Alle Ausgaben / 2007 Andacht von Gisela Egler

Uns ist ein Kind geboren

Eine Weihnachtsfeier in der Frauengruppe

Von Gisela Egler


Hinweis für die Leiterin: Für die Feier brauchen Sie Darstellungen der Geburt Jesu, z.B. Kunstkarten, Kalenderblätter etc.; oder Sie besorgen vorher die Weihnachtsgabe 2007 der Ev. Frauenhilfe „Uns ist ein Kind geboren“ als Geschenk für alle (siehe beiliegenden Flyer oder www.frauenhilfe.de).


Lied:
Zu Bethlehem geboren (EG 32, 1-4)

„Uns ist ein Kind geboren“. An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu, wir feiern, dass Maria Jesus geboren hat. Ein Kind ist geboren. Ein Neuanfang ist uns geschenkt.

Um diesen Neuanfang geht es uns heute. Den wollen wir uns genauer anschauen. Und schauen, wie Menschen diesen ganz besonderen Anfang dargestellt haben. Wie haben sie Jesus dargestellt, wie Maria? Wer ist sonst noch zu erkennen? Sind die Lebensumstände, in die Jesus hineingeboren wird, zu erkennen? Welche Akzente setzen die Künstlerinnen und Künstler?

Blättern Sie in Ruhe die Weihnachtsgabe durch und schauen Sie sich die Bilder an. Alternativ legt die Leiterin zahlreiche Geburtsdarstellungen Jesu und Bilder der schwangeren Maria auf einen Tisch und bittet die Teilnehmerinnen, in Ruhe um den Tisch zu gehen. Entscheiden Sie sich für ein Bild, dass Sie am meisten anspricht.

Nun tauschen sich jeweils zwei Nachbarinnen über folgende Fragen aus: Warum habe ich mich für diese Darstellung entschieden? Was fällt mir besonders ins Auge? Was spricht mich besonders an?

Auf den Bildern haben wir die schwangere Maria oder Maria mit dem Kind gesehen – mal mit Josef, mal mit den Hirten, mit den Tieren, manchmal vornehm, in feinen Gewändern, manchmal ganz einfach gekleidet. Allen Bildern gemeinsam ist, dass sie rund um ein Thema gehen: eine junge Frau gebiert ein Kind. In diesem kleinen Menschen liegt – wie in allen Neugeborenen – bereits das ganze Leben, der junge und der erwachsene Mensch. Alle Möglichkeiten ruhen in ihm. Weil Menschen geboren sind, weil durch Geburt immer wieder Neues in die Welt kommt, können wir heute diesem Neuanfang nachsinnen.(1)

Ein Kind ist geboren. Es ist nicht alleine: Von Anbeginn des Lebens ist es mit anderen verbunden, lebt in Beziehung. Es braucht die Liebe, die Annahme, den Schutz und die Fürsorge der anderen, um leben zu können.

Lied: Wie soll ich dich empfangen und wie begegn' ich dir (EG 11,1)

Wie empfangen eigentlich Maria und Josef das kleine Jesuskind – die beiden, die ihm am engsten verbunden sind? Und wie die anderen Menschen, die mit dieser Geburt zu tun haben?


Ein Netz aus Beziehungen

Für Maria(2) beginnt ihr Leben mit Jesus mit einem Erschrecken. Ein Engel verkündigt ihr das für sie zunächst Unfassbare: Sie wird ein Kind bekommen.

Ein Kind zu bekommen, das war im jüdischen Verständnis ein Geschenk Gottes. Die Geburt eines Kindes eröffnet ja immer die Möglichkeit von etwas ganz Neuem – und dies ist Gottes Sache. Der Engel verheißt ihr: Gott ist mit dir! Er verheißt ihr, dass sie nicht alleine sein wird: Beziehungen werden sie stärken und ihr die nötige Kraft geben. Maria sagt „Ja“ dazu. Sie öffnet sich für das Neue, lässt es zu, nimmt es auf. Und handelt. Sie wandert zu Elisabeth und bleibt drei Monate mit ihr zusammen. Sie nimmt die Unterstützung an, die ihr angeboten wird. Sie sorgt für sich und kann so auch für das Kind sorgen, das sie in ihrem Leib trägt. Sie nährt es mit dem, was sie nährt. In ihr wächst es heran – ein eigenes Wesen und zugleich in engster Beziehung zur Mutter. Und Maria ist in Beziehung mit Gott und mit Elisabeth. Wirkliches Handeln ist kein einsames Tun, sondern nährt sich aus den Beziehungen zu anderen – so kann etwas Neues wachsen, etwas Neues in die Welt kommen.

Auch Josef ist häufig auf den Bildern zu sehen. Bei Lichte betrachtet, will er zunächst keine Beziehung zu dem Kind, das Maria in sich trägt (Mt 1,18ff.). Er sieht sich dem in Maria heranwachsenden Kind in keiner Weise verbunden. Beziehungslos ist er. Erst ein Traum verändert seine Perspektive und eröffnet ihm völlig neue Beziehungen. Nachdem er aus dem Traum erwacht ist, handelt er neu: Er steht aus seinem Schlaf auf, er nimmt Maria zu sich, und später gibt er dem Neugeborenen den Namen Jesus (Mt 1,24f.).
Der Ort von Jesu Geburt regt die Künstlerinnen und Künstler immer neu an. Warum ist Jesus eigentlich in einem Stall in Bethlehem und nicht in Nazareth, dem Wohnort Marias und Josefs, geboren? In der Weihnachtsgeschichte wird gleich im ersten Satz erklärt, warum: Jesus wird in einem von den Römern besetzten Land geboren. Deren Kaiser Augustus befiehlt, dass alle Menschen im römischen Reich gezählt werden, damit er weiß, über wie viele Menschen und Besitz er verfügen kann. Alle müssen gehorchen – selbst die hochschwangere Maria muss losziehen. Nicht nach Bethlehem zu gehen, würde als Widerstand bestraft.

Maria und Josef suchen, wie so viele andere, einen Platz in einer Herberge. Aber die Wirtinnen und Wirte von Bethlehem weisen ihnen die Tür. Wer will schon bei vollem Haus auch noch die Sorge um eine hochschwangere Frau haben! Auch der letzte will sie nicht wirklich aufnehmen – aber wenigstens abseits von den anderen Gästen, bei den Tieren im Stall weist er ihnen Platz zu. Darum also ist der Stall der Geburtsort Jesu – auf vielen Weihnachtsbildern dargestellt.

Lied: Vom Himmel hoch (EG 25, 1-7)

Mitten in ihrem Alltag, nachts, während sie über ihre Herde wachen, erscheint den Hirten ein Engel. Sie fürchten sich sehr: Sie rechnen nicht mit etwas Außergewöhnlichem – und dann ein Engel, der zu ihnen spricht!(3) Als erste überhaupt hören sie die frohe Botschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren! … Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt in einer Krippe liegen!“
(Lk 2,11f) So, wie sie sind, machen sie sich auf den Weg. Und finden alles so vor, wie es ihnen der Engel gesagt ist. Und die Hirten, sonst Außenseiter in der Gesellschaft, berichten Maria, Josef und allen, die es hören, was ihnen der Engel über Jesus gesagt hat. Dann kehren sie zurück und rühmen und loben Gott für alles, was sie gehört und gesehen haben. Die verachteten Hirten spüren, dass sie nicht vergessen sind. Sie merken, wie sich ihre Angst in Mut verwandelt und ihnen Kraft zum Handeln gibt.


Ein neuer Anfang

Die Geburt Jesu – ein Anfang, der eingebettet ist in unterstützenden Beziehungen: Elisabeth steht Maria bei. Auch Josef bleibt bei ihr. Die Hirten kommen, und Weise bringen Geschenke. Diese Menschen nehmen ihre Träume ernst, die ihnen von Gott geschickt werden. Sie ändern ihre Lebenshaltung, sie handeln.
Wir sehen gleichzeitig, wie zerbrechlich so ein hoffnungsvoller Anfang auch sein kann. Jesus wird in ein besetztes Land hineingeboren, wo ein Leben nicht viel zählt. Die römische Gewaltherrschaft kann die Macht zerstören, die durch die lebendigen Beziehungen gewachsen ist – aber immer wieder machtvolle Neuanfänge verhindern kann sie nicht.

Welche Hoffnung liegt in den Bildern, die wir uns heute anschauen! Eigentlich sehen wir etwas ganz Alltägliches: eine schwangere Frau, ein neugeborenes Kind mit seiner Mutter. Und doch liegt in diesem kleinen Menschen bereits das ganze Leben, der junge und der erwachsene Mensch – alle Möglichkeiten ruhen in ihm. Und das gilt für jedes neugeborene Kind. Mit jedem Menschen kommen neue Möglichkeiten des Handelns, des Lebens, kommen neue Perspektiven in diese Welt, die dieser Mensch dann als Erwachsener umsetzen kann.(4)

In diesen Bildern mit Jesus in der Krippe liegt für uns alle die Hoffnung auf einen Neuanfang. Wir können neu anfangen – ob wir nun 30 oder 50 oder 85 Jahre alt sind. Wir können handeln, weil auch wir geboren sind. Weil auch wir hineingeboren sind in Beziehungen zu anderen. Wir sind nie zu alt, Gott darum
zu bitten, uns eine Elisabeth oder einen Josef zu schicken – oder einen Engel, der uns im Traum neue Wege zeigt.

Uns ist ein Kind geboren! Mögen wir uns immer wieder daran erinnern.

Lied: Macht hoch die Tür (EG 1, 1-5)

Gisela Egler, Jg. 1960, hat evangelische Theologie und Islamwissenschaften studiert. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe ahzw und im Vorstand des Stadtverbandes der Ev. Frauenhilfe in Frankfurt/Main.


Anmerkungen

1 Vgl. Andrea Günter (Hg.), maria liest. das heilige fest der geburt, Rüsselsheim 2004
2 Weitere Informationen zu Maria: Luzia Sutter Rehmann, Maria steht auf, in: ahzw 4-2006, 26-30
3 Weitere Informationen zu der Lage der Hirten: Helgard Mähnert, Und es waren Hirten in derselben Gegend, in: ahzw 4-2003 S. 52f.
4 Vgl. Hannah Arendt; Vita activa, 9. Auflage, München 1997, besonders S. 317.


 

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang