Tierische Verständigung, das haben gerade die Forschungen der letzten Jahrzehnte erwiesen, kann … Züge besitzen, die man noch vor nicht allzu langer Zeit als ausschließliches Merkmal der menschlichen Sprache ansah. Das beginnt schon beim vertrauten Gesang des Vogels vor dem Fenster. Auch hier handelt es sich um eine Art von Signal, jedoch um ein vergleichsweise kompliziert aufgebautes. Der Vogel reiht beim Singen einzelne Lautelemente (Töne) von unterschiedlicher Höhe, Dauer und Intensität zu Sequenzen aneinander, die als Phrasen und Strophen bezeichnet werden. Dies geschieht mit einer solchen Geschwindigkeit, dass das menschliche Ohr die Feinheiten erst beim langsamen Abspielen vom Tonband zu erfassen vermag. In seiner Grundstruktur ähnelt der Vogelgesang damit der Musik …, aber in einem allgemeineren Sinne auch der menschlichen Sprache, die ja ebenfalls aus gegliederten Lautfolgen besteht.
Bemerkenswerterweise ist der Gesang vieler Arten nicht vollständig angeboren, sondern muss auf der Basis einer ererbten Disposition von älteren Artgenossen gelernt werden. Fehlt dieses Vorbild, d.h. wächst ein solcher Vogel isoliert heran, dann singt er in der Regel nur sehr unvollkommen. Umgekehrt können manche Vögel artfremde Gesangsmotive (oder auch menschliche Worte und Sätze) erlernen und nachahmen – ein Vorgang, der als Spotten bezeichnet wird. Ein im Experiment von Kanarienvögeln aufgezogener Gimpel übernahm den Gesang seines Pflegevaters und gab diesen Kanariengesang anschließend an seine eigenen Jungen weiter. … Dennoch hat der Vogelgesang mit ›Sprache‹ im eigentlichen Sinn natürlich nichts zu tun. … Die Mitteilung enthält offenbar nicht viel mehr als „Männchen XY im Besitz eines Reviers“ – eine Botschaft, die potentielle Rivalen vor dem Eindringen warnt, ledige Weibchen dagegen während der Paarungszeit anlockt und damit der Revierabgrenzung und der Fortpflanzung dient
aus:
Wer sprach das erste Wort?
Die Entstehung von
Sprache und Schrift
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