Alle Ausgaben / 2009 Andacht von Simone Kluge

…und in diesen Garten trat er ein

Andacht zum Garten Gethsemane

Von Simone Kluge


Vorbereitung
  für die Gestaltung der Mitte: Tuch, Gartenblüten, Kerze, Bibel
–  Material: Zymbeln, Gong oder ähnliches, Musik, z.B. Forest Piano

Klangschale / dreifacher Glockenton

In der Mitte / am Abend des Tages wollen wir uns einen Moment der
Stille nehmen. Wir treten einen Schritt zurück und nehmen uns Zeit zur Andacht und zum Gebet.

Anzünden einer Kerze

Lied: Sende dein Licht und deine Wahrheit, EG 172
oder: Herr, wohin, wohin sollen wir gehen (Taizé)


Stellen Sie sich vor, Sie haben eine sehr schwere Aufgabe vor sich. Einen Gang, bei dem Ihnen das Herz schwer wird. Sie wissen nicht so recht, ob Ihre Kraft dazu ausreicht. Wohin gehen Sie in so einer schweren Stunde? Gehen Sie zu einer Freundin? Wenden Sie sich an eine nahe Angehörige, an den Pastor, die Pastorin? Versuchen Sie sich durch Arbeit abzulenken? Tun Sie sich etwas Gutes und gehen in die Sauna, zur Massage? Oder ziehen Sie sich in die Stille zurück, suchen sich einen Ort der Ruhe und Geborgenheit?

Moment der Stille

Aufschlagen der Bibel, Ablegen der Bibel in der Mitte
Lied: Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht

In der Bibel hören wir davon, dass Jesus Christus sich in der Nacht, bevor er verraten wurde, in den Garten Gethsemane zurückzog und betete.(1) Warum an diesen Ort? Warum nicht in den Tempel oder in das Haus eines seiner Glaubensgeschwister?

Um diese Frage zu beantworten, hilft es, sich die Situation von damals vor Augen zu führen: Jesus war mit seinen Jüngerinnen und Jüngern in Jerusalem – und mit ihnen viele andere Pilger, die das jüdische Passahfest in Jerusalem begehen wollten. Es heißt, dass sie, Jesus und seine Jünger, nach dem Lobgesang „hinaus gingen an den Ölberg“. (Mt 26,30; Mk 14,26) Suchten sie einen Ort der Ruhe, abseits der feiernden Menge? Und was bedeutet dieses „Hinausgehen“? Der Ölberg lag damals außerhalb der Stadt, östlich gegenüber der Stadt, von ihr getrennt durch das Kidrontal. Die Anhöhe steigt sanft an. Wenn man sich während des Aufsteigens umdreht, blickt man direkt hinunter zur Altstadt. Nach der Überlieferung des Evangelisten Lukas „begab Jesus sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg“(Lk 22,39). Das heißt, er ist häufiger hierher gegangen. Warum? Was könnte der Grund dafür gewesen sein?
Die Hänge des Ölberges sind mit knorrigen Olivenbäumen(2) bewachsen. Besonders alte Exemplare findet man im Garten Gethsemane, dem Ort, an dem Jesus die Jüngerinnen und Jünger zum Bleiben aufgefordert hat. Die Formulierung im Johannesevangelium lässt vermuten, dass es ein abgegrenzter Bereich war, „und in diesen trat er mit seinen Jüngern ein“. (Jh 18,1)

Jesus tritt in den Garten Gethsemane ein. Ich möchte Sie einladen, sich einen Moment Zeit zu nehmen, sich bequem hinzusetzten um das Bild eines Gartens vor Ihren Augen entstehen zu lassen.
Es kann ein Olivenhain sein, so wie der Garten Gethsemane, muss es aber nicht.


