Ausgabe 1 / 2015 Artikel von Claudia Faust und Simone Kluge

Wenn ich einmal reich wär`…

Nachdenken über Geld und Glück

Von Claudia Faust und Simone Kluge


… o je wi di wi di wi di wi di wi di wi di bum! Der Milchmann Tevje – die jiddische Koseform des hebräischen Namens Tuvia – lebt mit seiner Frau Golde und seinen fünf Töchtern in Armut. Trotz drohender Pogrome im zaristischen Russland bewahrt Tevje seinen Lebensmut und seinen Humor und malt sich aus, wie es wäre reich zu sein:

Brauchte nicht zur Arbeit, o je wi di wi di wi di wi di wi di wi di bum,
wäre ich ein reicher wi di wam, ei del dei del ei del dei del Mann.
Ich bau' den Leuten dann ein Haus vor die Nase, hier in die Mitte uns'rer Stadt
mit festem Dach und Tür'n aus ­geschnitztem Holz.
Da führt ‚ne lange breite Treppe hinauf und noch eine läng're führt hinab,
so ein Haus, das wär' mein ganzer Stolz.
Mein Hof wär' voll von Hühnern, ­Gänsen und Enten und was da sonst noch kräht und schreit.
Alles quakt und schnattert, so laut es kann.
Das ist ein Quak und Quiek und Tüt, ­Kikeriki, ja, ein Spektakel weit und breit!
Und jeder hört: hier wohnt ein reicher Mann.


Herr, du schufst den Löwen und das Lamm.
Sag', warum ich zu den Lämmern kam.
Wär' es wirklich gegen deinen Plan,
wenn ich wär' ein reicher Mann?

Impuls: Wer von uns hätte nicht schon mal darüber nachgedacht, wie es wäre reich zu sein. – Was fällt Ihnen spontan dazu ein? Wie viel Geld ist „reich“ für Sie? Wem würden Sie davon erzählen? Was würden Sie dann machen? Was würden Sie unbedingt besitzen wollen? Was würde sich für Sie verändern?

Je eine Frage auf ein Kärtchen schreiben (Kärtchen in der Anzahl der TN; ggf. Fragen mehrfach aufschreiben) – die TN ein Kärtchen ziehen lassen, um dann persönlich zu antworten; anschließend Rundgespräch im Plenum – alternativ bei größeren Gruppen: zunächst alle Karten ziehen lassen und Gesprächsgruppen zu den jeweils gleichen Fragen bilden

Viele Menschen träumen davon, reich zu sein. Der Anteil der LottospielerInnen in der Bevölkerung ist beträchtlich. Lotto „6 aus 49″ ist nach wie vor das mit Abstand populärste Glücksspiel in Deutschland. Lotto wird häufiger von Männern als von Frauen gespielt (36,5 Prozent / 26,3 Prozent). Insgesamt ist die Beteiligung am Lotto allerdings rückläufig; während im Jahr 2009 noch 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung „6 aus 49″ spielten, waren es 2011 noch 31,5 Prozent und 2013 nur noch 25,2 Prozent.1 Immerhin: mehr als ein Viertel der Menschen über 18 Jahre in diesem Land.

Impuls: Kennen Sie LottospielerInnen? Gehören Sie selbst dazu? Nach welchem System gehen Sie vor? Spielen Sie immer dieselben Zahlen? Was macht den Reiz dieser „Geldausgabe“ aus? Unterscheidet sie sich von anderen Spiel- und Gewinnmöglichkeiten wie etwa Preisausschreiben, Anrufen bei Quizsendungen im Fernsehen?

Impuls: Kennen Sie eine oder einen, der oder die schon einmal im Lotto oder bei anderer Gelegenheit etwas gewonnen hat?


Geld und Glück

Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung2 haben knapp 4.200 Menschen zwischen dem Lotto-Start 1955 und September 2005 „sechs Richtige“ getippt. Aber 80 Prozent derjenigen, die den Jackpot knacken, haben bald danach schon wieder Schulden. Der Zeitungsartikel ist mit „Hilfe, ein Lottogewinn“ überschrieben – die Zwischenüberschriften reichen von „Immobilien, Autos und Reisen“ über „Nichts als Unglück“ bis „Kurzes Glücksgefühl“. Forschungen in den Vereinigten Staaten hätten gezeigt, dass schon nach einigen Wochen das subjektiv empfundene Glück auf dem gleichen Niveau liege wie das von querschnittsgelähmten Unfallopfern. Schuld daran sei das, was WissenschaftlerInnen hedonistische Anpassung nennen: Weil unser Körper ständige Hochs oder Tiefs nicht aushalten könne, steuere er selbst dagegen an. Der Artikel endet mit den Worten: „Wie gut, dass den meisten von Ihnen dieses Schicksal erspart bleiben wird: Bei 1 zu 140 Millionen liegt die Chance, beim deutschen Lotto den Jackpot zu knacken und zum Lottomillionär zu werden.“

Impuls: Geld allein macht nicht glücklich, weiß der Volksmund. Sicher kennen Sie auch die Verulkung dieses Spruches: Geld allein macht nicht glücklich, aber es schadet auch nicht. Oder auch: Geld allein macht nicht glücklich, aber es beruhigt. Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie Geld so eingesetzt werden kann, dass es nicht schadet. Nein, vielleicht sogar zum Glück beiträgt – in der Familie oder auch in Ihrer Kirchengemeinde.

