Ausgabe 2 / 2019 Andacht von Anke Ruth-Klumbies

Wassertanz – Glaubenstanz

Meditation zur Jahreslosung 2020

Von Anke Ruth-Klumbies

Nimm eine aufrechte Haltung ein. ¬ Wenn du magst, schließ die Augen. ¬ Warte auf deinen Atem, bis er sich meldet. Dein Atem darf in seinem eigenen Rhythmus strömen. ¬ Wo spürst du im Körper deinen Atem? Achte auf den Atemstrom, wie er in dich hineinfließt und wieder hinausgeht. Folge diesem Strom durch deine Nase in deinen Körper und wieder hinaus. ¬ Spürst du auch den kurzen Moment zwischen dem Ein- und Ausatmen? ¬ Atme auf diese Weise eine Zeitlang und dann beende diese Übung.
Betrachte nun das Bild in Ruhe.
Schau dich in das Bild hinein.
Verweile mit deinem Blick.
Stille
Eine Frau im roten langen Kleid.
¬ Ihr Körper schwebt mühelos aufrecht im blauen Wasser eines Schwimmbeckens. Ihre Haltung ist leicht nach vorne gebeugt. ¬ Das lange Kleid schmiegt sich weich an ihren Körper. Ein schmaler Schal umgibt ihren Hals, dessen Enden tanzen um ihren Körper.¬ Beide Füße sind gestreckt, wie bei einer Balletttänzerin. Der linke Fuß berührt zart mit der Zehenspitze den Beckenboden. Das rechte Bein ist anmutig angewinkelt. Die linke Hand hält grazil einen Kleiderzipfel, die rechte ist nach vorne hin geöffnet – bereit zum Tanz. Schwerelos.

„Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“, sagte Pina Bausch.

Die langen dunklen Haare sind am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden.

Die Gesichtszüge sind entspannt, die Augen geschlossen. ¬ Ein anmutiger, intimer Moment. ¬ In der rechten Bildhälfte erscheint das Spiegelbild der Frau. Verschwommen, gebrochen, verzogen vom Wasser. Frau und Spiegelbild nähern sich zärtlich an – bereit zum Kuss. ¬ „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht“, heißt es im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth [ 13,12 ].

Der Moment zwischen Ein- und Ausatmen,
zwischen innen und außen. Einfach sein, ohne Anstrengung.
Dem Zwischenraum, der Lücke, der (Atem-) Pause, dem kleinen Nichts trauen.
¬ Und dann: sich vom Leben überraschen lassen. ¬ Den Atem spüren wie eine kleine Geburt, erneut ins Leben kommen dürfen. Ich ahne, dies ist eine gute Übung, um zu mir zu kommen, wenn ich außer mir bin – bereit, dem verwirrenden, schmerzvollen Leben zu vertrauen. ¬ „Du Atem aus der ewigen Stille durchwehe sanft der Seele Grund“, sagt Gerhard Tersteegen.

Auftrieb, leichtes Gleiten nach oben, angedeutet durch den in Spitze gestellten Fuß. ¬ Ich weiß: Ein leichtes Tippen mit der Zehe auf den Beckenboden und der Körper schwebt langsam durchs Wasser an die Oberfläche.

Ich spüre, wie Wasser am Körper entlang perlt. Müheloser Schwebezustand, das Leben im Dazwischen – bereit zur Hingabe. ¬ Ich schwebe, hilf meiner Starre. Ich liebe, hilf meiner Herzlosigkeit. ¬ „Mit dir will ich endlich schweben voller Freud ohne Zeit“, schrieb Paul Gerhardt.

Berührt von einem innigen Moment steige ich langsam tanzend mit auf. Ich hole Luft, atme befreit auf. ¬ Mein Blick geht nach oben. Auf der oberen Bildhälfte links entdecke ich drei Fenster. ¬ Tageslicht strömt herein. Ich bin bereit, mich dem Wagnis Leben erneut in die Arme zu werfen.
„Ich glaube; hilf meinem Unglauben“, lautet die Jahreslosung. Mk 9,24

Kirchenrätin Anke Ruth-Klumbies ist Leiterin der Abteilung „Frauen, Männer, Geschlechterdialog“ beim Evangelischen Oberkirchenrat der EKIBA. Als Zuständige für Publikationen im Präsidium der Evangelischen Frauen in Deutschland ist sie geborenes Mitglied im Redaktionsbeirat leicht&SINN.

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