Ausgabe 1 / 2024 Bibelarbeit von Klara Butting

Wenn die Ewige ein Haus baut

Lebensort für Mensch und Kreatur

Von Klara Butting

Die erste Baumeisterin, von der die Bibel erzählt, ist Gott selbst, und das Bauprojekt, um das es geht, ist Mitmenschlichkeit. Wahrscheinlich kennen Sie den Text, in dem das Wort „bauen“ zum ersten Mal in der Bibel vorkommt: „Die EWIGE, Gott, ließ einen Tiefschlaf auf das Menschenwesen fallen, und Gott nahm eine Seite des Menschenwesens und baute aus dieser Seite eine Frau.“ Gen 2,21  1

In unserer Tradition ist aus dieser Geschichte ein frauenfeindliches Pamphlet geworden. Die Verkehrung fängt schon an bei der „Bauplanungsphase“, wo es heißt: „Die EWIGE, Gott, sprach: ‚Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will für ihn eine Hilfe machen, ein Gegenüber.‘“ Gen 2,18 Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei – den Satz kennen wir als Textlesung bei Trauungen. Er klingt in unseren Ohren wie eine Warnung für Singles; alleinlebenden Menschen wird das Gefühl vermittelt, nicht in Ordnung zu sein.

Die Verkehrung geht weiter mit der Übersetzung „Rippe“ statt „Seite“. Wo Gott das Menschenwesen in zwei Hälften teilt, sodass es „den“ Menschen von nun an nur noch als Mitmenschen gibt, haben wir die Entnahme einer Rippe im Ohr. Und die „Hilfe“, um die es bei der ganzen Maßnahme geht – ein Wort, das in der Bibel sonst nur in Bezug auf Gott verwendet wird – wurde zur Gehilfin, um Frauen herabzusetzen als Zuarbeiterinnen von Männern.

Es ist zum Verzweifeln: Die biblische Überlieferung wurde so sehr missbraucht, dass das Wunder, von dem die Texte erzählen, für viele Menschen verschüttet bleibt. Das Wunder fängt an mit dem Einspruch: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Dieser Satz ist kein Gebot für Singles, sondern eine Selbstverpflichtung, die Gott sich auferlegt. Die Gottheit, von der wir in der Bibel hören, gibt sich zu erkennen. Sie ist Sprecherin und Adressatin dieses Satzes. Sie steht dafür ein, dass kein Mensch allein gelassen wird. Gott steht mit seiner ganzen Göttlichkeit ein für Menschlichkeit als Mitmenschlichkeit. Als Folge dieser Selbstverpflichtung fängt Gott an zu bauen. Es ist ein Bauprojekt, das andauert: Der Mensch soll Mitmensch werden, Humanität als Mitmenschlichkeit gelebt werden. Im Mitmenschen wird das Geheimnis der biblischen Gottheit offenbar: Die Hilfe, die Gott für uns Menschen sein will, soll Mensch werden. Gott will uns in Gestalt von Menschen zu Hilfe kommen.

Vom Bauen als Gewalt

Wenn wir das Baumotiv weiterverfolgen, kommt allerdings zunächst eine verkehrte Welt in den Blick. Der nächste Bauherr, von dem die Bibel erzählt, ist Kain. Der Brudermörder, baut eine Stadt. Gen 4, 17 Diese Kombination von Brudermord und Städtebau ist kein Zufall. Sie kennzeichnet beispielsweise auch die Gründungslegende Roms. Rom erzählt über seine Anfänge die Geschichte der beiden Brüder Romulus und Remus. Romulus ermordet Remus. Romulus, der Mörder, gründet Rom. Die Erfahrung, dass Gewalt an der Wiege der großen baulichen, technischen und kulturellen Errungenschaften Roms und seines Weltreiches steht, wurde Legende.

