Ausgabe 1 / 2012 Andacht von Sophie Anca

Und ihr habt mich aufgenommen

Andacht zur Suche nach Heimat

Von Sophie Anca


In einem Stuhlkreis ist eine schöne Mitte gestaltet. Eine große Kerze brennt,
etwas entfernt davon liegen rote und grüne Karten und Stifte bereit.

Votum
Wir feiern unsere Andacht im Namen Gottes,
der Liebe, die uns trägt,
im Namen Jesu Christi,
der Hoffnung, die uns befreit,
im Namen des Heiligen Geistes, der Kraft, die uns verbindet.

Lied
Bei Gott bin ich geborgen (Taizé) oder: Komm in unsre stolze Welt (EG 428)

Psalm 84,2-13
in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache im Wechsel beten

Kopien für alle / für AbonnentInnen unter www.ahzw-online.de / Service zum Her-unterladen vorbereitet

Wie liebenswert sind deine Wohnungen,
Adonaj, du herrschst über die Gewalten.

Immer schon hat meine Kehle sich gesehnt,
ja verzehrt nach den Höfen Adonajs.
Mein Herz und mein Körper schreien
voll Sehnsucht der lebendigen Gottheit entgegen.

Auch der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest, in das sie ihre Jungen legt, bei deinen Altären.
Adonaj, du herrschst über die Gewalten, meine Gottheit, königlich.

Wohl denen, die in deinem Haus leben. Immerzu loben sie dich.

Wohl denen, deren Stärke in dir gründet,
die in ihren Herzen barfuß zu dir unterwegs sind.

Durchqueren sie das Tal der Dürre, verwandeln sie es in ein Quellental.
Ja, mit Segenskräften bedeckt es der Frühregen.
Sie gehen von Kraft zu Kraft, schauen den Gott der Götter in Zion.

Adonaj, Gott, du herrschst über die Gewalten,
höre mein Gebet, lausche, Gott Jakobs.

Du unser Schild, sieh her, Gott,
blicke auf das Antlitz deines Gesalbten.

Ja, lieber einen Tag in deinen Höfen als tausend Tage sonst wo zu sein.
Lieber stehe ich an der Schwelle zum Haus meiner Gottheit,
als in den Zelten der Ungerechtigkeit zu lagern.

Ja, Sonne und Schild ist Adonaj, Gott.
Adonaj gibt Anmut und Würde,
verweigert nicht denen das Gute, die in Aufrichtigkeit leben.

Adonaj, du herrschst über die Gewalten.
Wohl den Menschen, die auf dich vertrauen.

Heimat …
Heimat! Ein Wort, bei dem unendlich viel mitschwingt. Lassen Sie uns zunächst diesem Begriff nachspüren. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie „Heimat“ hören? Was verbinden Sie mit diesem Wort?

Ihre Gedanken und Assoziationen können Sie auf die kleinen roten Karten schreiben und in die Mitte legen.

Während dieser Phase läuft leise eine besinnliche Musik im Hintergrund. Wenn alle ihre Karten in die Mitte gelegt haben, können die Begriffe kurz vorgestellt werden.

Aufbrechen und ankommen
Heimat, damit verbinden viele Menschen zunächst einen Ort. Einen Ort, der meistens in der Vergangenheit, in der Kindheit angesiedelt ist und der häufig mit einem Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit verknüpft wird. Für Menschen, die oft umgezogen oder aufgebrochen sind, kann es schwierig sein, einen eindeutigen Ort zu benennen, den sie mit dem Begriff Heimat verbinden.

In den biblischen Texten wird das Verständnis von Heimat als einem festen Ort erweitert. Es ist ein besonderes Verständnis von Heimat, das hier durchscheint. Im Vertrauen auf Gott und sein Reich brechen Menschen immer wieder auf und suchen eine neue Heimat, die hier auf Erden ihren Anfang nimmt und deren Vollendung noch aussteht.

