Ausgabe 1 / 2021 Artikel von Astrid Hake und Monika Maria Schell

Visionen der Klimagerechtigkeit

Von Astrid Hake und Monika Maria Schell

Die Corona-Krise beherrschte die Diskussionen im Jahr 2020 und ließ die Auswirkungen des Klimawandels in den Hintergrund rücken. Dabei verschärfte das Zusammenspiel der beiden Krisen in vielen Regionen des Globalen Südens die eh prekäre Situation. Hier zeigt sich, wie sehr die eine Krise die andere Krise verstärkt, denn sie treffen die Ärmsten und Verletzlichsten am härtesten. Angesichts der globalen Herausforderungen brauchen wir eine tiefgreifende ökosoziale Veränderung, die die Lebensgrundlage aller schützt und Zivilgesellschaft, Gemeinwohl und Demokratie stärkt.

Wie der YouTuber Rezo vor gut einem Jahr in seiner Kolumne auf Zeit Online angemerkt hatte, setzen sich die beiden großen christlichen Kirchen gegen den Klimawandel ein, mehr als gemeinhin bekannt ist. Mit der Ethik des Genug und einem Konzept von Gutem Leben für Alle bringen die Kirchen seit Jahrzehnten starke und vor allem globale Positionen im Umweltschutz mit an den Tisch. Da setzt das Netzwerk Ökumenisches Netzwerk Klimagerechtigkeit (ÖNK), ein Bündnis kirchlicher Institutionen und Organisationen, an: Indem es Projekte des kirchlichen Engagements für Klimagerechtigkeit in Kirche, Politik und Gesellschaft dokumentiert, bringt es Akteur*innen zusammen und voran, deren vereinigende Anstrengung die Sorge um das gemeinsame Haus ist, frei nach Papst Franziskus.
Die Debatte um die Klimakrise ist eine Frage der Gerechtigkeit
Die Verantwortung für den Klimawandel wird nicht nach dem Verursacherprinzip geschultert: Früh industrialisierte Staaten sind Hauptverursacher der entstandenen und entstehenden Schäden, sie erleiden allerdings die geringsten Auswirkungen und verfügen über ausreichende Mittel sich anzupassen. Der globale Süden hingegen ist von den klimatischen Auswirkungen stärker betroffen, während es durch die über Jahrhunderte anhaltende Ausbeutung an Ressourcen zur Adaption fehlt. Zudem geht es um Generationengerechtigkeit und um Verantwortung für die Mitwelt, denn wie ist es zu rechtfertigen, nach uns kommenden Generationen einen desolaten Planten zu hinterlassen? Auch ist es eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, denn in ländlichen Regionen des globalen Südens sind es zur sozialen Gruppe der Frauen zugehörige Personen, die stärker von den Folgen der Klimakrisen betroffen sind.
Die christliche Perspektive nimmt uns in die Mitverantwortung für die Schöpfung – Wir wollen handeln
Nach diesem Credo kommen im ÖNK kirchliche Akteur*innen zusammen, die für den christlichen Gedanken der Einen-Welt und für eine gemeinsame, solidarische Zukunft einstehen.

Die Kirchen verfügen über weltweite Netzwerke, über die weitreichende Erfahrungen, Wissen und Potential transportiert werden, weswegen sich die Mitglieder des ÖNK im April 2019 zusammenschlossen. Sie initiierten den Aufruf Churches for Future mit dem Ziel, sich als Kirchen mit Fridays for Future zu solidarisieren, um mit den eigenen Werten und Ressourcen dieses Engagement zu stärken. Beim letzten Klimastreik im September 2020 haben Churches for Future mit der Fotoaktion „Es ist 5 vor 12!“, an welcher Kirchen aus aller Welt beteiligt waren, besonders eines zum Ausdruck gebracht: Kirchen und Christ*innen stehen der Klimakrise nicht ohnmächtig gegenüber. Im Gegenteil besteht in der Vernetzung und dem solidarischen Zusammenkommen jedes Mittel, um für die Zukunftsvision einer klimagerechten Welt einzutreten und diese umzusetzen.

