Ausgabe 1 / 2004

Was halten Sie von Lesben?

O-Töne aus der Frauenhilfe

Hinweis für die Leiterin: Evangelische Frauen denken so unterschiedlich über lesbische Frauen, wie Frauen mit anderen konfessionellen, religiösen oder  weltanschaulichen Hintergründen auch. In Vorbereitung dieser Arbeitshilfe haben Frauen, die in der Ev. Frauenhilfe haupt- oder ehrenamtlich arbeiten, spontan auf die Frage reagiert: Was halten Sie von Lesben? Die (meist leicht gekürzt) mit Zustimmung der Frauen hier veröffentlichten Antworten können ein  Gesprächseinstieg für Gruppen sein. Vgl. bes. die Anregung Seite 68-70.

Ich habe keine unmittelbare persönliche Verbindung zu dem Thema. Grundsätzlich denke ich, dass erwachsene Menschen das Recht haben, selber zu entscheiden, wie sie leben wollen. Allerdings mag ich es überhaupt nicht, wenn, wie ich es bei einer Synode im meiner Landeskirche erlebt habe, lesbische Frauen (und schwule Männer) ihre Interessen aggressiv und ausgrenzend vertreten. Wenn lesbische Frauen, auch im Pfarrhaus, öffentlich zusammenleben, kann das in der Gemeinde zu Konflikten führen; es ist eine schwierige Frage, die von Fall zu Fall zu entscheiden wäre. Es kommt sicher auch darauf an, wie sie sich in der Öffentlichkeit verhalten. Gegen einen Segen für lesbische oder schwule Paare habe ich nichts, aber es darf keine „Hochzeit“ sein. Wenn bei lesbischen oder schwulen Paaren Kinder aus einer früheren Partnerschaft da sind, muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass diese den Kontakt zu ihren lesbischen Müttern oder schwulen Vätern nicht verlieren – auch wenn diese in einer neuen, gleichgeschlechtlichen Beziehung leben. Bei den aktuellen Debatten in der Gesellschaft um ein Adoptionsrecht für  gleichgeschlechtliche Paare bin ich unsicher. Aber eigentlich bin ich eher dagegen, weil ich denke, dass Kinder Mutter und Vater, Frau und Mann in der Familie  brauchen.

Ingeborg Beer, 72 Jahre, verheiratet und Mutter von vier erwachsenen Kindern und elf Enkelkindern; von 1987 bis 2003 Vorsitzende der Ev. Frauenhilfe in Westfalen


Wenn ich lesbischen Frauen persönlich begegne, habe ich oft die Frage im Kopf: Was ist mit Dir passiert? Ist eine lesbische Frau einfach eine lesbische Frau? Oder ist sie eine enttäuschte Frau, die einen Schutzraum sucht? Ich merke, dass lesbische Frauen mir rein gefühlsmäßig näher sind als homosexuelle Männer. Und dann frage ich mich, was eigentlich die vehemente Abwehr vieler Frauen gegen Lesben bedeutet. Ich finde es interessant darüber nachzudenken, ob ich mir vorstellen kann, selbst mit einer Frau zusammen zu leben. Wie wäre das für mich? Wäre es schön? Oder würde ich mich ekeln? Gibt es in mir selbst solche Anteile? Und was würde passieren, wenn ich denen nachgeben würde? Unerträglich finde ich es und fühle mich geradezu selbst angegriffen, wenn Menschen platt, abfällig oder abwertend über Lesben daherreden. Neulich hörte ich, wie eine schadenfroh erzählte, dass jetzt das erste lesbische Paar schon wieder „geschieden“ worden sei, weil eine der beiden, eine Friseurin, die andere, eine Arzthelferin, verprügelt hatte. Ich finde das schade, wenn zwei junge mutige Frauen – und für eine Arzthelferin und eine Friseurin ist die Entscheidung zum öffentlichen Zusammenleben mutig, mutiger jedenfalls, als wenn zwei Studentinnen irgendwo in einer Großstadt das tun – sich entschieden hatten und die Beziehung dann auseinander bricht. Es ist genau so schade, wie bei jeder anderen Beziehung auch.
Vielleicht hat meine Reaktion damit zu tun, dass ich in einer Kirche erzogen wurde, in der man für Randgruppen der Gesellschaft, für die „Schwachen“ grundsätzlich die Stimme zu erheben hat.

