Ausgabe 1 / 2010 Material von Lilo Wollny

Wie die Gorleben-Frauen geboren wurden

Von Lilo Wollny


Wir hatten uns irgendwann überlegt, dass sich die Frauen aus der Bürgerinitiative einmal ohne Männer treffen wollten. Wir wollten einfach zusammen Kaffee trinken und uns richtig ausquatschen. Bei der Gelegenheit wurde dann auch gleich irgendeine Aktion geboren. Und das hat sich so fortgesetzt. Der Name „Gorleben-Frauen“ kam daher, dass wir, als die ersten Bäume abgeholzt wurden für die erste Tiefbohrung, ein Picknick organisierten. Ich setzte also einen Aufruf in die Lokalzeitung, da kam drin vor: Kinder, Hunde und Männer dürfen mitgebracht
werden, und zieht euch warm an, es kann lange werden. Denn wir wollten uns bereits abends treffen, um morgens schon da zu sein. Die Zeitung sagte, da müsse aber ein Name unter dem Aufruf stehen. Und weil mir nichts anderes einfiel, sagte ich „Die Gorleben-Frauen“. Damit waren sie geboren und von ihnen sind, glaube ich, die wichtigsten Aktionen mit ausgegangen.

1980 haben wir ein internationales Frauentreffen organisiert, zu dem 3.000
Frauen anreisten; und da kam zum ersten Mal die Geschichte mit den Männern auf. Für uns war es selbstverständlich, dass wir mit Männern zusammenarbeiteten. Bei dem Frauentreffen haben wir aber gesagt: Diesmal gehen die Frauen nach vorne und machen die Presse, und die Männer braten Würstchen, verkaufen Erbsensuppe, kochen Kaffee. Aber plötzlich kamen diese Feministinnen, die gelesen hatten: Frauentreffen in Gorleben. Wir hatten naiv gedacht, die interessieren sich für das, was hier los ist. Aber ganz vielen war Gorleben gar kein Begriff, die hatten nur gelesen, dass es da ein internationales Frauentreffen gibt. Und plötzlich knallte das aufeinander: Was wollen die Macker hier, wir dachten, das sei ein Frauentreffen? Wir waren völlig von den Socken. Aber eigenartiger Weise haben sich auch diese Dinge gegenseitig befruchtet: Wir haben ein bisschen mehr von Emanzipation gelernt, und viele von den Frauengruppen haben später geschrieben, sie hätten festgestellt, dass sie sich um mehr kümmern müssten als um ihre speziellen Frauenprobleme. Also das war gar nicht so schlecht.


Lilo Wollny

Auszug aus einem Interview aus dem Jahr 1996
vgl. Porträt S. 29-31

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