Alle Ausgaben / 2011 Andacht von Christine Wunschik

Wie mein Sommer duftet!

Andacht zum Innehalten

Von Christine Wunschik

Wie duftet der Sommer, was sind die Düfte des Sommers? Wenn
wir im Internet nach ihnen suchen, landen wir zuerst seitenweise bei Parfüms. Allerdings bekommen wir dort auch ein paar interessante Literaturhinweise. Und natürlich kennen wir das ganze Jahr über „Sommerdüfte“ – aus Weichspülern, Seifen und Raumsprays etwa, allesamt künstliche Düfte.

Ich schlage Ihnen vor, den ursprünglichen Düften auf die Spur zu kommen. Dazu suchen wir am besten in uns selber. Welche also sind meine Sommerdüfte?

Vorbereitung
Die Frauen sitzen im Stuhlkreis oder um einen großen Tisch. Die Leiterin legt Zettel mit den folgenden Begriffen (1 Begriff pro Zettel) in die Mitte.
Für AbonnentInnen unter www.ahzw-online.de zum Herunterladen vorbereitet

– Thymian
– Dill
– Grillabend
– Kamille
– Lavendel
– Nelken
– Phlox
– Heliotrop oder Vanilleblume
– Baldrian
– Kalmus
– Rosen
– Wein-, Bauern- oder Kartoffelrosen
– Kleeblüten mit zartem Honigduft
– Steinklee mit Waldmeisterduft
– Reseda
– Mädesüß mit seinen vielen kleinen weißen Blüten
– Hoya oder Porzellanblume mit ihrem Duft nach Honig und Pfeffer
– Büsche weißer Jasmin
– ein Hauch von Baldrian in einem moorigen Waldstück
– Lindenblüten im Frühsommer
– Rainfarn im Spätsommer
– Gemüsesuppe mit Rosmarin
– Grüne-Bohnen-Suppe
– Fruchtsuppe – Kaltschale
– Weintrauben, klein und duftend
– Pfirsiche
– vollreife Pflaumen
– Erdbeeren
– Getreidefeld
– Wiese
– geschnittenes Gras
– Heu
– Stroh
– Erde
– aufgeweichte Teerstraßen
– Staub
– Sommerabend
– Sommernacht
– Regen
– nach dem Regen
– Eis(diele)
– Ostseeurlaub
– Nordseeurlaub
– Sonnenöl
– Meer, Salz, Wind

Vor Ihnen liegen eine Menge von Vorschlägen und auch Zettel, auf denen Sie weitere Ideen notieren können. Lesen Sie alle in Ruhe und treffen Sie eine Auswahl. Mit einem oder mehreren Zetteln setzen Sie sich dann wieder in unseren Kreis.
Warum haben Sie gerade diese Zettel genommen?

Nun stellen die Frauen reihum ihre Auswahl vor. Entscheiden Sie als Leiterin,
ob die Frauen dann die Zettel in der Mitte bei einem duftenden Blumenstrauß ablegen oder sie behalten sollen.

Lied
Morgenlicht leuchtet (EG 455)

Andachtstext
Unsere Nase ist – neben Augen, Ohren, Zunge und Haut – einer unserer klassischen fünf Sinne. Dass wir Düfte wahrnehmen können, ist ein wichtiges Geschenk in unserem Leben. Meist haben Düfte mit unseren Erinnerungen zu tun, das haben wir beim Austausch in der Runde gemerkt.

Das Wort „Duft“ hat in seiner Entstehung zu tun mit den Worten Dunst, Nebel, Tau, Reif und Staub. Seit dem 18. Jahrhundert bedeutet es „feine Ausdünstung, feiner Geruch“. „Duftend“ ist also „wohlriechend, Duft ausströmend, balsamisch, aromatisch“. „Duftig“ ist etwas „Feines, Zartes oder Hauchzartes, Leichtes, Hauchfeines, Schwebendes“.

Was ich als duftend, wohlriechend und fein empfinde, muss meine Nachbarin nicht unbedingt auch so empfinden. Duft ist also durchaus eine sehr subjektive Sache. Was mir angenehm ist, werde ich als Duft wahrnehmen, vielleicht in meiner Erinnerung mit besonderem Wohlwollen abspeichern. Manches riecht mir zu stark, ist für die andere aber vielleicht ein guter Duft. Geruch ist stärker als Duft – aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

Düfte – wie oft gehen wir schnell irgendwo hin und nehmen sie nur kurz im Vorübergehen wahr. Aber hin und wieder könnten wir den Alltag unterbrechen und uns einen „Duft-Tag“ gönnen. Verweilen wir doch, wenn uns ein Duft zuweht. Vielleicht ist es dann nicht nur ein kurzer Moment des flüchtigen und damit schnell verflüchtigten Bemerkens. Schwerlich können wir einen gut duftenden jungen Mann oder eine gut duftende junge Frau bitten, bei uns stehen zu bleiben, bis wir genug von ihm oder ihr haben. Aber ich könnte mir an einem Gartenzaun Zeit nehmen, kurz stehen bleiben und mich auf den Duft einer Blüte einlassen, ihn bewusst aufnehmen, mich bezaubern lassen, ein Genusserlebnis daraus machen. Das tut mir gut, erzeugt Wohlbehagen in mir. „Wohlbehagen“ – schon das Wort allein klingt nach Ruhe, Genießen. Ich könnte dabei ganz bei mir sein, ich selbst sein, tun, was mir gut tut.

