Alle Ausgaben / 2016 Artikel von Christine Wunschik

Wie wird wohl mein Tag schmecken?

Ein Frauennachmittag oder -abend

Von Christine Wunschik

Erster Geschmacksversuch

Unserem Zusammensein möchte ich einen Text von Kurt Marti voranstellen. Der Text steht im Evangelischen Gesangbuch für Bayern und Thüringen.

Mein Atem geht –
was will er sagen?

Vielleicht:
Schau! Hör! Riech! Schmeck! Greif! Lebe!

Vielleicht:
Gott atmet in dir mehr als du selbst.
Und auch:
In allen Menschen, Tieren, Pflanzen atmet er wie in dir.
Und so:

Freude den Sinnen!
Lust den Geschöpfen!
Friede den Seelen!

Nun lade ich Sie ein, mit mir auf eine kleine gedankliche Reise zu gehen.

Setzen Sie sich bitte bequem hin und schließen Sie die Augen.
Stellen Sie sich vor, dass wir von hier aus über einen sonnigen Wiesenpfad gehen. Rechts und links blühen Blumen. Ein warmer Wind weht. Wir sehen Kinder auf dem Spielplatz. Weiter geht es an einem Bach vorbei zu einem Picknickplatz. Dort ist für uns ein Tisch gedeckt. Jede hat eine andere Speise und ein anderes Getränk vor sich stehen. Genau das hatten Sie sich gewünscht! Vorsichtig kosten Sie und schmecken, was Sie so gern mögen. (Längere Pause) Schließlich brechen wir wieder auf und wandern zufrieden hierher zurück. Wir sind wieder hier und öffnen die Augen.

Was haben Sie geschmeckt?
(Reihum wird berichtet; noch kein Gespräch, dafür ist später Zeit.)

Geschmack theoretisch

Was wir schmecken, ist ursprünglich zusammen gesetzt aus den Grundrichtungen süß, bitter, sauer, salzig. Dazu gehört, dass wir Gerüche und Temperaturen wahrnehmen können. So klar waren die Eindrücke beim Schmecken schon vor langer Zeit. Auf der Jagd nach süßem Honig nahmen Menschen Stürze vom Baum und Bienenstiche in Kauf. In unserer Gesellschaft sind wir längst nicht mehr allein auf Honig zum Süßen angewiesen. Wir wenden uns ab und bitten: Bloß nicht so Süßes! Und wie wundervoll schmeckt mir heute Linsensuppe süß-sauer.

Heute ist bekannt, dass wir außer den Grundrichtungen noch viele weitere Geschmacksrichtungen schmecken können und dass im gesamten Mundraum dafür Sinneszellen sind. Schmecken ist ein raffiniertes Zusammenspiel vieler Zellen und Nervenfasern.

In der Frühzeit der Menschheitsentwicklung diente der Geschmack der Kontrolle, ob Speisen und Getränke genießbar waren. So war Süßes meist nahrhaft, Bitteres war oft giftig, Saures oft verdorben.

Wenn wir sagen: „Es schmeckt!“, dann klingt das, als wäre es Gesetz. Dabei ist Schmecken sehr subjektiv. Anderen schmeckt ganz Anderes gut. Auch ist es ein Irrtum zu denken, dass sich mein Geschmack nicht ändert. Wir sollten neugierig auf Unbekanntes sein, es könnte uns bereichern. Lange hat mir Balsamico „nicht geschmeckt“, weil der Vorschlag dazu von einer Frau kam, die mich gekränkt hatte. So lange ich so „zu“ war, bestand kaum die Chance, ihn wirklich zu schmecken. Heute ist Feldsalat in einem Dressing aus Milch, flüssigem Süßstoff und Balsamico eine Lieblingsspeise von mir.

Mein jüngerer Sohn lehnte als kleiner Junge genau so vehement wie sein großer Bruder Rosenkohl ab. Von dem wusste er ja, dass Rosenkohl eklig schmeckt. Eine neue Mutter-Strategie sah vor, dass die Söhne von jeder Speise, die ihnen vorgesetzt wurde, einen Happen kosten mussten und dann nicht weiter zum Essen gezwungen wurden. Nie werde ich sein langsam aufleuchtendes Gesicht vergessen. „Das schmeckt ja gut!“

Also: aufmerksam kosten, Erwartungen zurückschrauben, Überraschungen erwarten!

In Ruhe schmecken – nicht schlingen – und genießen!

Nachschlagen in Wörterbüchern

(als Info für die Leiterin oder für die Gruppe)

Schmecken
im Mittelhochdeutschen „smecken“
(= kosten, wahrnehmen; riechen, duften) ist im Neuhochdeutschen auf den Geschmackssinn begrenzt worden. Daneben wurde aus dem mittelhochdeutschen „smacken“ schmatzen.

Im Althochdeutschen finden wir
„smecken“ = Geschmack empfinden im Gegensatz zu „smakken“ = Geschmack von sich geben.

„Geschmack“ gehört zu „schmecken“.

