Ausgabe 1 / 2014 Material von Regina Görner

Wie kommt eine Frau zur Politik?

Von Regina Görner


Eher zufällig – ich jedenfalls. Ich habe mich einfach interessiert und wollte mich engagieren. Ich bin geprägt von der historischen Erfahrung mit dem Nationalsozialismus, nach der bewusst war, dass man die Dinge nicht einfach sich selbst überlassen konnte. Ich war und bin bis heute stolz auf die Demokratie, in der ich leben durfte, und war immer davon überzeugt, dass man sich da auch persönlich beteiligen muss. Der Ausspruch Kennedys: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann. Frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst!“, hat meinem Selbstverständnis sehr entsprochen. Und natürlich habe ich mich als Christin, die geprägt wurde von der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanum, auch immer in Verantwortung gesehen, mein Teil dazu beizutragen, dass das Reich Gottes auf Erden ein Stück vorankommen konnte. …

Wie kommt man ohne Quote in die ‚Hohe' Politik?

Gar nicht! Auch Männer übrigens nicht. Das wird meist übersehen: Alle PolitikerInnen verdanken ihre Position irgendeiner Quote. Nicht immer allerdings sind das ausgeschriebene, offene Quoten. Da kommt jemand an seinen Listenplatz, weil man einen Mittelständler unter den profilierten Kandidaten sehen will. Andere stehen für eine bestimmte Region oder eine Altersgruppe, wieder andere für eine bestimmte politische Grundüberzeugung, manche für eine Konfession, jemand vertritt die Migranten oder die freien Träger. Alles das ist in einer repräsentativen Demokratie nicht nur selbstverständlich, sondern unverzichtbar.
Niemand steht nur für sich persönlich, sondern alle SpitzenpolitikerInnen repräsentieren immer eine oder mehrere Gruppen, die man vertreten sehen will. Meist wird das ganz selbstverständlich praktiziert, aber es gibt Problemfelder, bei denen nicht gewährleistet ist, dass das flächendeckend passiert. Da braucht man dann formale Quotierungen. Darin liegt überhaupt nichts Peinliches. Im Gegenteil: Wer sich der Gruppe, für die er steht, nicht bewusst ist und deren Anliegen nicht einbringt, wird wahrscheinlich ohnehin kein zweites Mal gewählt. Und das ist gut so.

Es ist idiotisch, einen Gegensatz zwischen „Qualität“ und „Quote“ zu konstruieren. Die Qualität aller PolitikerInnen liegt nicht zuletzt darin, dass sie die Belange der Gruppe/n, die sie repräsentieren, erfolgreich wahrnehmen. Und wenn sie das können, haben sie längst nachweisen müssen, dass sie politische Kompetenz besitzen. …

Wie oft hattest Du das Gefühl, Dich verbiegen zu müssen, weil Du eine Frau warst?

Nie, denn ich habe mich nicht einschränken lassen. Was von Frauen erwartet wurde, war mir immer ziemlich schnuppe. Es ist eine wesentliche Kraftquelle, wenn man weiß, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Dafür kann man schon gelassen ein paar Einschränkungen hinnehmen. Aber natürlich ist es nicht so, dass man die Erwartungen von außen nicht zu spüren bekommt. Ich habe mich jedenfalls schon als kleines Mädchen geärgert, wenn ich irgendetwas nicht durfte, weil ich „nur“ ein Mädchen war. …

Ist das immer noch ein Thema?

Ja, leider. Ich hätte mir als junge Frau jedenfalls nicht träumen lassen, dass ich noch am Ende meines beruflichen Lebens für Gleichstellung eintreten müsste. …
Auch wenn ich den jungen Frauen wünsche, dass sie ihre Zeit für andere Themen einsetzen können: Meine Erfahrung spricht dafür, dass bis dahin noch viel Zeit vergehen wird. Ich habe in meiner Ministerialzeit mal hochrechnen lassen, wie lange es dauern würde, bis man Gleichstellung von Frauen im Beamtenverhältnis erreicht hätte – ohne weitere Fördermaßnahmen, einfach nur aufgrund der Trends in den letzten Jahrzehnten. Das Ergebnis war: bis zum Jahr 2247. Ich hoffe sehr, dass es soooo lange nicht mehr dauert!


Interviewauszüge aus:
Beate Neuss
Hildigund Neubert (Hgg.)
Mut zur Verantwortung
Frauen gestalten die Politik der CDU
Köln, Weimar, Wien 2013
S. 474-483
© R. Görner und Konrad-Adenauer-Stiftung

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