Keine andere verbindet mit einem Duft dieselben Gedanken, dieselben Gefühle wie ich. Eine tolle Gelegenheit, sich beschenken zu lassen, ist so ein Duft-Tag. Wie wunderbar wäre es, wenn Sie am Ende spüren könnten, dass das ein Grund zur Dankbarkeit ist. Auch wenn ich mir nicht einen ganzen Tag dafür nehme, nehmen kann – schon kleine solche Atempausen würden mir gut tun. Denn es kann gut sein, dass über dem Genuss von Düften irgendein Ärger verfliegt, buchstäblich „verduftet“.

Wir können auch versuchen, Düfte für triste Zeiten zu bewahren, so dass sie uns auch später noch gut tun. Gelber Steinklee hält uns Motten aus dem Kleiderschrank fern. Eine Schale voller Blüten von Rosen, Lavendel oder Blätter von schwarzen Johannisbeeren duftet auch später noch.

Duft-Gedichte für die Seele

Dichter und Dichterinnen sind von Sommerdüften inspiriert worden. Lassen wir uns von ihnen zu einer Lesung einladen.

Entscheiden Sie, ob zu Ihrer Gruppe die ganze Lesung passt oder ob Sie nur eine Auswahl treffen.

Die Gedichte werden von der Leiterin oder gut vorbereiteten Frauen vorgetragen.

Verwenden Sie die Texte als Geschenke zum Mitnehmen am Ende des Zusam-menseins; für AbonnentInnen Kopiervorlage unter www.ahzw-online.de zum Herunterladen vorbereitet.

Eva Strittmatter ist in den blühenden Heliotrop eingetaucht – violett blühende, intensiv nach Vanille duftende Sonnenwenden (siehe Seite 23).

Nikolaus Lenau lässt sich vom Duft einer Rose tief anrühren (siehe
Seite 24).

An meine Rose

Frohlocke, schöne junge Rose,
Dein Bild wird nicht verschwinden,
Wenn auch die Glut, die dauerlose,
Verweht in Abendwinden.

So süßer Duft, so helle Flamme
Kann nicht für irdisch gelten;
Du prangst am stolzen Rosenstamme,
Verpflanzt aus andern Welten;

O weilten wir in jenen Lüften,
Wo keine Schranke wehrte,
Daß ich mit deinen Zauberdüften
Die Ewigkeiten nährte!

Doch hat, du holde Wunderblume,
Mein Herz voll süßen Bebens
Dich mir gemalt zum Eigentume
Ins Tiefste meines Lebens.

Nikolaus Lenau (1802-1850)

Theresia Hauser rät, die flüchtigen Eindrücke eines Tages mit allen Sinnen aufmerksam, ja „andächtig“ wahrzunehmen. Im Evangelischen Gesangbuch für Bayern und Thüringen finden wir diesen Text:

Entreiße den Tag
der Vergänglichkeit
den Augenblick
eh' er vergeht
Sei in ihm
Nimm den Duft
der Rose wahr
ein Wort
scheinbar so
hingesagt
Vernimm den
Amselgesang
und den Geruch
eines Frühsommerabends
Laß die Nacht mit dem Vollmond
im November
und das lautlose Geflüster
der Schneeflocken
nicht andachtslos
vorüber
Was du wahrnimmst
bleibt dem Erinnern
Vergehen?
Stetige
Ankunft von Leben.

Theresia Hauser

Lied
Gracias, dir Gott
(aus der WGT-Ordnung 2011, S. 5)
oder:
Lobe den Herren (EG 447, 1-3.6.7)
Paul Gerhardt hat dieses Lied kurz nach dem 30jährigen Krieg gedichtet, dankbar für unsere Sinne, für unser Leben.

Christine Wunschik, Jahrgang 1948, hat bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im vorigen Jahr als Referentin bei den Ev. Frauen in Mitteldeutschland gearbeitet. Sie war viele Jahre lang Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.

Verwendete Literatur
Etymologie der deutschen Sprache,
Dudenverlag 2001,
Die sinn- und sachverwandten Wörter,
Dudenverlag 1986

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