Tatsächlich sind Gewalt und Krieg für Großstädte wie Rom ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ökonomie und Größe. Kriege wurden geführt, um Schätze, Land und Sklaven und Sklavinnen zu erbeuten. Die eigene Bevölkerung wurde ernährt durch die Unterwerfung anderer. Bauern und Bäuerinnen wurden in den unterworfenen Ländern durch Tributzahlungen ausgebeutet und zur Zwangsarbeit in die Baustellen des Großreiches gepresst. Deshalb sind Städte in der Bibel zunächst geradezu der symbolische Ausdruck menschlicher Gewaltgeschichte und Gegenbild des Paradiesgartens. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel Gen11,1-9 ist dafür beispielhaft. Erzählt wird von imperialer Gewalt, die alle in ein Bauprojekt presst und eine Sprache sprechen lässt.

Über die ganze Erde gab es eine Sprache.
Die Menschen sagten zueinander:

Heran!
Lasst uns Steine machen.

Heran!
Lasst uns eine Stadt
und einen Turm bauen.
Himmelhoch.

So wollen wir uns einen Namen machen,
denn sonst werden wir über die ganze Erde zerstreut.2

Die eine Sprache, von der die biblischen Erzählerinnen und Erzähler in der Geschichte des Turmbaus zu Babel berichten, ist keine Ursprache, die alle Menschen einst gesprochen haben. Sie ist eine globale Sprache des Bauens. Eine Sprache, die wir alle kennen. Eine Sprache, die wir alle verstehen. Die eine Bau-Sprache ist eine Sprache der Potenz und der Angst. „Himmelhoch“ wollen sie hinaus in dem Verlangen, sich zu verewigen. Im „himmelhoch“ Bauen nimmt die Ausrichtung einer Gesellschaft Gestalt an, in der einige hochkommen und viele unten bleiben. Oder, wie es in der modernen Sprache mancher großen Unternehmen heißt: up or out – rauf oder raus. Doch auch, wenn das Hochhinaus nur einige hochbringt und insgesamt auf Kosten vieler geht, sind alle von dieser Gewalt geprägt. Es ist die eine Sprache, die alle sprechen und alle verstehen.

Vom Bauwerk
„Gegengeschichte“

Wo die imperialen Türme bis an den Himmel wachsen, bleibt Gott mit der Berufung von Abraham und Sara seiner Vision der Mitmenschlichkeit treu. Abraham und Sara kommen in ihrer Berufung in Berührung mit der Wirklichkeit und Möglichkeit einer Welt, die von Schöpfung an gedacht war, in der gesegnetes Leben anderen zum Segen wird: Ich werde dich zu einem großen Volk machen und dich segnen und deinen Namen groß machen. Werde so selbst ein Segen! Ich will segnen, die dich segnen; wer dich erniedrigt, den verfluche ich. In dir sollen sich segnen lassen alle Völker der Erde. Gen 12,2-3

Hier beginnt eine Gegengeschichte, die später mit dem Namen „Israel“ verbunden wird. Es ist der Beginn und die Beauftragung, die Erde in eine Welt zu verwandeln, in der Menschen einander zum Segen werden. Von diesem Israel heißt es, dass Rachel und Lea es „bauten“. Rut 4,11 Beide sind Ehefrauen Jakobs, der später Israel heißt. Zwei Schwestern, die um Jakobs Liebe kämpfen, aber nicht an Eifersucht zerbrechen, sondern es schaffen, letztlich in Frieden miteinander zu leben. Sie und ihre Sklavinnen Silpa und Bilha sind die Mütter von zwölf Söhnen, mit denen sie das „Haus Israel“ bauen. Die Gegengeschichte ist zugleich Bauwerk und Gegenbild zu einer von imperialer Macht und Architektur geprägten Gewaltkultur.

