Heidi Klum, Marilyn Monroe, die Mutter mit Kind, die alte Frau auf der Parkbank, die Freundin, Petra Gerster, Mutter Theresa, Hannelore Elsner, eine Tochter oder die Frau auf dem Titelbild der Zeitschrift. Welche ist schön? Wir erfahren uns selbst im gesellschaftlichen Kontext, also in unserem sozialen Umfeld. Wir sind Einzelne, auf die etwas wirkt und wir wirken selbst mit. Das geschieht auf vielen Ebenen, im Kleinen wie im Großen, in der Familie wie in den Medien. Regeln, Erwartungen prägen uns, wir leben mit ihnen. Wir verinnerlichen sie, aber wir stellen sie auch in Frage. Was hat das alles mit Schönheit zu tun?
Material: CD-Player mit meditativer Musik für die Körperübung; ein Spiegel, der im Flur oder Vorraum des Veranstaltungsraumes aufgestellt ist; von den Teilnehmerinnen mitgebrachte Fotos, die sie selbst zeigen; Psalm 139
Zeit: 1-1,5 Stunden werden benötigt, wenn der folgende Vorschlag komplett umgesetzt wird. Es ist aber auch möglich, später einzusetzen, z.B. ab dem Abschnitt „Maskerade“. In dem Falle wäre mit ca. einer halben Stunde zu rechnen.
Ablauf
Die Frauen bringen Bilder aus ihrer Kinder- und Jugendzeit mit, diese werden um / in die Mitte gelegt. Alle Frauen gehen herum und sehen sich die Bilder an, ohne zu wissen, welche abgebildet ist. Danach könnte ein Gespräch über die Eindrücke der Frauen im Kreis stattfinden. Schließlich können die Frauen noch jeweils eines ihrer eigenen Bilder aufnehmen und etwas zur Frage „Wie finde ich mich selbst?“ erzählen.
Zum Abschluss der Einstiegsrunde liest die Leiterin folgende Antwort auf die Frage „Wie finde ich mich selbst?“ vor:
Drei Fotos stehen vor meinem inneren Auge. Das erste: eine grüne Wiese mit hohen Gräsern und Blumen, ein etwa fünfjähriges Mädchen im rosa Rüschenkleid und mit Zöpfen pflückt versonnen einen Strauß. Das zweite: ein dickes Kind sitzt da im Babykleidchen, etwa ein Jahr alt, lacht. Das dritte Foto: ein Mädchen, etwa 15 Jahre alt, kurze Haare, karierte Jacke, schwarze Hose, sitzt auf einer Mauer, blickt sehr ernst.
Diese Fotos haben mich inspiriert bei der Suche nach meiner eigenen Schönheit. Sie werfen mir Fragen förmlich vor die Füße. Es sind Fotos von mir. Wie finde ich mich? Wie sehen mich oder wie sahen mich andere? Alle drei Bilder reizen mich zu der Feststellung: Das bin nicht ich! Das „Mädchen im rosa Kleid“ ist ein schönes Bild, ein Vorzeigebild. Andere können mich darauf schön finden, das hat aber nichts mit mir zu tun. Ich selbst finde mein „Ich“ darin nicht wieder. Bin ich nur ein Objekt, ein schönes Motiv? Mit dem Bild vom Kleinkind ist es ähnlich. Omas und Eltern hatten vielleicht Freude an dem „Wonneproppen“ – ach, was für ein schönes, gut genährtes Kind, das ihnen da entgegenlacht! Ich finde mich keineswegs schön. Ich möchte jetzt wissen: Waren die Eltern stolz auf mich, haben sie mich geliebt? Das dritte Foto muss ich genauer ansehen. Mit den Augen anderer betrachtet bin ich dort weder schön noch hübsch. Die unweibliche Frisur, die etwas linkische Körperhaltung, das so ernste Gesicht: nicht lieblich, kein „richtiges Mädchen“, kein Vorzeigebild. Aber ich empfinde mich ungeschminkt und unverwechselbar. Beim Betrachten fühle ich mein Ich, ich bin Subjekt. Viele Gedanken an die Zeit meines Heranwachsens kommen plötzlich an die Oberfläche…
Wir sind Gottes gute Schöpfung. Dieses „gut“ beinhaltet auch „schön“ als sinnliche Komponente. Gut, schön und ganz hat Gott uns geschaffen. „Und siehe, es war sehr schön.“ (1. Mose 1,31) Wir sind mit Leib und Seele Gottes gute Schöpfung. Nehmen wir uns als diese Schöpfung an? Wie und wann können wir uns bejahen?