Vielleicht hilft beim Überlegen der Hinweis, den die VerhaltenswissenschaftlerInnen Elizabeth Dunn und Michael Norton in ihrem Buch „Happy Money: The Science of Smarter Spending“3 geben: Gemeinsame Erlebnisse mit Menschen, die man gerne habe, trügen viel stärker zum Wohlbefinden bei als der Kauf materieller Güter. Entscheidend sei, welcher Art und Qualität die Erlebnisse seien, in die man investiere. Der schönste Familienausflug habe nicht wirklich einen Wohlfühl-Effekt, wenn man stundenlang irgendwo auf den Bus warten müsse. Dunn und Norton empfehlen, sich genau zu überlegen, ob man von einem geplanten Ausflug auch noch Jahre später erzählen würde. Wenn ja: Auf geht's!4

Kleingruppen:
„Wovon ich auch Jahre später noch erzählen würde …“
Bilden Sie Kleingruppen und kommen Sie miteinander ins Gespräch. – Entwickeln Sie zunächst eine Idee zu einem Projekt, von dem Sie auch Jahre später noch erzählen würden. Dann überlegen Sie, wen Sie wie dafür gewinnen wollen und was Sie an Ressourcen dafür brauchen. Wann und wie kommt die Frage nach Geld ins Spiel und wie antworten Sie darauf?
Wenn Sie diese Fragen geklärt haben, gestalten Sie ein Plakat, mit dem Sie für Ihre Projektidee werben möchten oder schreiben Sie eine Annonce von der Art „Suche + Biete“, z.B. für Ihre Tageszeitung oder einen Aushang im Supermarkt. – Die Ergebnisse werden im Plenum vorgestellt.

Abschluss: Fragen wir uns noch einmal: Was macht mich reich?

Jede schreibt auf einen kleinen Zettel drei Wörter oder kurze Sätze, die dann vorgelesen und in die Mitte gelegt werden.

Fassen wir unsere eigenen Gedanken zusammen in einem Gedicht von Mascha Kaléko5 – ein Gedicht, dass wir auch als Gebet verstehen können:

Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen ­Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder ­blühen.
– Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß ­Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß ­Fische schweigen.
Ich freu mich, daß der Mond am ­Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn ­dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf ­verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, daß ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter:
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm ­vorgeschrieben,
– Weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
Und an das Wunder niemals ganz ­gewöhne.
Dass alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freu mich, daß ich … Daß ich mich freu.

Idee: Jede bekommt zur Erinnerung einen Schokotaler, der mit dem folgenden Vers beklebt ist: „Versuche den Faden deines Glücks selbst zu spinnen. Wer weiß, welch Wunderwerk dabei entsteht.“ Christa Spilling-Nöker


Claudia Faust, arbeitet als Ordinierte Gemeinde­pädagogin im Kirchenkreis Mühlhausen/Thüringen. Als Lehrbeauftragte an der Evangelischen Hochschule Berlin und in der landeskirchlichen Vikariatsausbildung bietet sie Fortbildungsseminare in Spiel- und Theaterpädagogik an.

Simone Kluge, Mitglied im Redaktionsbeirat der ahzw, ist Referentin für Frauenarbeit bei den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland und stellvertretende Leiterin der Dienststelle.


Anmerkungen
1) Quelle: Ergebnisbericht „Glücksspielverhalten und Glücksspiel-sucht in Deutschland 2013″ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung; mehr unter: www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=557733&aktion=jour_pm
2) FAZ vom 25.09.2005, Nr. 38, Seite 57
3) Wörtlich übersetzt „Glückliches Geld: Die Kunst des gescheiteren Ausgebens“; auf Deutsch ist das Buch 2014 (books4success) erschienen unter dem Titel: Happy Money – So verwandeln Sie Geld in Glück.
4) https://de.finance.yahoo.com/blogs/behavioral-finance/mehr-geld-macht-nicht-gl%C3%BCcklich-%E2%80%93-geldausgeben-aber-schon-094600746.html
5) aus: Mascha Kaléko: In meinen Träumen läutet es Sturm. © 1977 Deutscher Taschenbuch Verlag, München

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