Charakteristisch für die biblische Gottheit ist, dass sie sich nicht an Orte und Gebäude bindet und dort bestaunen lässt. Sie ist vielmehr unterwegs mit Menschen und lässt sich in diesem Bauwerk „Israel“ unter Menschen finden. In einer kleinen Streitgeschichte um den Tempelbau zu Davids Zeiten 2 Sam 7 wird dieser Gegensatz von „Menschen“ und „Häusern“ explizit zum Thema: König David ist beseelt von der Idee, einen Ort zu errichten, wo Menschen mit Gott in Berührung kommen. Er will dem Gott Israels einen Tempel bauen. Überraschenderweise werden seine Baupläne jedoch vom Propheten Natan gestoppt. Und nun wird – in Abgrenzung von Davids Tempelbauplänen – eine andere Vorstellung von Gottes Gegenwart in der Welt und Geschichte entworfen.

4In dieser Nacht ereignete sich das Wort der EWIGEN für Natan: 5„Geh, und sag zu David: So spricht die EWIGE: Du willst mir ein Haus bauen, in dem ich wohnen soll? 6Also wirklich: Ich habe nicht in einem Haus gewohnt seit dem Tag, an dem ich die Töchter und Söhne Israels aus Ägypten herausgeführt habe, bis zum heutigen Tag. … Vielmehr: so kündigt die EWIGE dir an, dass die EWIGE dir ein Haus schaffen wird. 16Dein Haus und dein Königtum werden vor dir in Ewigkeit Bestand haben, und dein Thron wird in Ewigkeit fest stehen.“

Israels Gottheit lehnt den Tempelbau zunächst ab und verspricht stattdessen, selbst ein Haus bauen. David hört: „Nicht du wirst mir (Gott) ein Haus bauen“, 7,5 sondern „die EWIGE wird dir ein Haus schaffen“. 7,11 Die Erzählung spielt mit der doppelten Bedeutung des Wortes Haus. Ein Haus ist ein Gebäude. Ein Haus ist aber auch eine große Familie, die über Generationen Bestand hat. Davids Pläne, Gott ein Haus zu bauen, werden zurückgewiesen; stattdessen baut Gott an David und seiner Familie und verspricht: „Dein Haus und dein Königtum werden vor dir in Ewigkeit Bestand haben, dein Thron wird in Ewigkeit fest stehen“. 7,16

Ich übersetze das in unsere Sprachwelt: Die Arbeit, die David für Israels Einheit und Frieden getan hat, wird für alle Zeit Bedeutung haben. Statt, dass David einen Ort errichtet, wo Menschen mit Gottes Ewigkeit in Berührung kommen, macht Gott David zu dem Ort, an dem wir mit Gott und seiner Ewigkeit in Berührung kommen. Dabei werden der Endlichkeit des menschlichen Lebens keine Unsterblichkeitsträume entgegengesetzt. Vielmehr wird der Vergeblichkeit unseres Lebens Gottes Verheißung entgegengesetzt. Den Autorinnen und Autoren der Erzählung steht der desaströse Verlauf der Geschichte Davids vor Augen. Sie erzählen, dass David selbst durch Machtmissbrauch dazu beiträgt, Israel wieder zu zerstören. 2 Sam 11-20 Das Böse beginnt mit der Vergewaltigung Batsebas und der Ermordung ihres Mannes Uria durch David und setzt sich von da aus fort. Doch unsere Mütter und Väter im Glauben wagen zu denken, dass das Schlechte sich nicht durchsetzt. Gott zeigt sich in seinem Bauwerk „Gegengeschichte der Mitmenschlichkeit “, indem er Menschen Bedeutung gibt über Zeit und Generationen und dafür einsteht, dass Unrecht die Früchte ihres Engagements nicht kaputt machen kann.

