Alle Ausgaben / 2014 Andacht von Irene Leicht

Weil mich mein Gott das Lachen lehrt

Andacht zum Motiv des lachenden Christus

Von Irene Leicht

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Lied
In dir ist Freude (EG 398)

Votum
Im Namen der dreieinen Gottheit, Ursprung allen Lebens, menschenfreundlich, die Liebe selbst. Alle: Amen.

Impuls
Lachen ist gefährlich. Der blinde Greis Jorge von Burgos in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“, der nur eines sehen kann, nämlich den kommenden Antichrist, dieser ansonsten Blinde geht über Leichen und nimmt die Verbrennung eines Klosters samt seiner Bibliothek in Kauf, nur um zu verhindern, dass eine Abhandlung des Aristoteles über die Komödie an die Öffentlichkeit gelangt. Diese handelt nämlich von einer positiven Einstellung zur Freude und zum Lachen. Teufelszeug also. Jorge ist felsenfest davon überzeugt: „Christus hat nie gelacht!“1

Nicht nur manche Kirchenväter, auch die Kunstgeschichte scheinen ihm Recht zu geben. Kaum ein Bild, auf dem Jesus auch nur lächelt, geschweige denn lacht. Und im Zentrum ohnehin der am Kreuz Leidende. Doch Kurt Marti erinnert: „Es gibt keinen Grund, Jesus das Lachen abzusprechen. Damit sähe man ihn außerhalb der jüdischen Überlieferung, zu der das Lachen und Lächeln in der Tat schon immer gehört hat.“2

Austausch
Und wir – was glauben wir? Sehe ich Jesus lachen? Oder ist mir die Vorstellung fremd? Ich lade ein zu einem kurzen persönlichen Austausch zur Frage: Hat Jesus gelacht? Dabei bitte ich auf Diskussionen zu verzichten.

Witz
Jesus als Jude – mit Kurt Marti scheint es mir unvorstellbar, dass er nicht auch ganz von jüdischem Humor geprägt war. Deshalb an dieser Stelle ein kleiner jüdischer Witz: „Ein Jude kommt zum Metzger und zeigt geradewegs auf einen Schinken und sagt: ‚Ich hätte gern diesen Fisch dort.' ‚Aber das ist doch ein Schinken!' ‚Mich interessiert nicht, wie der Fisch heißt.'“

Musik
J. S. Bach, Osteroratorium, BWV 249, letztes Rezitativ und Schlusschor oder andere österliche bzw. heitere Musik einspielen

Impuls
Eines jedenfalls ist keine Frage: Es gibt in der Christentumsgeschichte sehr wohl das Lachen, genauer: das Osterlachen. Der sogenannte risus paschalis hatte zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert Hochkonjunktur. In der Osterpredigt sollte die Gemeinde zum Lachen gebracht werden. Obrigkeitskritisches hat da Eingang gefunden, aber auch jede Menge Albernheit. Die protestantische Tradition hatte ihre Schwierigkeiten mit diesem Brauch. Doch dieses Osterlachen hat einen guten Sinn: Der Tod wird ausgelacht. Das Leben hat gesiegt. In vielen Osterliedern klingt etwas von dieser Freude und dem Lachen an. So bei Paul Gerhardt:

Die Welt ist mir ein Lachen
mit ihrem großen Zorn,
sie zürnt und kann nichts machen,
all Arbeit ist verlor'n.
Die Trübsal trübt mir nicht
mein Herz und Angesicht,
das Unglück ist mein Glück,
die Nacht mein Sonnenblick.
EG 112, 5

Doch der lachende Christus hat auch noch eine andere Geschichte. Im 2. Jahrhundert entstand, vermutlich in Ägypten, die – erst 1910 vollständig wiedergefundene – „Petrus-Apokalypse“.3 Dort fragt Petrus Jesus, wer denn der Unbekannte sei, der unter dem Kreuz so fröhlich lache. Jesus antwortet: „Der, den du neben dem Kreuz fröhlich und lachend siehst, ist der lebendige Jesus. Derjenige hingegen, in dessen Hände und Füße Nägel geschlagen werden, ist sein leiblicher Teil, sein Ersatz.“ Jesus hat dieser Tradition zufolge nur scheinbar gelitten, gleichsam in einem Scheinleib. Die Göttlichkeit Gottes sollte durch nichts Irdisches beeinträchtigt werden.