Gott selbst ist es, der die Menschen zum Aufbruch ruft, der ihnen eine neue Zukunft verheißt. „Geh los! Weg aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft, aus deinem Elternhaus in das Land, das ich dich sehen lasse“, heißt es im 1. Buch Mose 12,1. Daraufhin geben Abraham und Sarah ihre sichere vertraute Umgebung auf und ziehen in die Fremde. Aufbrechen und in die Fremde ziehen – das tun auch Mose, der das Volk aus Ägypten führt, und Ruth, die aus Treue mit ihrer Schwiegermutter in ein fremdes Land geht. Lang ist die Reihe der Menschen, die in der Bibel als nach einer neuen Heimat Suchende festgehalten sind. Den meisten unter ihnen ist etwas gemeinsam: die Gegenwart des hinausführenden Gottes.(1) „Ich selbst will mit dir nach Ägypten hinuntergehen und ich selbst will dich gewiss wieder heraufbringen“, heißt es im 1. Buch Mose 46,4. All diesen Menschen gibt die Gegenwart und die Verheißung Gottes Kraft für ihren Aufbruch und Grund für ihre Hoffnung. Diese Menschen suchen und erfahren Heimat bereits auf ihrem Weg – bei Gott.

Auch Jesus wird als ein Wandernder, als ein Umherziehender geschildert – und mit ihm all die Männer und Frauen, die ihm nachfolgen. Immer wieder ist in den Evangelien davon zu hören, wie er aufbricht, fortgeht und sich auf den Weg macht. Und so warnt Jesus die Menschen, die mit ihm ziehen: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel der Lüfte haben Nester. Der Mensch hat keinen Platz, wo er seinen Kopf hinlegen kann.“ (Mt 8,20) Durch die Lande ziehend ist er darauf angewiesen, dass andere Menschen ihn aufnehmen, ihn willkommen heißen. Und so weiß er, wovon er spricht, wenn er in seiner berühmten Endzeitrede (ab Mt 24,4) seinen Jüngerinnen und Jüngern deutlich macht, wie entscheidend das menschliche Miteinander ist: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen“ ist einer der Sätze dieser Unterweisung, die in die Aussage mündet: „Wahrhaftig, ich sage euch, alles, was ihr für eines dieser meiner geringsten Geschwister getan habt, habt ihr für mich getan.“ (Mt 25,40). Gott begegnet mir im anderen, im Fremden, den ich willkommen heiße. Es ist ein besonderes Verständnis von Heimat, das hier durchscheint. Heimat zu finden heißt in diesem Sinne: sich aufgenommen zu fühlen, willkommen zu sein – bei Gott und bei den Menschen. „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Eph 2,19).

Heimat bei Gott …
Was kann es für uns persönlich heißen, Heimat bei Gott zu suchen, zu finden? Haben Sie so eine Erfahrung schon einmal gemacht? Welche Hoffnung verbinden Menschen, verbinden Sie damit? Ihre Gedanken können Sie auf den grünen Karten sammeln und in die Mitte legen.

Wieder läuft im Hintergrund Musik – am Ende können die Gedanken vorgestellt werden. Wenn noch genügend Zeit ist, kann sich noch ein Gespräch anschließen, in dem Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu den Ergebnissen der ersten Runde – den roten Karten – benannt werden.

Gebet
Gott,
wir sehnen uns nach Heimat bei dir,
heute und alle Zeit.
Wir bitten dich:
Hilf uns aufzubrechen und deinem Wort zu folgen.
Schenk uns die Kraft,
Fremde in unserer Mitte aufzunehmen
und sie willkommen zu heißen.
Wir bitten dich,
lass dein Reich anbrechen unter uns,
lass unser ganzes Leben in deinen Händen aufgehoben sein.
Amen.

Vater Unser

Lied
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
oder: Meine engen Grenzen (EG 600)

Segen
Gott segne und behüte euch.
Gott mache Euch Mut für die Aufbrüche eures Lebens
und begleite euch auf euren Wegen.
Gott schenke euch Heimat in seinem Reich. Amen.

Sophie Anca, 38 Jahre, hat als Referentin der EFiD 2010/2011 das Projekt „Heimat Europa“ geleitet. Sie ist jetzt Pfarrerin in Lehrte.

Anmerkungen:
1
Vgl. Rüdiger Sachau, Heimat als Utopie, epd Dokumentation Nr. 33, Frankfurt 2010, S. 47

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