Ausgabe 2 / 2008 Editorial von Margot Papenheim

Vaterbilder im Wandel

Von Margot Papenheim


Was habe ich in all den Jahren
ohne dich eigentlich gemacht?
Als Tage noch tagelang waren,
wie hab ich sie nur 'rumgebracht?
Ohne Spielzeug zu reparieren,
ohne den Schreck, der Nerven zehrt,
ohne mit dir auf allen Vieren
durchs Haus zu traben als dein Pferd?

Vor 30 Jahren schrieb Reinhard Mey dieses anrührende Lied: 1979, als im Westen Deutschlands im Zuge der so genannten Studentenrevolte die eigenen Väter und deren Selbstbilder fragwürdig geworden waren. Als in der beginnenden 2. Frauenbewegung die stereotypen Rollenzuweisungen für Frauen und in der Folge auch für Männer in Frage gestellt wurden.  „Keine ruhige Minute ist seitdem für mich mehr drin. Und das geht so, wie ich vermute, bis ich hundert Jahre bin.“  Spielzeug reparieren und Pferd spielen – das war auch mit traditionelleren Vater bildern vereinbar. Im Refrain des Liedes aber taucht am Horizont der neue Mann und Vater auf. Der Mann, der sich, wie selbstverständlich, ganz und gar auf die Freuden seiner Vaterpflichten einlässt.

Der Vater, der sich prall vor Stolz seinen Stammhalter kurz in den Arm legen lässt, ihn aber schnell zurück reicht, weil dafür Männerhände viel zu grob sind; der Vater, der für die feste – und gegebenenfalls auch züchtigende – Hand in der Erziehung zuständig ist; der Vater, der für seine  Kinder nicht Spielgefährte, sondern respektierte oder wenigstens zu fürchtende Autoritätsperson ist: Dieses Vaterbild erscheint uns heute als Karikatur. Sogar den Männern selbst, die erst jetzt, im liebevollen Umgang mit ihren Enkelkindern, jene „Mütterlichkeit“ ausleben  können, die sie sich gegenüber den eigenen Kindern versagt haben, damit ihre  Autorität nur ja keinen Schaden nähme.

Männer, Frauen und Kinder finden es gut, dass sich das Vaterbild gewandelt hat. Und doch bleiben Zweifel, vor allem bei Frauen, wie weit es bei den Vätern mit dem neuen Selbstbild geht. Es ist schön, dass sie die emotionale Nähe zu ihren Kindern suchen. Kuscheln, windeln, füttern, trösten, schmusen – das können, dürfen, sollen und tun auch Väter. Aber „keine ruhige Minute ist seitdem für sie mehr drin“? Wann hat Reinhard Mey eigentlich die vielen schönen Lieder geschrieben, die nach 1979 entstanden sind? Allgemeiner gefragt: Haben sich die Zuständigkeiten von Müttern und Vätern in den letzten Jahrzehnten tatsächlich in dem Maße geändert, wie es der radikale Wandel im Vaterbild vermuten lässt? Männer kontern den Hinweis z.B. auf ihre Zurückhaltung bei der Elternzeit gern damit, dass sie die Hindernisse aufzeigen, die ihnen – von der Politik, von der Wirtschaft, von den Frauen – in den Weg zur gelebten Vaterschaft gelegt werden. Wann, so frage ich mich, hätten sie sich jemals auf Dauer hindern lassen zu tun, was ein Mann tun muss? Jede und jeder kennt den einen oder anderen Vater, der nicht nur theoretisch ein „neuer Vater“ ist. Wenn aber  insgesamt Wunschbild und Alltagswirklichkeit so weit auseinander klaffen wie in unserer Gesellschaft, bleibt einiges zu besprechen zwischen Männern und Frauen – und noch viel zu verändern.

Väter – das Thema lässt keine(n) kalt. Wie unsere Vaterbilder sich weiter entwickeln, geht alle an, jede(n) ganz persönlich wie die Gesellschaft insgesamt. Die Arbeitshilfe lädt dazu ein, sich an dieser manchmal aufregenden, in jedem Falle aber anregenden Diskussion zu beteiligen.

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