Der Weltgebetstag der Frauen ist solch ein inspirierendes Beispiel für die Schlagkraft von Vielfältigkeit. Als internationale Basisbewegung von Frauen unterschiedlicher christlicher Konfessionen suchen sie nach gemeinsamen Lösungen für die Herausforderungen von Armut, Gewalt gegen Frauen und Klimawandel. Der Gottesdienst findet rund um den Globus immer am ersten Freitag im März eines Jahres statt, die Kollekte kommt Frauen- und Mädchenprojekten weltweit zu Gute. Im Laufe der Jahre sind zahlreiche Initiativen zu Anliegen der ökonomischen und sozialen Gerechtigkeit hervorgegangen. Weltgebetstag 2020 setzte sich mit der Situation der Frauen in Simbabwe auseinander. Das südliche Afrika ist eine vom Klimawandel besonders betroffene Region. In den vergangenen fünf Jahren gab es nur eine „normale“ Erntezeit gegeben; entsprechend schlecht sind die nationalen Nahrungsmittelvorräte, eine Hungersnot droht. Für die Zukunft haben die Partnerorganisationen bereits ihre Schlüsse gezogen: Sie wollen innovative Wege gehen und die Gemeinden dabei unterstützen, den Folgen des Klimawandels zu begegnen, damit diese die ohnehin bestehende Benachteiligung von Frauen und Mädchen nicht noch zusätzlich verschärfen.

Der Weltgebetstag 2021 wurde mit Frauen aus und in Vanuatu gestaltet und unterstützt ihre Anliegen vor Ort. Die Ni-Vanuatu leben immer mit Naturgewalten wie Zyklonen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Doch seit Jahren bedroht auch der durch den Klimawandel steigende Meeresspiegel die Existenz der Menschen vor Ort, zu dem sie nichts beigetragen haben. Beispielhaft klagen sie als erster Staat die verursachenden Staaten des Globalen Nordens beim internationalen Gerichtshof an. Am 5. März 2021 werden am Weltgebetstag rund um den Globus Gottesdienste zum Thema: „Worauf bauen wir?“ gefeiert. Yumi ol paoaful! Yumi ol sistas! (Wir sind stark! Wir alle sind Schwestern!) zeigt die Verbundenheit: Gemeinsam stehen wir gegen die Benachteiligung von Mädchen und Frauen weltweit ein.

Ein anderes Beispiel aus den Mitgliedsorganisationen ist die Klima-Kollekte. Über diese ist bspw. das Projekt Energieeffiziente Kochtaschen in Kamerun finanziert worden, das zu Klimaschutz und Armutsreduzierung beitragen möchte. Innerhalb des Projektes erhalten 6.000 Familien über die Partnerorganisation Pro Climate International (PCI) energieeffiziente Kochtaschen, die sogenannten „Wonderfulbags“. Mit den Kochtaschen verbrauchen die Familien ca. 60 % weniger Feuerholz und tragen so direkt zum Schutz der Wälder bei. Auch die gesundheitsschädliche Rauchentwicklung, die durch das Verbrennen von Holz auf einem Drei-Steine-Feuer entsteht, wird verringert. Ein weiterer positiver Aspekt ist kostbare gewonnene Zeit. Dies betrifft vor allem Kinder, die mehr Zeit fürs Lernen haben, und Frauen, die weiteren wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen können, wie der Bewirtschaftung ihrer Felder. Ein weiterer Pluspunkt: Da Familien weniger Brennholz zukaufen müssen, reduzieren sie ihre Ausgaben.

Diese Ausschnitte aus der Arbeit des Ökumenischen Netzwerks Klimagerechtigkeit und seinen Mitgliedern zeigen, dass das gemeinsame Engagement bestärkt, sich den Herausforderungen zu stellen und sich nicht machtlos zu fühlen.

Aus dem Austausch und der Vernetzung entstehen neue Perspektiven und Ideen, die uns auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft weiterbringen und wir laden Sie ein, mitzugehen.

Monika Maria Schell arbeitet als Koordinatorin im Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit tätig in Berlin. Gemeinsam mit Astrid Hake bildet sie die Geschäftsstelle des Netzwerks.

Astrid Hake ist Koordinatorin im Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit. Sie arbeitet am Standort Hamburg. Gemeinsam mit Monika Maria Schell bildet sie die Geschäfts- stelle des Netzwerks.

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