Fantasiereise (mit Ruhe vortragen):

– Setzen Sie sich so bequem wie möglich hin, die Beine parallel, die Hände können Sie locker im Schoß ablegen. Wer mag, schließt die Augen.
–  Und nun lade ich Sie ein, in Ihren Garten einzutreten: Was erwartet Sie dort? Wie fühlt sich dieses „Eintreten“ an? Was nehmen Sie wahr? Was sehen, spüren, riechen Sie? Wie ist die Luft? Wie fühlt sich der Boden unter Ihren Füßen an? (Pause)
– Nachdem Sie bewusst wahrgenommen haben, wie sich die Garten-Atmosphäre anfühlt, lade ich Sie ein, weiter in sich hineinzuspüren: Wie fühle ich mich an diesem Ort? Wo zieht es mich hin?
– Folgen Sie Ihrem Impuls und begeben Sie sich in Gedanken an den Ort, zu dem es Sie besonders hinzieht. Wie ist dieser Ort? Nehmen Sie ihn möglichst genau wahr, mit allen Ihren Sinnen. (Pause)
– Nachdem Sie diesen Ort intensiv wahrgenommen haben, kehren Sie nun in diesen Raum zurück. Öffnen Sie langsam wieder Ihre Augen, strecken und recken Sie sich ein bisschen.


Austausch:

Kommen Sie nun mit Ihrer Nachbarin ins Gespräch und tauschen Sie sich über Ihre Erlebnisse aus.


Beenden des Austausches mit einem Klangsignal

Mit dem Eintritt in einen Garten verbinden wir zumeist etwas Angenehmes. Für viele Menschen ist der Garten ein Ort des Rückzugs, der Erholung, ein Ort, an dem sie zu neuen Kräften kommen können. Was macht den Garten zu einer Kraftquelle für Körper, Geist und Seele? Ist es die Abgeschirmtheit nach außen? Ist es die gute Luft, die uns tief ein- und ausatmen lässt? Ist es die Schönheit der Natur, ihre verborgene Kraft und Stärke? Sind es die Geräusche und Gerüche von Pflanzen und Tieren? Deren schweigende Gegenwart?

Scheinbar verbinden wir mit „Garten“ einen Ort, an dem wir in Einklang mit uns selbst und der Natur kommen können. Liegt es daran, dass wir hier erfahren und sehen, wie Gott die Welt gemeint hat, wie er die Welt erschuf? Zu Anbeginn aller Zeiten legte Gott einen Garten in Eden an und setzte das gerade geformte Menschenwesen hinein. Er ließ Bäume sprießen, reizvoll zum Ansehen und gut zum Essen (1.Mose 2,8ff).3

Wir wissen nicht, wie Jesus damals empfunden hat. Wir erfahren, dass Gethsemane der Ort ist, an dem Jesus seine getreuesten Jünger bittet: „Meine Seele ist zu Tode betrübt, bleibet hier und wachet mit mir.“ (Mt 26,38; Mk 14,34) Der Ort, an dem die Jüngerinnen und Jünger sich vom Schlaf überwältigen lassen.4 Es ist der Ort, an dem Jesus niederfällt und betet: „Mein Vater, ist es dir möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“(Mt 26,39) Es ist der Ort, an dem seine tiefe Angst und seine inneren Kämpfe deutlich werden.

Ich weiß nicht, an welchen Orten Sie das tun würden: Ihre tiefsten Ängste, Ihre größte Verzweiflung zeigen und sich auf den Boden werfen und beten. Für mich müsste dies ein Ort sein, an dem ich mich in besonderer Weise aufgehoben fühle. Ein Ort, an dem ich alle Masken ablegen und mich fallen lassen kann. Ein Ort, an dem ich mich Gott besonders nah fühle.

Und in der Tat scheint Jesus an diesem Ort Kraft zu schöpfen. Am Ende dieser durchbeteten Nacht fordert er seine Jünger und Jüngerinnen auf: „Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.“(Mt 16,46)

Hier spricht einer mit Entschlossenheit. Einer, der sich den Dingen stellen will. Alle Verzagtheit scheint von ihm gewichen. Wir wissen nicht genau, was ihm die Kraft dazu gegeben hat. War es das intensive Gebet, die Schonungslosigkeit, mit der er sein Schicksal in die Hände des Vaters gab? Oder war es ein Engel, der ihm nach dem Lukas-Evangelium vom Himmel erschien und ihn stärkte? (Lk 22,43) Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Es war dieser besondere Ort – der Garten Gethsemane.


leise Musik

Gebet:

Gott,
wie wertvoll sind solche Orte!
Orte, an denen wir Kraft schöpfen können,
Orte, an denen wir uns sicher und geborgen fühlen.