Jannette Degenhardt, 55 Jahre, verheiratet, drei erwachsene Kinder; Mitglied im Vorstand der EFHiD


Als vor Jahren in meiner Landeskirche das Thema „Frauen und Männer in der Kirche“ anstand und in dem Zusammenhang auch die Frage nach gleichgeschlechtlichen Lebensformen, habe ich beschlossen: Da muss man etwas tun. Daher arbeite ich seit vielen Jahren in einem Arbeitskreis „Kirche und Homosexualität“ des Kirchenkreises Iserlohn mit und habe dann auch versucht, das Thema in der Frauenhilfe bekannt zu machen und zu diskutieren. Das war natürlich nicht ganz leicht – aber es geht, und mittlerweile sind wir „durch“. Die Vorsitzende der Frauenarbeit unseres Kirchenkreises ist zum Beispiel lesbisch und hat das auch öffentlich erklärt. Trotzdem wurde sie mit 97% in die Leitung des Kirchenkreises gewählt.
In meiner persönlichen Umgebung leben einige lesbische Frauen, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das alles ganz tolle Frauen sind. Ich habe allerdings bei lesbischen Frauen auch nie Berührungsängste gehabt, ebenso wenig, wie ich die bei Schwarzen oder bei Menschen mit Behinderungen je hatte. Vielleicht liegt es daran, dass ich aus einem sehr toleranten Elternhaus komme. Jedenfalls bin ich jemand, die es von vornherein nicht erträgt, dass Minderheiten diskriminiert werden.

Trude Friedland, 76 Jahre, zehn Jahre Leiterin des Bezirksverbands Iserlohn der Ev. Frauenhilfe


Wir bemühen uns sehr um Toleranz und wollen bewusst die Gottes- und Nächstenliebe leben, aber Paulus schreibt z.B. in 1 Kor 6,9f, dass die „Lustknaben und Knabenschänder“ das Reich Gottes nicht erben werden.
Es gibt meines Wissens kein Gen und keinen Grund, lesbisch zu werden. Man wird auch nicht lesbisch geboren, sondern höchstens durch Erziehungseinflüsse und Verführung und durch Lust am Ausprobieren dazu gemacht. Ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis: Ein Ehepaar mit drei Kindern lebte in glücklicher Ehe. Bis sich eines Tages die Frau durch eine „gute Freundin“ zum lesbischen Leben  entschloss. Der Mann war entsetzt und ratlos, dass sich seine Frau von ihm abwandte. Nach vielen verzweifelten Versuchen sie zurückzugewinnen, „nahm“ er sich beim Drachenfliegen das Leben. Ich kenne keine positive Sichtweise für das lesbische Leben; aber es gibt Hilfe für solche Frauen und auch erfolgreiche Therapien, vorausgesetzt allerdings, dass diese das wollen.
Wir sind unserem württembergischen Landesbischof sehr dankbar, dass er aus biblischen Gründen die Segnung homosexueller Paare nicht zulässt. Wenn die Vorsitzende eines Landesverbandes der Frauenhilfe dieses Thema als „brennend“ bezeichnet, dann muss ich die Frauen fragen, auf welcher Glaubensbasis sie eigentlich ihre Töchter aufs Erwachsensein vorbereitet und erzogen haben. Und was für ein harmonisches Ehe- und Familienleben wurde denn diesen nun lesbisch gewordenen Töchtern und Enkelinnen vorgelebt? Wenn unsere drei Kinder sich „normal“ entwickelt haben, dann ist das nicht mein Verdienst, sondern ein Geschenk und eine Gnade, um die wir aber viel gebetet haben.

Christa L. Bolay, Ev. Frauentreff Berkheim


Als Kind oder Jugendliche war Homosexualität für mich kein Thema. Konkret damit beschäftigt habe ich mich erst als Erwachsene, als ich erfuhr, dass zwei meiner männlichen Verwandten schwul sind.
Wie es mir damit geht? Ich finde es nicht schlimm, wenn sie ihre Freunde  mitbringen, z.B. zu Familienfeiern. Andererseits merke ich, dass ich doch irgendwie darauf reagiere. Es ist wie beim Zusammentreffen mit Behinderten: In meinem Inneren tut sich was, ich reagiere nicht vollkommen unbefangen. Ich achte darauf, „nichts falsch zu machen“. Ich spüre den Druck, tolerant zu sein, und ich will das auch. Aber eigentlich möchte ich, dass ich sie so „normal“ fände, wie alle anderen auch. Mein Denken und mein Gefühl gehen also immer noch auseinander. Ich hoffe, das gibt sich mit der Zeit!

Martina Bittcher, 40 Jahre, verheiratet, Leiterin Verwaltung und Finanzen in der Geschäftsstelle der EFHiD

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang