Alle Ausgaben / 2014 Artikel von Thomas Lösche

Verkehrte Welt

Protestant_innen sind Kinder des Karnevals

Von Thomas Lösche


Am 10. Dezember 1520 in Wittenberg. Luther hat am Morgen in Anwesenheit von Vertretern der Universität die päpstliche Bannandrohungsbulle und die kanonischen Rechtsbücher feierlich und symbolträchtig verbrannt. Am Nachmittag inszenieren ungefähr einhundert Studenten einen Karnevalsumzug.

Sie bauen einen Fastnachtswagen, auf dem an einem Mast gleich einem Segel eine riesige Papstbulle aufgezogen ist. Im Wagen nehmen einige Studenten Platz. Einer von ihnen ist als Wagenlenker, ein anderer als Trompeter verkleidet, manche tragen Gelehrtenkleider und wieder andere Gewänder von Musikern; diese begleiteten den Umzug mit Musik. Eine päpstliche Bulle ist auf das Schwert des Trompeters gespießt und eine andere Spottbulle auf einen Stock. Auf seinem Zug durch die Stadt wird das Gefährt mit viel Hallo und ausgiebigem Gelächter begrüßt. Besonders humorvoll und belustigend empfinden die Menschen den Wagenlenker. Er und seine Begleiter sammeln Holz – und Bücher von Luthers Gegnern, um sie samt der Spottbullen in der noch glimmenden Glut des „Lutherfeuers“ vom Morgen ebenfalls unter lautem Gelächter der Zuschauenden zu verbrennen.

An Fastnacht 1521 wird eine Papstfigur durch Wittenberg getragen und mit Kot beworfen und anschließend zur allgemeinen Belustigung mit Kardinälen, Bischöfen und deren Dienern durch die Straßen gejagt. An diesem 12. Februar führen Studenten auch ein Fastnachtsspiel auf, in dem der Papst und der Ablass lächerlich gemacht werden. In Ulm findet 1525 an Fastnacht eine Sakramentsprozession statt, bei der man die Geistlichkeit zum Besten hält. In Nürnberg wird zur Fastnachtszeit im selben Jahr „gespöttweis“ ein Kruzifix herumgetragen. In Zwickau veranstaltet man am Fastnachtsdienstag und -mittwoch (die Aschermittwochstradition war damals nicht einheitlich) auf den Straßen eine Scheinhatz nach Mönchen und Nonnen, die schließlich in Netze getrieben werden, so, wie bei der Jagd üblich. Im selben Jahr bewegt sich in Naumburg ein lustig-komischer Zug mit einem Karnevalspapst sowie Karnevalskardinälen und –bischöfen durch die Straßen, und vergnügt Tanzende, die als Mönche verkleidet waren, ziehen mit.1


Eiszeit und Kirchenordnung

Im Spätmittelalter ist Karneval und das Spiel mit der verkehrten Welt ein alternatives Massenmedium. Die verkehrte Welt war ein naheliegendes gesamtgesellschaftliches Thema – auch bedingt durch die seit etwa 1380 andauernde kleine Eiszeit mit ihren vielen Missernten und Epidemien. Es schien, als wäre die natürliche Ordnung durcheinander gekommen. Umso mehr wurden die Ordnungen des Staates und der Kirche gestrafft. 1486 erschien der „Hexenhammer“ des Dominikaners Heinrich Kramer, der die Hexenverfolgung legitimierte. Gleichzeitig griffen Fatalismus und unmoralisches Verhalten der Mittel- und Oberschicht um sich. Vom Wenigen, was den Leuten nach dieser oder jener Missernte noch geblieben war, sollten sie nun noch etwas abgeben für einen sehr zweifelhaften Protzbau in Rom. Im Grunde hatte man in dieser Zeit nicht viel zu lachen. Zu ertragen war das für die breite Masse nur durch humoristische Verkehrungen der Wirklichkeit. Humor hat wie Spiel in einem System die Rolle der Unterbrechung des „Normalen“. Das haben beide gemeinsam mit der Religion: eine entlastende Unterbrechung des Alltags.