Durch ein solches Jesusbild aber wird die Solidarität Gottes mit den Menschen, die Leiden und Schmerzen ertragen müssen, verraten. Gott wird Mensch mit Haut und Haaren, mit Weinen und Lachen! Darum können wir aus den vielen Hallelujas in den Osterliedern gleichsam ein kräftiges Lachen heraushören: ha, ha, ha. Der Tod und das Leiden sind zwar da. Doch sie haben nicht das letzte Wort. So lade ich ein, einen bekannten Taizé-Kanon einmal ausdrücklich lachend zu singen oder zumindest das „Ha“ von Halleluja bewusst zu betonen.

Kanon
Surrexit Dominus vere, halleluja, halleluja… (oder eben: ha, ha, ha, ha / ha, ha, ha, ha …); oder: Wir wollen alle fröhlich sein (EG 100,1 und 5)

Bildbetrachtung
Kopien des Bildes (s. S. 26) werden jetzt verteilt oder vor Beginn der Andacht auf die Plätze gelegt.

Wir sehen hier eine Bronzeplastik von Ernst Barlach (1870 – 1938).5 Irgendwie witzig: Ernst Barlach trägt das Ineinander von Ernst und Lachen in seinem Namen. Ernst – lach! Seine „Lachende Alte“ ist um 1936/37 entstanden.

Wir nähern uns dieser Plastik zunächst an, indem wir dieser lachenden Alten einen Satz oder einen Gedanken in den Mund legen. Bitte sprechen Sie dabei in der ersten Person, so als ob Sie selbst diese Alte wären …

Diese Plastik ist eins von Barlachs letzten Werken, auch wenn es schon sehr früh Vorzeichnungen dazu gegeben hat. Ernst Barlach hat sich während der Zeit des Nationalsozialismus verstärkt Randfiguren der Gesellschaft zugewendet: Bettlerinnen und Bettlern, Hungernden, Frierenden. In der Sekundärliteratur zu unserer Plastik findet sich öfters der Nebentitel „Die Hexe Pfefferzunge“ – ein Hinweis auf die randständige Position dieser Frau. Die Frau lacht aus vollem Halse, lauthals. Den Kopf zwischen den Schultern wirkt sie, als sei sie selbst ganz Lachen. Bertolt Brecht meinte 1951 anlässlich einer Barlach-Ausstellung in Bezug auf diese Alte: „Ihre Heiterkeit ist unwiderstehlich. Ihr Lachen ist wie ein Singen, es hat den ganzen Körper gelöst, er sieht beinahe jung aus.“7 Die fließenden Formen des Gewandstoffes unterstreichen die gelöste Stimmung. Zur Zeit der Entstehung der Plastik wurden viele von Ernst Barlachs Werken von den Nationalsozialisten bereits zur „entarteten Kunst“ gerechnet; einige waren auch schon zerstört oder eingeschmolzen worden. Mit der „Lachenden Alten“ leistet er Widerstand gegen diese Diskriminierungen: „… ich bin im geringsten nicht gewillt, mich gewissen zu erwartenden Direktiven anzupassen.“8 – so ein Zitat von ihm aus dieser Zeit. Der Künstler weiß um den bitteren Ernst der politischen Lage, er spürt seine nachlassenden Kräfte, er ist durch und durch angefochten – und setzt alldem in dieser Bronzeplastik ein Lachen aus vollem Halse entgegen.

In der Bibel ist an manchen Stellen die Rede davon, dass Trauer in Freude verwandelt wird, dass auf Leiden Freuden folgen. So zum Beispiel in der Zusage Jesu: „Glücklich seid ihr Weinenden, denn ihr werdet lachen!“ (Lk 6,21 BigS) Ich verstehe das so, dass beides zusammengehört, beides das Leben ausmacht: lachen und weinen. Und dass das Lachen immer wiederkehrt. Es ist stärker und nachhaltiger als das Weinen. Ernst Barlach kennt beides. Doch fast am Ende seines künstlerischen Schaffens, in der Zeit der größten Not, steht dieses Lachen.

Psalmgebet
Im alten Wallfahrtspsalm, den wir nun gemeinsam beten, geht es genau um dieses Ineinander. Hilfreich ist es diesem Psalm zufolge, sich immer wieder zu erinnern: Wir haben schon die Erfahrung gemacht, dass etwas wieder gut wird, dass Wunden heilen, dass wir wieder auf die Füße kommen. So wie damals, als wir aus der babylonischen Gefangenschaft befreit wurden. Diese Erinnerung stärkt die Hoffnung. In der Perspektive dieses Psalms überwiegt der Jubel, wie an Ostern. Wir sprechen in zwei Gruppen im Wechsel:

Als der Ewige Zions Geschick wendete,
war es, als träumten wir:
Da füllte Lachen unseren Mund
und Jubel unsere Zunge.
Da sagten sie unter den Nationen:
Großes hat der Ewige an ihnen getan.
Großes hat der Ewige an uns getan,
wir sind es, die sich freuen!
Wende, Ewiger, unser Geschick,
wie du Flüsse im Negeb wiederbringst.
Die mit Tränen säen –
mit Jubel werden sie ernten.
Da gehen sie, sie gehen und weinen
und tragen den Beutel zum Säen.
Da kommen sie, sie kommen mit Jubel
und tragen ihre Garben.
Psalm 126 in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

Lied
Komm, Gott, segne uns (EG 170)

Segen
Unser Lachen und unser Weinen ist gesegnet, Du, unser Gott. So bitten wir:
Gott, Ursprung und Urgrund allen Lebens, lasse uns erfahren, dass in der geheimnisvollen Tiefe der Wirklichkeit die Freude schwingt.
Der lachende Christus schenke uns die Kraft, auch im Schweren und Bitteren die Hoffnung nicht zu verlieren, dass am Ende des Lebens nicht nur alle Tränen abgewischt sein werden, sondern dass am Ende ein großes Lachen sein wird.
Die Heilige Geistkraft durchströme uns und gebe uns immer wieder die Fähigkeit zum Abstand zu den Dingen und zum Lachen wohl über alle Welt.
Amen

Musik
etwas Heiteres einspielen (z.B. Vivaldi) oder einen bekannten Kanon singen, z.B.: Lachend kommt der Sommer über das Feld

Dr. Irene Leicht, geb. 1965, ist Pfarrerin in der Evangelischen Stadtkirchenarbeit in Freiburg und arbeitet zudem als Seelsorgerin im Augustinum Freiburg. Sie hat eine Ausbildung in Gestalttherapie und theologisch liegen ihre Schwerpunkte in Spiritualität und Mystik.

Anmerkungen
1) Umberto Eco: Der Name der Rose, München (Hanser) 451986, S. 126
2) Kurt Marti: Lachen – Weinen – Lieben. Ermutigungen zum Leben, Stuttgart (Radius) 1985, S. 14
3) Einige weitere Informationen unter kath-zdw.ch/forum/index.php?topic=1100.0; ausführlich: Caspar Detlef Gustav Müller: „Offenbarung des Petrus“
(Einleitung und dt. Übersetzung), in: Wilhelm Schneemelcher: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd.2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 1989
4) Vgl. Adolf Holl: Der lachende Christus, München (Hanser) 2005
5) Wer einen Zugang zu moderner Kunst hat, kann alternativ oder zum Vergleich auch das Bild „Lachender Christus“ von Herbert Falken (1983) einführen. Es gehört dem Museum am Dom (Würzburg) und ist im Internet leicht zu finden.
6) Ernst Barlach, Lachende Alte © Ernst Barlach Lizenzverwaltung Ratzeburg
7 zitiert nach www.gallery-neher.com/galerie-neher.php/cat/29/N/9070/id/786/title/Lachende_Alte+Ernst+Barlach
8) Vgl. ebd.

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