Schauen wir in den Spiegel. Prüfende Blicke richten sich auf uns selbst. Unmut steigt auf: Furchen über der Nasenwurzel, „Rollen“ um die Hüften. Diese kurzen Beine! Und die Bluse sitzt so schlecht! Wir spüren Unzufriedenheit mit dem Körper oder durch den Körper. „Das, was ins Auge fällt“, ist sofort in unserem Sinn. Im Unbewussten haben wir auch vieles gespeichert, das nun wirkt: Die Bewertung unseres Körpers durch andere. „Wie siehst du denn schon wieder aus!“ Da waren abschätzige Blicke auf dem Schulhof, die Bemerkung eines Klassenkameraden, in den wir verliebt waren, oder die Erinnerung, dass die neue Hose an der besten Freundin viel besser aussah. Da wurden wir beim Tanzball erst ganz zum Schluss aufgefordert. Wir fühlten uns abgehängt, nicht akzeptiert, nicht wahrgenommen, nicht ernst genommen: eben nicht schön.
Und nun stehen wir vor dem Spiegel. Wie geht es uns jetzt gerade?
Wir könnten uns spüren, und wir könnten durch das Äußere hindurch ins Innere schauen. Aber meist sind unsere Blicke in den Spiegel flüchtig, und dann legt sich immer wieder die „Bewertung“ wie ein Regencape um uns herum. Auch wir selbst legen uns dieses Cape immer wieder an.
Dann gibt es andere Tage, an denen wir entspannt und gut gelaunt mal eben vor dem Spiegel verweilen. Wir lachen uns zu. Oh, das war gut heute! Arbeit gelungen, Bus nicht verpasst, freundliche Worte im Laden bekommen, die Kinder sind wohlbehalten bei den Großeltern angekommen. Nun freue ich mich auf den Abend.
Ich sehe mich an: Ich bin zufrieden. Die etwas zu enge Bluse stört mich nicht, denn mir geht's gut. Ich fühle mich wohl „in meiner Haut“, denn mit meinen kurzen Beinen stehe ich mitten im Leben, fest. Furchen auf der Stirn sind nicht zu entdecken, und der Blick aus den Augen ist klar. Ich bin ganz ich selbst, mein Körper und meine Seele sind ganz. So, wie ich von Gott gemacht bin, bin ich schön. Die Urteile, die Meinungen der anderen, die negativen Erinnerungen von früher sind gerade unwirksam.
„Sich schön machen“ hat für uns Frauen zwei Seiten. Die eine ist verbunden mit Lebensfreude und dem wunderbaren Gefühl, das wir haben, wenn wir uns selbst gefallen. Doch darüber legt sich sogleich eine andere Seite, nämlich die der gesellschaftlichen Erwartungen, die sich an Frauen und ihr Äußeres richten. Es ist sehr schwierig, beide Seiten scharf voneinander zu trennen. Wenn Frauen sich „schön machen“, weil sie attraktiv sein und sich bewundern lassen wollen, bedeutet das ja zunächst Lebensfreude und Selbstgefallen. Doch das Schönmachen gerät zur Maskerade, wenn Frauen damit in eine andere Rolle schlüpfen. Wenn sie versuchen, sich mit Kleidung, Schuhen, Schminke, Haarentfernungen, Sonnenstudio, Pillen, Frisör, Peelings und Nagelstudio oder auch durch Operationen in Frauen zu verwandeln, die dem Bild von schönen Frauen in der Öffentlichkeit entsprechen. Viel Geld, Zeit und Mühe wenden Frauen (und inzwischen auch immer mehr Männer) dafür auf.
Colette Dowling spricht von „kosmetischer Tarnung“ und sieht diese in der Suche nach Identität begründet.(1) Viele Frauen gäben sich nach außen den Anstrich gelassenen Selbstbewusstseins, während sie innerlich verwundbar und anfällig für Selbstzweifel seien. Rita Freedmann zeigt, dass sich viele Frauen nach Anerkennung sehnen und gesehen werden möchten.(2) Wir könnten überlegen, ob das so ist, und ob wir Wege finden, uns in Situationen ansehen zu lassen, in denen wir nicht befürchten müssen, verletzt zu werden.
Carola Moosbach sagt in einem Gedicht: „Zu Dir aber komme ich Gott wie ich bin / ganz ohne Maske und nur für mich“.(3) Die Bibel erzählt von Hagar, einer Frau, die eine ganz besondere Begegnung mit Gott erfahren hat (1. Mose 16,13). Hagar war als Sklavin den „vernichtenden Blicken“ ihrer Herrin Sara ausgesetzt. Sie flüchtet in die Wüste und erlebt Gottes Beistand an einer Quelle. Sie erfährt den liebevollen, stärkenden Blick Gottes: „Du bist der Gott, der mich sieht.“ Gestärkt aus dieser Gottesbegegnung geht Hagar ihren Weg.(4)
Auch uns sieht Gott an, und wir selbst können uns mit den liebenden und heilenden Augen Gottes sehen. Gott nimmt uns so an, wie wir sind, wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wir können Gott auch in uns erkennen, denn „wir erkennen den Schöpfer in der Schöpfung“.(5) So, wie wir sind, sind wir gut und schön. Wie gut, das kommt besonders im Psalm 139,1-18 zur Sprache, der Zuversicht und Vertrauen ausdrückt. Wir sind als Einzelne wichtig und doch verbunden mit der ganzen Schöpfung. Und wir können uns immer wieder darauf berufen und uns selbst darin aufgehoben fühlen: „Ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind Deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139,14)
– Ich lade dich ein zu einer Körperübung. Bewege dich für kurze Zeit frei
im Raum. Versuche, dabei locker zu werden, richte deinen Blick, wenn
möglich, nicht auf die anderen, sondern bleibe bei dir. Versuche, dein Tempo
zu finden.
Musik etwas lauter drehen, nach ein paar Minuten die Musik langsam leiser drehen
– Suche dir einen Platz, an dem du jetzt eine längere Zeit stehen möchtest.
Suche dir diesen Platz gut aus, es ist dann dein Platz. Stell dich bequem hin,
die Füße hüftbreit auseinander, die Knie leicht eingeknickt.
– So, wie Du jetzt stehst, wirst du einige Minuten stehen müssen. Wenn du
weißt, dass du das nicht so lange aushältst, hole Dir einen Stuhl, so dass du
dich bei Bedarf hinsetzen kannst.
– Wenn möglich, schließe deine Augen. Du kommst nach der Bewegung zur
Ruhe und spürst Deinen Atem. Er kommt und geht, ganz von allein. Du
brauchst nichts dafür zu tun.
– Geh nun mit deiner Aufmerksamkeit in deine Füße, in jeden einzelnen Zeh. Du
kannst mit den Füßen festen Halt auf dem Boden finden, du kannst die Zehen
bewegen. Wunderbar, dass deine Zehen und Füße so sind, wie sie sind!
– Wandere mit deiner Aufmerksamkeit von den Füßen hinauf zu den Waden.
Vielleicht sind sie kräftig. Du kannst die Muskeln spüren. In deinen Waden
verbirgt sich viel Kraft. Wunderbar, dass deine Waden so sind, wie sie sind!
– Jetzt gehst du mit deiner Aufmerksamkeit in deine Knie. Du kannst sie
bewegen, mit ihnen einknicken. Vielleicht schmerzen sie an manchen Tagen,
vielleicht empfindest Du deine Knie als zu breit oder zu spitz. Und doch:
Wunderbar, dass deine Knie so sind, wie sie sind!
Weiter mit den anderen Körperteilen; jeweils dazu einige Bemerkungen überlegen
– Oberschenkel: Wunderbar, dass deine Oberschenkel so sind, wie sie sind!
– Po: Wunderbar, dass dein Po so ist, wie er ist!
– Hüfte: Wunderbar, dass deine Hüfte so ist, wie sie ist!
– Rücken: Wunderbar, dass dein Rücken so ist wie er ist!
– Bauch: Wunderbar, dass dein Bauch so ist, wie er ist!
– Brust: Wunderbar, dass deine Brust so ist, wie sie ist!
– Nacken: Wunderbar, dass dein Nacken so ist, wie er ist!
– Kopf: Wunderbar, dass dein Kopf so ist, wie er ist!
– Nun lockern wir uns und schütteln uns ein wenig und können uns nun
unseren weiteren Vorhaben mit Leib und Seele zuwenden.
Gott,
manchmal wirken die Erfahrungen der Vergangenheit so stark in mir, und ich fühle mich verkannt, klein oder unscheinbar:
Steh mir bei, damit ich die Achtung vor mir selbst wiedergewinnen kann.
Oft vergesse ich, dass Leib und Seele zusammengehören:
Lass du mich die Zeichen erkennen, die mich als Ganze heil sein lassen.
Viele meiner Mitmenschen sind mir wichtig:
Gib mir die Fähigkeit, sie nicht zu bewerten, sondern sie, so wie sie sind, zu akzeptieren.
Oft sehe ich mich mit den Augen der anderen:
Hilf mir, mich anzunehmen und zu erkennen, welche ich bin.
Gott, so wie ich jetzt hier vor dir bin, so hast du mich geschaffen:
Lass mich deine gute Schöpfung sein,
gut und schön.
Amen.
Hanne Finke, 53, ist Dipl.-Pädagogin und arbeitet ehrenamtlich als Landesbeauftragte der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Beruflich ist sie seit zehn Jahren als kommunale Frauenbeauftragte tätig.
Anmerkungen
1 Vgl. Colette Dowling, Der Cinderella Komplex, Frankfurt/M. 1983
2 Vgl. Rita Freedman, Die Opfer der Venus – Vom Zwang schön zu sein, Stuttgart 1989
3 Vgl. Carola Moosbach, „Gotteshunger“, in: Lobet die Eine, Mainz 2000
4 Vgl. Arbeitshilfe zum Sonntag in Solidarität mit Frauen 2004, Frauenwerk der Ev. luth. Landeskirche Hannovers
5 Vgl. Dorothee Sölle, Gott denken, Stuttgart 1994
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum
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