Alle Ausgaben / 2013 Material von Antje Rösener

Vom Glück

Von Antje Rösener


Ich weiß, dass es kindisch wäre, die Hände in den Schoß zu legen und auf das große Glück zu warten. Nicht für meine Sache zu streiten, mein Glück dem Zufall zu überlassen. Aber, ich fühle den Druck, der hinter diesen Sätzen steckt: Werde aktiv. Sorge dich, kümmere dich. Entscheide dich, dein Glück erlangen zu wollen, geh in die Vollen. Arbeite an deinem Glück, verlier keine Zeit. Denn schließlich: Glücklichsein kann man lernen, sogar trainieren.

Was ist, frage ich mich, mit den Grenzen, die zum Beispiel mein Körper mir setzt? Das Älterwerden, es ist nicht nur leicht und einfach. Ich kann es nicht verhindern – so sehr ich mich auch mühen mag, so sehr ich lerne und trainiere. Ich muss leben mit den Begrenzungen, die entstehen. Ich muss respektieren, was mein Körper schafft und was nicht. Ist es dann im zunehmenden Alter nicht mehr so weit her mit dem Glück?

Wenn ich mein Leben befrage, so fällt mir etwas ganz anderes auf: Glückliche Momente kamen oft überraschend, aus heiterem Himmel. Sie haben etwas von einem unerwarteten Geschenk. Ein Anruf auf der Arbeit und ein riesengroßes Problem scheint gelöst. Ein trübseliger Tag, plötzlich findet jemand das rechte Wort und alles sieht anders aus. Morgens aufwachen mit guter Laune bei schönstem Vogelgezwitscher. Die Frage eines Kindes, die mich aus meinen Gedanken reißt und zum Lachen bringt. Glückliche Momente erwischen mich oft ungeplant, rücklings. Sie ergreifen mich, überfallen mich – wie aus heiterem Himmel.

Auf einmal ist da eine Leichtigkeit im Raum, die vorher nicht da war. Eine Leichtigkeit, die ich nicht mühsam erkämpfen muss, weil sie mir in die offenen Hände fällt. Ganz so, wie es in einem meiner Lieblingstexte aus der Bibel beschrieben wird: Seht nur die Vögel unter dem Himmel …


aus:
Momente der Gelassenheit
Kurze Geschichten zum Atemholen
Gütersloh 2005

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