Von Steinen und Brettern

Nach dieser Zurückweisung des Tempelbaus könnten wir auf die Idee kommen, Häuser und Städte, Tempel und Kirchen – das alles sei unwichtig. Aber dem ist nicht so. Der Tempel wird in der nächsten Generation nach David gebaut, und auch wir bauen Kirchen und Gemeindehäuser, trotz der Zusicherung, dass die Gemeinde selbst der Tempel Gottes ist.. etwa 1 Kor 6,19

In der Geschichte von Gott und Menschen entstehen besondere Bauwerke aus Steinen und Brettern, weil Gott unter Menschen Raum gewinnt und aus dieser besonderen Erfahrung besondere Orte erwachsen. Sie sind ein Zeichen von Hilfe und Geborgenheit, die wir erfahren haben, von geteiltem Brot und geteiltem Leid. Erwachsen aus besonderen Erfahrungen, ermöglichen sie – wenn es gut ist – wiederum besondere Erfahrungen. Hier wird gefeiert und geteilt. Menschen bekommen Asyl. Wir schulen einander in Erbarmen und Widerstand gegen Verrohung. Wir hoffen füreinander und miteinander auf den kommenden Tag, an dem der Hunger nach Brot, nach Leben und nach Gerechtigkeit gestillt ist. Und wir stärken einander in der Gewissheit, dass unser Leben und Tun nicht verloren geht, sondern mitwirkt an der Fülle des Lebens für alle, zu der hin Gott unterwegs ist. Es sind Erfahrungsräume, die Gottes Nachhausekommen in die Welt vorbereiten und vorwegnehmen.

Das Bild dieser Hoffnung, dass einmal die ganze Welt das Haus Gottes sein wird, ist am Ende der Bibel in der Johannesapokalypse eine Stadt. Johannes sieht einen neuen Himmel und eine neue Erde ohne Tränen und ohne Gewalt, und Gott wohnt unter den Menschen. Sinnbild dieser neu gewordenen Welt ist eine Stadt, die vom Himmel zur Erde herabkommt – das neue Jerusalem. Offb 21,1.2 Diese Stadt kommt in der Vision des Johannes zwar aus dem Himmel, doch sie ist zugleich Produkt der menschlichen Geschichte. Ihre Tore sind die Frauen und Männer Israels, 21,12 die Grundsteine ihrer Mauer sind die Apostel*innen, 21,14 ihr Licht ist Jesus. 21,23 Ja, die Stadt selbst ist das Symbol für menschliche Geschichte.

Die erste Stadt, von der die Bibel erzählt, entsteht im Kontext von Gewalt als Gegen-Ort zu dem von Gott gepflanzten Garten. Gen 4,17 Doch hier, am Ende, sind Stadt und Garten keine Gegensätze mehr. Eine Gartenstadt mit dem Baum des Lebens in ihrer Mitte ist das Bild dafür, dass Gott die Geschichte der Menschen nicht wegwischt, sondern aufnimmt und vollendet. Das Gedächtnis Gottes richtet menschliches Tun auf und gibt ihm die Macht, die Welt in ein Paradies zu verwandeln. Das ist typisch für die biblische Gottheit. Sie geht an die Schmerzpunkte unserer Geschichte, um sie zu verwandeln. Mögen Städte Sinnbild sein für menschliche Gewaltgeschichte – Gott will unsere Städte verwandeln, wie Dorothee Sölle gedichtet hat: „An unseren Städten wird man sehen, dass hier die Söhne und Töchter Gottes wohnen.“

Der alte Streit, ob Menschen das Reich Gottes bauen oder Gott mit seinem Reich alle menschliche Geschichte abbricht, erübrigt sich. In der Vision haben beide recht. Denn vom Himmel her bricht die neue Stadt in die menschliche Geschichte hinein. Das Reich Gottes entwickelt sich nicht geradlinig aus der menschlichen Geschichte. Und doch ist eine Stadt – per definitionem Produkt menschlicher Geschichte – das Symbol für den neuen Himmel und die neue Erde. In Worte gefasst heißt das Bild der vom Himmel kommenden Stadt: Gott richtet das Werk unserer Hände auf und gibt ihm Welt verändernde Macht. Wir hoffen auf Gottes neuschaffendes Tun und wissen zugleich, dass unsere Geschichte die Baustelle ist, in der die Steine gefertigt werden, aus denen Gott die Welt als „Haus Gottes“, einem Lebensort für Mensch und Kreatur errichtet.