Wir danken dir, Gott, dafür,
dass wir in unserem Leben erfahren
dürfen,
hier ist ein Ort, hier ist ein Mensch,
hier können wir uns niederlassen,
hier können wir uns fallen lassen
in Deine Hände.

Wir danken dir
für die heilsame Kraft der Natur,
für die Erde, die uns trägt,
für die Luft, die uns umgibt und neue
Lebensenergie tanken lässt.
Aus deiner Schöpfung schöpfen wir,
in deiner Sonne blühen wir,
in deinem Boden wurzeln wir.
Sei bei allen Menschen,
die eine schwere Aufgabe vor sich
haben,
die verzagt sind,
und schenke ihnen neue Kraft.


Vater unser

Lied: Meine Hoffnung (Taizé)


Segen:
Stelle dich mit beiden Beinen auf die Erde und finde deinen Halt.
Richte dich aus nach oben und
entdecke die Weite über dir.
Spüre dich selbst, deine Mitte, ausgestreckt zwischen Himmel und Erde,
gehalten und getragen
von Gottes Segen.

Gott, Kraft aus den Tiefen,
durchströme dich.
Gott, Kraft aus den Höhen,
bewege dich.
Gott Kraft aus der Mitte,
halte dich.
Gott segne dir diesen Tag/Abend.
Amen


Klangschale / dreifacher Glockenton
Kerzenlicht löschen, die Bibel schließen.


Simone Kluge, Jg. 1972, ist Gymnasiallehrerin für Ev. Religion, Deutsch und Darstellendes Spiel. Sie arbeitet seit 2005 als pädagogisch-theologische Mitarbeiterin in der Ev. Frauenhilfe Landesverband Braunschweig e.V. und ist Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw. Diese Andacht hat sie während der Passionszeit geschrieben und dabei das „Aufsuchen des Gartens Gethsemane“ als für sich heilsam entdeckt. Sie hofft, dass mit dieser Andacht auch andere den Garten Gethsemane neu für sich entdecken können.


Anmerkungen:

1 Aus den Evangelien wissen wir, dass es sich um ein Landgut „am Ölberg“ gehandelt haben soll. Darauf weist auch der Name Gethsemane hin, denn er bedeutet „Ölkelter“. Erst seit 333 n. Chr. wird der Garten nördlich des Ölberges lokalisiert. (Quelle RGG)
2 Olivenbäume gehören zu den ältesten und langlebigsten Kulturpflanzen des Mittelmeerraumes. Sie werden normalerweise 300 bis 600 Jahre alt. Die ältesten Exemplare werden auf 3000 bis 5000 Jahre geschätzt. Der Olivenbaum ist äußerst genügsam und liefert zahlreiche kostbare Gaben. Sein Holz weist eine besondere Widerstandskraft auf. Seine Blätter liefern Medizin. Sein Öl wurde als Speiseöl, Lampenöl, als Heilmittel und Weihöl verwendet. In der griechischen Mythologie galt er als Geschenk der Göttin Athene und auch in der Bibel gehört er zu einer der bedeutungsvollsten und symbolträchtigsten Pflanzen (1.Mose 8,11; 2.Mose 27,20; 2.Mose 30,22-33; 5.Mose 7,13+8,8; Mt 26,1-13; Lk 10,33; Röm 11,17f. …)
3 „Die Bezeichnung [Garten] verweist wie Paradies und Eden […] auf einen Ort, an dem die ersten Menschen im Einklang mit Gott und der Natur gelebt haben.“ (RGG, Artikel Garten, religionsgeschichtlich)
4 Anders als bei der „Sturmstillung“(Mt 8,23-27, Mk 4,35-41, Lk  8,22-25) sind es hier die Jüngerinnen und Jünger, die trotz der drohenden Gefahr schlafen. Oft ist ihnen dieses Verhalten als Versagen ausgelegt worden, aber ist es nicht auch eine Gnade, in solch einer Situation schlafen zu können? Wie viele Menschen würden sich das wünschen!

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