf der berühmten Frankfurter Einkaufsmeile Zeil steht ein Prediger, der immerzu mit feuriger Stimme predigt, die Bibel in der Hand hoch erhoben. Er und andere erinnern an Johannes den Täufer in der Wüste, der laut „Tut Buße!“ schrie. Aber die Tausenden, die jeden Tag die Zeil durchstreifen, beachten ihn nicht; einige lachen, manche verspotten ihn sogar.
Der Prediger in der Menschenmenge ist der Ansicht, dass das Evangelium verkündet und verbreitet werden muss. Ganz egal, ob Menschen es annehmen oder nicht. Die Hauptsache ist, dass es ausgesprochen wird. Diese Methode erinnert an Jesu Gleichnis im achten Kapitel des Lukasevangeliums. In Vers 5 heißt es: „Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.“ Und in Vers 12 erklärt Jesus: „Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihren Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.“ Das Evangelium, das auf den Straßen verkündet wird, ist vergeblich und kann sogar zum Gespött für andere werden.
Eine Pfarrerin, die in einer indonesischen Dorfgemeinde unter der muslimischen Mehrheit tätig war, erzählt: „Zur Weihnachtsfeier wurden die Nachbarinnen und Nachbarn eingeladen, und die Älteren unter ihnen sangen etliche Weihnachtslieder mit uns. Ich fragte sie, woher sie die Lieder kannten. Sie antworteten, dass sie früher Christinnen und Christen waren. Aber als die westlichen Missionare in ihre Länder zurückkehrten, konvertierten sie zu ihrer jetzigen Religion. Was in ihrem Gedächtnis erhalten blieb, waren die Weihnachtslieder. Den Inhalt der Bibel kannten sie nicht – sie konnten damals noch nicht lesen.“
Warum konnten Menschen, die einmal Christinnen und Christen waren, ihren Glauben so einfach verlassen? Weil dieser Glaube nicht verwurzelt war. Sie wurden getauft – und fertig. Sie konnten den christlichen Glauben nicht verstehen, und der Sämann verschwand. „Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.“ Wie ist der Samen, der auf den trockenen Fels fällt? Jesus erklärt dies in Vers 13: „Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.“
In den so genannten Entwicklungsländern gibt es viele Menschen, die hart arbeiten, nur um für den Tag genug essen zu können. Morgen ist eine andere Sache. In Ländern, wo das durchschnittliche Einkommen der Bevölkerung hoch ist, die Krankenversicherung und die Rente garantiert sind, sprechen Menschen von Zukunftsängsten. Sie sorgen sich um eine labile Wirtschaft, um Sicherheit. Sie fürchten die „Flüchtlingswelle“ und Menschen, die einwandern wollen, und vor allem fürchten sie Terrorbedrohung im Namen der Religion. Aus der Angst entspringt der Hass gegenüber anderen Religionen und Ausländerinnen und Ausländern, der weiter wächst. Die Pegida-Bewegung ist ein Beispiel dafür.
Jesus beschreibt die Menschen, die sich zu sehr um die Zukunft sorgen, in Vers 7: „Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.“ Jesus erläutert weiter in Vers 14: „Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht.“
Immer noch werden Ärztinnen und Ärzte und medizinische Hilfskräfte aus Deutschland nach Afrika, Asien und Südamerika gesandt. Sie leben mit der örtlichen Bevölkerung in einer heruntergekommenen Umgebung. Sie eröffnen Kliniken mit bescheidenen Hilfsmitteln. Und sie dienen vielen Menschen mit den verschiedensten Krankheiten; sie bekämpfen Bedrohungen durch Blindheit, durch das Ebola-Virus oder HIV. Sie kämpfen mit den beschränkten Hilfsmitteln und Medikamenten und wissen, dass dabei auch ihr eigenes Leben in Gefahr geraten könnte, weil das Virus sie auch befallen könnte. Die meisten Patientinnen und Patienten sind nicht in der Lage zu bezahlen, und sie alle gehören unterschiedlichen Religionen an. Aber mit viel Mühe und Zuneigung können viele Patienten geheilt werden.
Dieses medizinische Personal predigt nicht von Jesus, dem Erlöser. Aber sie tun die Taten, die Jesus getan hat. Jesus hat Kranke geheilt, und das haben auch sie getan. Jesus hat den Armen Hoffnung gegeben, und auch das haben sie getan. Viele Missionarinnen und Missionare sind auch inmitten von Bürger- und Religionskriegen tätig. Sie bemühen sich um Frieden, so wie Jesus es getan hat. Sie versuchen weniger, andere zu christianisieren. Diese Menschen dienen nur mit Demut, mit Zuneigung gegenüber allen Menschen, ohne die „Rasse“ und Religion der anderen anzusehen. Von ihnen spricht Jesus in Vers 8: „Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Das Gleichnis des guten Landes wird in Vers 15 aufgeklärt: „Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.“
Jesus zufolge ist das Evangelium etwas, das nicht „ausgestreut“, sondern eingepflanzt wird. Es ist wie ein Samen. Und ein Samen braucht gutes Land. Und gutes Land muss gut bebaut werden, benötigt harte Arbeit, benötigt Zeit, Geduld und Aufopferung. So, wie die Worte Jesu in Johannes 12, 24 lauten: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Die „Mission“ ist es, die gute Nachricht in dieser Welt einzupflanzen. Das ist eine Arbeit, die im Stillen geschieht und nicht in großen Kampagnen. Wenn der eingepflanzte Samen eines Tages wächst und viele Früchte trägt, die für viele Menschen Nahrung werden, dann wissen viele gar nicht, wer diese Samen eingepflanzt hat. – Das ist die Herausforderung der Kirchen dieser Zeit: ein Samen zu sein, der in einem weiten Feld eingepflanzt wird, welches diese Welt ist, die von vielen verschiedenen Kulturen und Religionen bewohnt wird. In dieser Welt, heimgesucht vom Krieg, von der nuklearen Bedrohung, Armut, Krankheit und der Zerstörung der Natur. Die Kirche pflanzt einen kleinen Samen ein. Und dieser Samen erstirbt, und schließlich wird er viel Frucht für die Menschheit tragen. Das ist eine Arbeit, die wahrlich die eines Dieners, einer Dienerin ist und sehr viel Zeit und Kraft braucht. Eines Menschen wie Jesus, der getötet wird, den Gott aber am dritten Tag von den Toten wieder aufweckt. Um Leben zu schenken allen Menschen, allen Völkern und der Natur dieser Erde. Amen.
Lied
Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Gebet
Hier sind wir, Gott,
vor dir versammelt, so wie wir sind.
Die Woche neigt sich dem Ende zu.
Dir, Gott,
überlassen wir, was gewesen ist.
Segne es.
In deine Hände legen wir unsere Freude und unseren Kummer.
Stille
In deine Hände legen wir unsere Erfolge und unsere Niederlagen.
Stille
In deine Hände legen wir unser Liebe und unser Glück und unseren Schmerz und unsere Sehnsucht.
Stille
In deine Hände legen wir Unordnung und Streit, Versagen und Not. Verwandle es durch deine Güte.
Vor dir, Gott,
denken wir an die Menschen, denen wir begegnet sind.
Nimm sie in deinen Schutz.
Dir ans Herz legen wir unsere Freunde und unsere Feinde.
Stille
Wir danken dir, Gott,
für die vergangene Woche.
Dir vertrauen wir uns an.
Lied
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht (Kanon, EG 572)
Segen
„Jesus sagt: Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ (Joh. 14, 27)
Junita Lasut, geb. 1963 in Gorontalo (Indonesien), hat Theologie an der Christlichen Theologischen Fakultät Tomohon Nord Sulawesi Indonesien studiert. Nach ihrer Ordination arbeitete sie zunächst als Gemeindepfarrerin, dann als Referentin im Schulungszentrum der Protestantischen Donggala Kirche in Mittel Sulawesi; seit dieser Zeit ist sie immer wieder auch im interreligiösen Dialog aktiv. Nach Fortbildungen für Training of Trainers und Gender wurde sie Ökumenische Mitarbeiterin im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung in der Württembergischen Landeskirche. Heute ist sie Pfarrerin der Evangelischen Indonesischen Kristusgemeinde Rhein Main (EKHN) – siehe
www.jki-rhein-main.de. Junita Lasut ist verheiratet und Mutter von zwei (fast) erwachsenen Kindern.
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