Umkehrung als Vision

Waren Narreteien und verkehrte Welten ursprünglich dazu gedacht, durch Lächerlichkeit die Sitten zu verbessern, spiegelte sich in den karnevalesken Ritualen des Spätmittelalters eine „revolutionäre Situation“ wider, indem sie den Veränderungsprozess vom alten Glauben zum neuen Glauben unterstützen und vor Ort oftmals kreativ vorantrieben. Indem der Karneval aus den kollektiven Ressourcen der Gemeinschaft schöpfte, unterstütze er ganz wesentlich den Übergang vom Alten zum Neuen. Der Karneval und das Spiel mit der verkehrten Welt wurden als befreiend erlebt, als beabsichtigte Verstörung, aber nicht unbedingt als Zerstörung. Der dem Mittelalter eigene derbe Humor schaffte in Zeiten der Veränderung auch die hilfreiche Selbstdistanz und war sozusagen das „Spielbein“ der Reformation.


„Verkehrte Welten“ mit alten kulturellen Wurzeln

Humorvolle Wortspiele und das Spiel mit der „verkehrten Welt“ in Sprache und Literatur haben eine sehr lange kulturelle Tradition. Das Spielen mit Grenzen führt zu Entgrenzungen des „Normalen“. So entstehen nicht nur einfache Verkehrungen von Alt und Jung, Schwach und Stark, Reich und Arm, Groß und Klein, Geschäftigkeit und Faulheit, Herr und Diener, Oben und Unten, Vernünftigen und Affen, Betrogenen und Betrügern, Narren und Weisen …, sondern darüber hinaus auch entlastende Utopien.
Die Bibel ist voll davon und bis heute in Redewendungen in unserer Alltagssprache präsent:
– David und Goliath (1 Sam)
– Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. (Jes 65)
– Die Ersten werden die Letzten und die Letzten die Ersten sein. (Mt 19)
– Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden. (Lk 14,11)
– Denn das Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das Schwache Gottes ist stärker als die Menschen. (1 Kor)

Selbst das Kreuz in seiner christlichen Deutung ist eine entlastende Verkehrung: Ein Symbol des Todes wird zum Siegeszeichen, zum Zeichen neuen Lebens: „Tod, wo ist Dein Stachel, Hölle wo ist Dein Sieg“? – eine Verspottung des Todes. „Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“. Die Korinther_innen müssen die Aufforderung zur „Verkehrungsparty“, das Gedächtnismahl zum Tode Jesu als Freudenmahl, sehr ernst genommen haben. Offensichtlich war der entlastende Teil der frohen Botschaft so stark, dass ihre Mahlfeiern regelmäßig in ungezügelte Gelage ausuferten: „Wenn ihr zusammenkommt, feiert ihr in Wirklichkeit gar nicht das Mahl des Herrn. Denn bevor das gemeinsame Mahl beginnt, fängt jeder schon an zu essen, was er mitgebracht hat; und wenn dann später die anderen hungrig kommen, sind die einen schon betrunken.“ (1 Kor 1,11). Abendmahl als chaotisches, lustvoll-entlastendes Freudenfest.

Auch im kulturellen Umfeld des Judentums und des Christentums sind humorvolle Verkehrungstexte und -rituale bekannt. Sowohl in Griechenland als auch im römischen Reich. Eine herausragende Rolle spielte dabei etwa seit dem 2. Jahrhundert v.Chr. das Fest zu Ehren des Gottes Saturn. Die Rituale dieses Festes, die so genannten Saturnalien, beeinflussen bis heute unsere Feste wie Weihnachten und Karneval. Man beschenkte sich gegenseitig, es gab ausufernde Schlemmereien, exzessive Trinkgelage, Glücks- und Würfelspiele waren sowohl unter den Freien und den Sklaven als auch in gemischten Gruppen erlaubt. Sklaven_innen aßen mit am Tisch ihrer Herren, ja es wurden sogar die Rollen vertauscht, dass die Herren ihre Sklaven_innen einen Tag lang bedienen mussten. Sklaven_innen übernahmen symbolisch öffentliche Ämter und sprachen Recht – vergleiche die Besetzung der Rathäuser heutiger Fastnacht. Im Grunde die „blanke Anarchie“. Es wurde gelacht und gefeiert „was das Zeug hält“. Eine verkehrte Welt und ein bisschen Schlaraffenland, aber auch: das Chaos als Utopie, wo alte Ordnungen für kurze Zeit aufgelöst und das Neue als Anschein etabliert werden.


Inversion – Spiegel der Gesellschaft

Wir können sicher sein, dass die Reformatoren karnevaleske Volksbäuche und Narrenspiele ebenso kannten, wie die so genannten „Quaestiones fabulosae“, die sich in den Universitäten großer Beliebtheit erfreuten: sehr ernst gemeinte Scherzdisputationen, die alle Bereiche menschlichen Lebens betreffen konnten. Charakteristisch daran war, dass alles schonungslos verkehrt, ja kreativ verstört wurde und während der Vorlesungen eine Atmosphäre von großer Heiterkeit entstand. Selbst heiligste Themen wurden nicht ausgenommen, um die Veränderbarkeit von Ansichten durchzuspielen – eine Art „akademischer Karneval“. In karnevalesken Strukturen denken und reden heißt, über die Gesellschaft reden, in der alles auch ganz anders sein könnte. So entstehen „phantastische“ Welten und Sinnsysteme, die aber als Grundlage der Verkehrung die realen, vertrauten Verhältnisse haben: Die Welt steht Kopf und lacht.

Die Männer und Frauen der Reformation kannten solche Bräuche und Texte, weil sie zur allgemeinen Volkskultur gehörten. Dass auch die Klöster und Theologen solcherlei Bräuche betrieben, zeigt sich im Codex Buranus – Texte, die zwischen dem 11. und 13. Jh. entstanden und in regem Gebrauch waren.2 Parodierte Ordensregeln etwa befehlen spätes Aufstehen, reichliches Essen und Trinken sowie regelmäßiges Würfelspiel – so detailliert beschrieben, dass die ältere Forschung tatsächlich an die reale Existenz eines solchen Faulenzer- und Schlemmerordens glaubte. In dieser ausgesprochenen Diesseitigkeit und Freiheit von sittlichen und standesmäßigen Bindungen zeigt sich ein Welt- und Lebensgefühl, das in krassem Gegensatz zur mittelalterlichen Welt festgefügter Ordnungen steht.


Reformation: Die Welt lacht sich kaputt

Die Reformatoren kannten nicht nur die Narrenliteratur,3 sie standen mit den -Autoren wie zum Beispiel Hans Sachs in Verbindung, der in der Nürnberger Tradition stehende Schwänke und Fastnachtsspiele schrieb. Thomas Murner führte den Narren in die Reformation ein, indem er Martin Luther als „gar Gross Lutherisch Narr“ geißelte, um auszudrücken, dass die Anhänger Luthers allesamt dem „Insipiens“, dem ungläubigen Narren aus Psalm 52, entsprächen.

Und tatsächlich proklamierten die Reformatoren ja eine verkehrte Welt, aber diesmal nicht nur zur kurzzeitigen Entlastung oder Erheiterung der Massen. Gottesdienst in Alltagskleidung, Priestertum aller Gläubigen, Abendmahl in beiderlei Gestalt. Luthers Sprache und Argumentation ist vom didaktischen Rahmen der verkehrten Welt geprägt: „Der Gottesdienst der Magd ist das Melken der Kuh.“ Oder: „Wenn die Gegner die Schrift gegen Christus ausspielen, so spielen wir Christus gegen die Schrift aus.“ Auch, dass weltliche Melodien mit geistlichem Text versehen wurden („Vom Himmel hoch da komm ich her“), gehört zur karnevalesken Methodik Luthers. Der Reformator verwarf den Karneval aus Gründen der Werkgerechtigkeit – gleichwohl sind die reformatorischen Schriften, Argumentationen und Reden Spiegelbild der Narrenliteratur des ausgehenden Mittelalters. Auch Luthers oft bewusst derbe Sprache gehört dazu. Es war das zeitgemäße Stilmittel, was verstanden wurde: „Wenn ich hier einen Furz lasse, so riecht man das in Rom.“ 1521 schreibt Luther an seinen unentschlossenen Freund Melanchthon: „Sündige tapfer, aber glaube tapferer.“


Humor bringt in Bewegung

Luther bringt Bewegung in die bestehende Weltordnung, er ist selbst Bewegung und somit sehr nahe an dem damaligen Verständnis der Narrenfigur. Diese Figuren sind plastisch und wandelbar. Es sind höchst verführerische „Janusköpfe“, die die Grenze zwischen Gut und Böse, Weisheit und Narrheit als verwischt erscheinen lassen. Auch in der Lutherübersetzung der Bibel spiegelt sich die Liebe zum Wortspiel als Ausdrucksmittel. Ohne die von ihm geprägten Bilder und Redewendungen wie „sein Licht unter den Scheffel stellen“; „zum Eckstein werden“ oder „niemand kann zwei Herren dienen“ wäre unsere Sprache heute ärmer.

Heute gelten wir Protestanten_innen weithin als humorlos und puritanisch im Vergleich zur rheinischen Frohnatur. Unsere kreativen Stärken liegen eher in der Kirchenmusik – ein nicht unbedeutender „Überrest“ der „verkehrten Welt“ der Reformation. Um diese Ressource der Reformation für uns heute neu zu entdecken, müssten wir die häufig anzutreffende Angst vor kreativem Chaos ablegen, ohne Sorge darum, in diesem Spiel die Kontrolle zu verlieren, im Vertrauen darauf, dass sich neue, ungewohnte Strukturen bilden werden. Nach meinen „innerkirchlichen“ Erfahrungen führen der allgemeine Sparzwang in den Gemeinden und Landeskirchen und die „Problemhypnose demographischer Wandel“ oft eher zu verschärfter innerkirchlicher Anwendung von Ordnungsprinzipien – mit der Folge einer massiven Einengung kreativer Spielräume sowie wenig Mut zu ergebnisoffenen Prozessen. Mitunter beobachte ich ähnliche Reflexe wie zur kleinen Eiszeit.

Neben der Bindung an das biblische Wort ist die enge Verbindung zu karnevalesken, humorvollen Sprachmustern und dem Spiel mit der verkehrten Welt eine wichtige Ressource der Reformation gewesen. Beides erhebt Ungehorsam zum protestantischen Prinzip. Dass dies ein Überlebensprinzip sein kann, beschreibt Franz Fühmann treffend in seinem „Lob des Ungehorsams“:

Sie waren sieben Geißlein und durften überall reinschaun, nur nicht in den Uhrenkasten, das könnte die Uhr verderben, hatte die Mutter gesagt.
Es waren sechs artige Geißlein, die wollten überall reinschaun, nur nicht in den Uhrenkasten, das könnte die Uhr verderben, hatte die Mutter gesagt.
Es war ein unfolgsames Geißlein, das wollte überall reinschaun, auch in den Uhrenkasten, da hat es die Uhr verdorben, wie es die Mutter gesagt.
Dann kam der böse Wolf.
Es waren sechs artige Geißlein, die versteckten sich, als der Wolf kam, unterm Tisch, unterm Bett, unterm Sessel, und keines im Uhrenkasten, sie alle fraß der Wolf.
Es war ein unartiges Geißlein, das sprang in den Uhrenkasten, es wusste, dass er hohl war, dort hat's der Wolf nicht gefunden, so ist es am Leben geblieben.
Da war Mutter Geiß aber froh.

Franz Fühmann: „Lob des Ungehorsams“,
illustriert von Kristina Anders © Hinstorff Verlag GmbH, Rostock, 1. Auflage 2013


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel
Die TN sollen Ressourcen der Reformation erkennen und Freiräume und Spielräume in ihren Gemeinden entdecken.

Material
Karteikarten, Stifte, Flipchart; Kopien des Textes von F. Fühmann – vielleicht auf einer kleinen farbigen Karte zum Mitnehmen; evtl. Liedblatt

Ablauf
Begrüßung
Alle stehen im Kreis – dann macht und spricht die Leiterin laut und fröhlich vor, alle sprechen und machen ihr ebenso laut und fröhlich nach:

Arme zum Himmel heben:
Hallo, Himmel!
Arme zur Erde strecken:
Hallo, Erde!
Arme gerade vor der Brust locker verschränken, Hände auf die eigenen Oberarme:
Hallo, ich!
saftige Küsse auf die eigenen Hände und Arme drücken – dann Hände auf Schulter oder Rücken der Nebenperson legen:
Hallo, du!
zartes Trommeln mit den Fingern, Blickkontakt – dann Blick in die Runde:
Hallo, ihr!

einmal zum Üben, das zweite Mal zur Freude
urspr. Quelle unbekannt

Lied
Der Himmel geht über allen auf

Hinführung
„Ressourcen“ – ein neues Zauberwort! Wir schauen heute einmal etwas anders auf die Reformation, um zu entdecken, was uns dort an Humor, Kreativität und Widerstandskraft begegnet: drei wichtige Ressourcen vielleicht auch für unsere Gemeinde. Danach schauen wir uns einmal bei uns selbst, in unserer eigenen Gemeinde um und fragen: Welche Freiräume, welche Spielräume finden wir? Gefragt sind ein offener Blick, Humor und ein bisschen frecher Mut.

Information …
… über Humor in der Reformation, Verkehrung des gewohnten Blicks anhand des Beitrags oben

Impuls
Wir sind die Visitationsgruppe der Kirchenleitung aus der neuen Kommission „Kreativität und Humor im Gemeindeleben“. Gehen wir jetzt also, immer zu zweit, auf einen Rundgang durch das Gemeindehaus und das Außengelände – und schauen wir mit neugierig-ahnungslosem Blick hin:

Was gibt es da reichlich? Stühle, Instrumente – von der Orgel bis zum Kaffeelöffel, Platz, offene Türen … Was kommt uns merkwürdig vor?

Karteikarten und Stifte für die Bestandsaufnahme mitnehmen! Jede notiert außerdem für sich selbst: Wo bin ich gewesen? Wo habe ich mich wohlgefühlt? Was würde ich gerne mal in diesen Räumen ausprobieren, was könnte hier passieren? – eine Lesung aus alten Kirchenbüchern, ein Tango-Abend, ein Hüpfkästchennachmittag für Seniorinnen, ein Projekt mit Flüchtlingskindern …

Austausch im Plenum
Wie ging es uns bei unserer Visitationsrunde? Konnten wir mit staunendem Blick hinsehen? (Wo) Kam uns der Humor zu Hilfe – oder (wo) kam er uns abhanden?

Die Eindrücke, Ideen, Wünsche werden zusammengetragen – unkommentiert und ohne weitere Vertiefung; es darf chaotisch, unrealistisch, unbezahlbar sein.

„Lob des Ungehorsams“
Der Text von Franz Fühmann wird ausgeteilt und gelesen. – Gespräch (evtl. in Kleingruppen): Was hat dieser Text mit der Reformation zu tun? Und was vielleicht mit uns und unserer Gemeindesituation? Ist die Rede von protestantischem Ungehorsam überhaupt aktuell?

Abschluss
Ggf. wird aus jeder Kleingruppe eine Rückmeldung für alle gegeben. Dann werden die TN eingeladen, jeweils selbst nachzuspüren: Wie geht es uns, jeder einzelnen, mit der Vorstellung, das Gemeindehaus und die Gemeinde auch als Freiraum oder Spielraum anzusehen? Wo sehe ich die kreative Kraft des Ungehorsams gefragt?
Wer mag, kann dazu etwas sagen.

Für alle zum Weiterdenken: Gibt es vielleicht unter den notierten Ideen eine, die wir im Auge behalten möchten? Oder nehmen wir unser Experiment lieber als Gedankenspiel mit?

Lied
Dass Erde und Himmel dir blühen

Segen
Geht in der Kraft, die Euch gegeben ist,
geht einfach, geht leichtfüßig, geht zart.
Haltet Ausschau nach der Liebe –
und Gottes Geist geleite Euch.
Amen


Thomas Lösche, Jahrgang 1953, ist Dipl.-Religionslehrer und Spielpädagoge, Supervisor und Ropes Course Trainer. Er war viele Jahre Referent für Gestaltende Verkündigung im Kinder- und Jugendpfarrramt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.


Vorschlag für die Arbeit in der Gruppe:
Dorothea Röger, Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw


Anmerkungen
1)
Beispiele exzerpiert aus: Richard van Dülmen/Norbert Schindler (Hgg.):
Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhundert), Frankfurt/Main (Fischer) 1984
2) In der Neuzeit wurden sie bekannt, als Carl Orff ihnen in seinen „Carmina Burana“ ein Denkmal setzte.
3) „Das Narrenschiff“: Sebastian Brandt 1494; „Lob der Torheit“: Erasmus von Rotterdam 1509


Verwendete Literatur
Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München (C.H.Beck) 5., aktualisierte Auflage 2010
Michael Kuper: Zur Semiotik der Inversion. Verkehrte Welt und Lachkultur im 16. Jahrhundert, Berlin (VWB Verlag für Wiss. und Bildung) 1992
Dominik Fugger (Hg.): Verkehrte Welten? Forschungen zum Motiv der rituellen Inversion, München (Oldenbourg) 2013
Richard van Dülmen/Norbert Schindler (Hgg.): Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhundert), Frankfurt/Main (Fischer) 1984
Johannes Richter: Mit allerhöchster Bewilligung. Zur Geschichte und Entwicklung des Puppentheaters in der Stadt Magdeburg und ihrer weiteren Umgebung. Bd. 2 der Beiträge zur Kulturgeschichte der Magdeburger Börde und ihrer Randgebiete, Oschersleben (Ziethen) 1999
Franz Fühmann: Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm zu Babel, Kinderbuchverlag Berlin 1978 / Rostock (Hinstorff Verlag) 2005
Jonas Jonasson: Die Analphabetin, die rechnen konnte, München (carl's books) 2013

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