Prof.in Dr. Klara Butting leitet das Zentrum für biblische Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung an der Woltersburger Mühle. Sie ist Mitherausgeberin der Jungen Kirche und apl. Professorin an der Universität Bochum. www.woltersburger-muehle.de; www.jungekirche.de

Anmerkungen
1) Soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, folgen dieses und alle weiteren Schriftzitate der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache. – siehe www.bibel-in-gerechter-sprache.de
2) Zur Übersetzung und Textauslegung siehe Gerard Minnaard, Das Geheimnis der Humanität. Eine nicht religiöse Auslegung der Bibel für Menschen, die vielleicht an Wunder, aber nicht an Mirakel glauben, Uelzen 2020, 15-21.


Für die Arbeit in der Gruppe

von Luise Metzler und Margot Papenheim

Zeit/ca. 120 Minuten

Hinweis für Leiter*innen: Der Vorschlag für die Bibelarbeit greift zwei Aspekte der obigen Bibelarbeit auf. Wenn Sie beide Teile aufgreifen wollen, empfiehlt es sich, sie auf zwei Treffen zu verteilen.

– am Ende den TN zur Vertiefung die vollständige Bibelarbeit in Kopie mitgeben

1 | Gottes Bauplan

Hinführung: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“ – der erste Satz der Hebräischen Bibel ist nicht
nur jüdischen und christlichen Menschen vertraut. Und auch, dass, nachdem alles andere fertig ist, Gott
am 6. Tag „den Menschen zu seinem Bilde … als Mann und Frau“ erschafft und segnet. So Gen 1,24-27 in der Übersetzung der Lutherbibel 2017. Kleinteiliger wird die Geschichte im nächsten Kapitel Gen 2 noch einmal erzählt. Hier fällt Gott plötzlich auf, dass es „nicht gut (ist), dass der Mensch allein sei“ (2,18); darum lässt Gott „einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen“ und „baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm“ (2,21f).

Gedanken und Gefühle teilen: Welche Gedanken, Gefühle und Bilder kommen Ihnen dazu?

Kopien Gen 1,26f und 2,18-22 in den Übersetzungen Luther 2017 und Bibel in gerechter Sprache verteilen und lesen:
1,26Da sprach Gott: „Wir wollen Menschen machen – also unser Bild, etwa in unserer Gestalt.“ … 27Da schuf Gott Adam, die Menschen, als göttliches Bild, als Bild Gottes wurden sie geschaffen, männlich und weiblich … hat Gott sie geschaffen. … 2,18Dann sagte Adonaj, also Gott: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will für ihn eine Hilfe machen, so etwas wie ein Gegenüber.“ … 21Da ließ Adonaj, also Gott, einen Tiefschlaf auf das Menschenwesen fallen …, nahm eine von seinen Seiten und
…22formte … die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau und brachte sie zu Adam, dem Rest des Menschwesens.“

Austausch: In welchen Formulierungen unterscheiden sich die beiden Übersetzungen? – unterschiedliche Formulierungen stichwortartig auf A4-Blättern notieren und in die Mitte legen

Input: Rippe oder Seite? Die Übersetzung des hebräischen zela mit „Rippe“ ist falsch. Laut Wörterbuch bezeichnet zela die „Seite“ etwa der Bundeslade (Ex 37,3) oder des Altars (Ex 38,7). Sie kann auch einen Türflügel (1 Kön 6,34) oder die „Seite“ eines Berges (2 Sam 16,13) meinen. Im heutigen Hebräisch ist zela auch derjenige Teil des Körpers, mit dem siamesische Zwillinge zusammengewachsen sind. Die griechische Übersetzung gibt zela in Gen 2,21-22 mit pleura („Seite“) wieder. Pleura bezeichnet die Seite eines menschlichen Körpers. Genauso ist es im Neuen Testament, z.B. in Joh 19,34: „Einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine (Jesu) Seite“ (Luther 1984). Erst durch die Vulgata, die lateinische Bibelübersetzung, wird das hebräische zela in Gen 2 zu lateinisch costa („Rippe“). Diese Bedeutung ist international in den meisten Bibelübersetzungen zu finden. Auch jüdische Übersetzungen wie Buber/ Rosenzweig und Zunz wählen „Rippe“. Die Vorstellung, die Frau sei aus einem überflüssigen Knochen des Mannes erschaffen, prägt viele Bibelauslegungen und Predigten. Anders klingt es in der Bibel in gerechter Sprache: „Dann formte Adonaj, also Gott, die Seite, die sie dem Menschenwesen entnommen hatte, zu einer Frau um und brachte sie zu Adam, dem Rest des Menschenwesens“ (Gen 2,22).1

Austausch: Verändern sich unsere Bilder und Gedanken über „Natur“ und „gottgewollte Ordnung zwischen Männern und Frauen“, wenn wir „Rippe“ durch „Seite“ ersetzen?

Input: Klara Butting weist in ihrer Bibelarbeit auf ein weiteres unheilvoll wirkmächtiges Missverständnis der biblischen Erzählung von der Erschaffung der Menschen hin: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ ist kein Gebot für Singles, sondern Selbstverpflichtung Gottes – und Auftrag, dass „der Mensch Mitmensch werden soll“ Was verändert es, wenn wir diesem Gedanken folgen?

Kurze Schlussrunde: Welche Gedanken nehme ich mit nach Hause?

Lied
Ich kenne Gottes Ruf
und bin dazu bereit
Durch Hohes und Tiefes, 385 2

2 | Gottes neue Stadt

Hinführung: Im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung, sieht Johannes einen neuen Himmel und eine neue Erde ohne Tränen und ohne Gewalt, und Gott wohnt unter den Menschen. Sinnbild dieser neu gewordenen Welt ist eine Stadt, die vom Himmel zur Erde herabkommt – das neue Jerusalem (Offb 21,1-2).

Austausch: Wie müsste eine Stadt aussehen, in der diese Vision Wirklichkeit geworden ist?
Längs halbierte A4-Blätter (als „Bausteine“ der neuen Stadt) und Filzstifte in die Mitte legen; die TN besprechen die Frage in Murmelgruppen und halten ihre Ergebnisse auf den „Bausteinen“ fest. Dann auf einem Tisch in der Mitte „zusammenbauen“ und das entstandene Bild besprechen, eventuell weitere Bausteine ergänzen.

Austausch: Wo sehen wir schon jetzt etwas davon?

Lied
Der Himmel, der ist, eg 153

Austausch: Wer baut eigentlich die „neue Stadt“, Gott? Oder doch wir Menschen?

Kopien der letzten drei Absätze der Bibelarbeit (ab „Das Bild dieser Hoffnung, dass einmal die
ganze Welt das Haus Gottes sein wird…“) verteilen; gemeinsam lesen – die TN markieren ihre Texte mit ? für Erklärungsbedarf, für Zustimmung und für Widerspruch. Nach Klärung der Fragen Austausch
zu den Smileys und Smolly. Ziel ist der Austausch von Gedanken, nicht ein gemeinsames Ergebnis!

Kurze Schlussrunde: Welcher Gedanke, welcher Satz hat mich heute besonders berührt?

Lied
Sonne der Gerechtigkeit, eg 262 oder
Gloria sei dir gesungen, eg 535

Anmerkungen
1) Text mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen übernommen aus:
Luise Metzler, Katrin Keita: Fragen und Antworten zur Bibel in gerechter
Sprache, Gütersloh 2009, S. 121.
2) abgedruckt in LS 1-2019 #anstiften, S. 81.

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang