Alle Ausgaben / 2006 Andacht von Christine Wunschik

Vertrauen wagen

Andacht zur Jahreslosung 2007

Von Christine Wunschik


Lied: Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben (Kopiervorlage in ahzw 4-1997; auch in Kirchentags- und ähnlichen Liederbüchern zu finden), oder: Was Gott tut, das ist wohlgetan (EG 372,1-3)

Bildbetrachtung

Jede Frau erhält eine Jahreslosungskarte „Das rote Menschennetz“. (Bezug: Ev. Frauenhilfe in Deutschland; Adresse siehe Impressum S. 83. Das Motiv kann zusammen mit weiterem Material zum Bild auch als Folie für Overheadprojektor bestellt werden; vgl. beigelegten Werbeflyer.)

In der Gruppe wird zusammengetragen, was die Frauen auf dem Bild sehen (10 bis 15 Minuten). Alle Gedanken sind wichtig und sollen geäußert werden! Anschließend wird der folgende Text vorgetragen (evtl. an die Gruppe angepasst).

Bild und Jahreslosung
Vielfältig ist dieses Bild: Ein Kreuz, ein Stern, leicht, luftig. Menschen, wie ein Ballett aus Fallschirmspringern oder aus Schwimmerinnen. – Sie halten sich an Händen und Füßen. – Jede reicht anderen die Hände. – Gelb wie die Sonne die Menschengruppe. – „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“: Haben wir hier die weibliche Entsprechung? – Immer kleiner werden die Menschen in der Mitte; sind sie höher, tiefer, konzentrierter, näher an der Mitte des Lebens? – Alle streben zur Mitte. Vom Groben zum Feinen kommt es auf den Punkt.

Bei Jesaja sagt Gott: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?“ zu Menschen mit großem Kummer und in tiefer Not. Die Künstlerin zeigt uns ihre Vorstellung davon, wie wir dieses Neue spüren können: indem wir aus der Vereinzelung herausgehen, andere für uns da sein lassen und selbst für andere da sind. Wir wissen, wie schwer das manchmal ist, wie wir uns zurückziehen möchten, wenn es uns schlecht geht. Natürlich brauchen wir gelegentlich Ruhe für uns, Alleinsein. Oft ist es gar nicht so leicht, dann wieder auf andere zuzugehen. Manchmal, wenn zu Vieles kreuz und quer und durcheinander geht in unserem Leben oder auf der Welt, brauchen wir Geradlinigkeit, um wieder auf unsere eigenen Wege zu finden. Das Bild hat gerade Linien und Strukturen, klare Muster. Es kann uns beim Ordnen helfen. Wie ein Mandala, bei dem ich auch zur Mitte komme, auf den Kern der Dinge, auf die Frage nach meinem Verhältnis zu Gott, zu mir selbst und zu den Menschen meiner Umgebung.

Der Kreuz-Stern
Die Künstlerin Josefina Håkansson sagt über ihr Bild: „Zuversicht und Hoffnung birgt dieser MenschenStern, der auch den Hirten auf dem Felde erschienen ist und die Geburt Jesu Christi ankündigte. Das Kreuz darunter, aus zwei Rottönen gebildet, spiegelt eine doppelte Liebe. Die bedingungslose Liebe Gottes zu den Menschen und die Liebe der Menschen zueinander.“

Der Stern bringt Licht und Orientierung. Aber der Stern ist mit dem Kreuz verbunden. Das Kreuz steht für Tod, aber auch für das Leben. Es steht für Kreuzigung, aber es ist ohne Auferstehung nicht denkbar. Es steht für die Kraft Gottes, die Neues ermöglicht. So, wie Christus den Tod überwunden hat, können wir auch aus Leiden und Unrecht wieder ins Leben zurückkommen, in das Neue hinein. Der Kreuz-Stern kann uns ermutigen, mit anderen Frauen und Männern zusammen Verantwortung für Frieden und Gerechtigkeit zu übernehmen. Wie bei unserem Stern können wir andere mittragen.

Das Menschennetz
Josefina Håkansson sagt: „Wenn Menschen sich an den Händen fassen, so haben sie engen Kontakt mit ihrem Nächsten. Sie halten einander. Mal wird der Eine gestützt und ein anderes Mal kann dieser seinen Nachbarn stützen. Je länger die Menschenschlange, umso eindrücklicher ihr Bild, denken wir nur an die Friedens- und Lichterketten, die zum eindeutigen Zeichen geworden sind. Wenn wir den Kreis schließen und uns an Händen und Füßen halten, so entsteht ein stabiles Netz aus Menschen. Wir bilden eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig stützt und trägt.“

An Händen und Füßen festgehalten? Wo bleibt da meine Selbständigkeit, meine Unabhängigkeit? Da wird das Netz zur Falle für mich! Ich will doch nicht die Kontrolle über mein Leben verlieren! – Aber was ist das dann mit der Verantwortung und dem gegenseitigen Mittragen? Wir sehen: Jede im Netz wird gebraucht. Keine kann sagen: „Ich bin nicht wichtig.“ Oder: „Ich kann ja doch nichts machen!“ Wenn eine sich zurückzöge, entstünde ein Loch im Netz, also Absturzgefahr. Wenn ich nicht abstürzen will, muss ich mich einbinden lassen. Eingebunden bin ich zwar gebunden, aber nicht jeder Selbständigkeit beraubt. Ohne gebunden zu sein, kann ich keine Beziehung leben, nicht zu den Menschen, nicht zu Gott. Geschwisterlichkeit erfordert auch eine Bindung. Vielleicht müssen ja nicht, wie bei unserem Menschennetz, beide Hände und beide Beine so fest im Griff anderer sein, damit ich noch Eigenes tun und eigene Schritte gehen kann. Und auch wenn ich nicht allzu fest eingebunden bin – vielleicht werde ich beim Absturz ja doch gehalten. Jedenfalls haben diese Erfahrung schon manche in ihrem Leben gemacht. In einer Heilungsgeschichte sagt Jesus: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Ich nenne es Gott-Vertrauen, das zum Heilwerden verhilft, das Neues ermöglicht. Bin ich eigentlich offen genug, um das Neue zu erwarten oder zu bemerken?

Wahrscheinlich wagen wir uns oft nicht in das Menschennetz, weil es so viele Gründe dagegen gibt: Die Anderen haben so fremde Ansichten, einen ganz anderen Geschmack, ein ganz anderes Niveau, womöglich halten sie nicht fest genug, sie sehen so komisch aus… Aber hier geht es um Halt, nicht um lückenlose Übereinstimmung. Wir sollten nicht zu lange zögern, jemandem die Hand zu reichen. In diesem Menschennetz können ganz bunte Figuren sein, manchmal wird auch eine oder einer loslassen. Dann sind immer noch die Anderen da. Jede hat einen Teil Verantwortung für die Zuverlässigkeit des Netzes. Ein paar Löcher, mal hier, mal da, kann es nämlich doch verkraften! Es wäre hoffnungslose Selbstüberschätzung zu meinen, wir müssten alle Knoten jederzeit unter Kontrolle haben.

Gott hat uns so angenommen, wie wir sind, in all unserer Verschiedenartigkeit. Vielleicht ist das ein Lernziel für uns, damit wir das Neue sehen lernen. Die Andere anzunehmen, mich ein Stück dem Anderen auszuliefern, das geht nur mit Vertrauen. Dazu brauche ich eine gute Portion Gelassenheit und Gottvertrauen. Nur wenn ich vertraue und das gute Neue erwarte, bleibe ich wirklich im Leben, aktiv, schöpferisch.

Das Rot
Rot ist die vorherrschende Farbe des Bildes. Es ist die Farbe des Blutes, des Lebens, der Liebe. Es ist auch die Farbe für den Kampf auf Leben und Tod, ist vital und kräftig und auch aggressiv, die Farbe der Wut. Rot ist Signalfarbe.
In Bildern des auferstandenen Christus drückt Rot die sieghafte Liebe Gottes aus. Mit den beiden Rottönen beschreibt die Künstlerin zum einen die Liebe Gottes zu den Menschen und zum anderen die Liebe der Menschen zueinander. Die Signalfarbe soll uns helfen, wach und aufmerksam zu sein, damit wir in solidarischer Gemeinschaft neue Gedanken entwickeln können – leidenschaftlich, voller Leben.

Lied: Wo ein Mensch Vertrauen gibt, oder: Komm, Herr, segne uns (EG 170.1+2)

Gebet:

Führe uns vom Tod zum Leben,
von Falschheit zu Wahrheit.
Führe uns von Verzweiflung zu Hoffnung,
von Angst zu Trost.
Lass Frieden erfüllen
unsere Herzen,
unsere Erde,
unsere Welt.
Lass uns zusammen träumen,
zusammen beten,
zusammen arbeiten
an der einen Welt
des Friedens und
der Gerechtigkeit für alle. Amen.

Herkunft unbekannt; zit. nach: H. Rosenstock, H. Köhler, Du Gott, Freundin der Menschen, Stuttgart 1991, S. 137

Christine Wunschik, Jg. 1948, ist gelernte Maurerin, Hochschulingenieurin für Baustoffverfahrenstechnik, Gemeindehelferin und Katechetin. Sie arbeitet als Referentin in der FrauenArbeit der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland und ist Mitglied der Arbeitsgruppe ahzw.

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