Die Verwendung von „Geschmack“ im Sinne von „(Wohl)gefallen, Stilgefühl, Schönheitssinn“ ist aus anderem Zusammenhang hergeleitet.

Heute wird beschrieben: „schmecken“
a) munden, zusagen, den Gaumen kitzeln, dem Gaumen schmeicheln, etwas für einen verwöhnten Gaumen sein, etwas schmeckt nach mehr; nicht schmecken: beleidigt den Gaumen, widersteht jemandem, ist zuwider, ekelt an.

b) kosten, gefallen, zusagen, behagen, Geschmack finden an etwas; nicht schmecken: einer Sache keinen Geschmack abgewinnen können, nichts finden können an etwas.

Das Wort „kosten“ bedeutet versuchen, probieren, verkosten, schmecken abschmecken, eine Kostprobe nehmen.

Jedoch „kostbar“ kommt von Kosten (Preis), nicht von der Kost. Allerdings auch kostbar = appetitlich.

„Herzhaft“ kommt vom mittelhochdeutschen „herzehaft, mutig“ und wird heute beschrieben als
„ordentlich, kräftig, gehaltvoll“.

„Scharf“ kommt von „schneiden“.
„Bitter“ ist von „beißen“ abgeleitet.

Sinnbilder, Redewendungen

Schmecken gehört zu den ersten bewussten Wahrnehmungen in unserem Leben, d.h. es ist für jeden Menschen existenziell. Redewendungen und Metaphern zum Schmecken sind demzufolge leicht nachvollziehbar. So ist das Schmecken übertragen auf Situationen, auf Personen, auf Ereignisse, die dadurch anschaulich in wenigen Worten beschrieben werden.

Hier ist eine Sammlung zu unserem Thema:
Das (eine Sache) schmeckt mir gar nicht! Guten/schlechten Geschmack haben

Beigeschmack
Süße/Süßer

süße Liebe
süße Ruhe

honigsüßes Gehabe
die Stunde versüßen

süßlich, zuckersüß
Süßholz raspeln

Honig ums Maul schmieren
in den sauren Apfel beißen

gib ihm/ihr Saures
sauer verdientes Geld

versauern sauer werden/sein

saure Wochen, frohe Feste
gepfefferter Witz

(jemandem) die Suppe versalzen
bis zum bitteren Ende

eine bittere Pille schlucken
bitteres Leid

eine bittere Erfahrung
ein bitteres Lachen

bittere Rache
bittere Not

bitterlich weinen
bitterböse gucken
verbittert sein
erbittert kämpfen

Jede Wendung/Metapher ist auf einen Papierstreifen geschrieben. Nehmen Sie je zu zweit fünf von diesen Streifen. (Diese Anzahl muss evtl. an die Gruppengröße angepasst werden.)

Dann schreiben Sie auf ein Extrablatt eine kleine Geschichte mit diesen Zitaten. Sie haben 10 Minuten Zeit. Also, geben Sie Ihrem Affen Zucker. Das meint: Gehen Sie spielerisch und locker daran!

(Nach diesen 10 Minuten wird reihum vorgelesen.
Anschließend sollten die übrig gebliebenen Zettel vorgelesen werden.)

Eine Kostprobe schmecken und ein Blick in die Bibel

(Der Raum wurde nun vorbereitet für unser kleines Kostproben-Fest. Dazu hat entweder jede Teilnehmerin einen kleinen Happen oder Schluck mitgebracht oder ein Vorbereitungsteam hat Kostproben vorbereitet. Der Vorteil an der ersten Variante ist, dass ohne Vorgaben wirklich eine große Vielfalt vor uns stehen würde. Jede bringt, was ihr schmeckt. Auf jeden Fall sollte für frisches Brot und klares Wasser gesorgt sein.)

Lied:
Dass Erde und Himmel dir blühen,
dass Freude sei größer als Mühen.
Dass Zeit auch für Wunder, für Wunder dir bleib
und Friede für Seele und Leib.

Auch in der Bibel ist bildhaft vom Schmecken die Rede. Hier ein Beispiel dafür, wie bildhafte Sprache heute gelegentlich aufgelöst wird. Luther hat vor 500 Jahren Jakobus 3,14 übersetzt: „Habt ihr aber bittern Neid und Streit in eurem Herzen, so rühmt euch nicht und lügt nicht der Wahrheit zuwider.“ Dagegen heißt derselbe Vers in der Bibel in gerechter Sprache: „Wenn ihr euch aber von zerstörerischem Neid und gemeinschaftsschädigendem Ehrgeiz eurer Herzen leiten lasst, solltet ihr aufhören, zu prahlen und die Wahrheit zu verleumden.“ Aber dass die bildhafte Sprache weitgehend heute noch sehr gut angebracht ist, beweisen die übrigen Zitate, die auch aus der Bibel in gerechter Sprache sind.

(Auf dem Tisch liegen zwischen den Speisen Bibelzitate. Frauen, die eines in der Nähe liegen haben, lesen sie nun vor.)

– Psalm 119,103: „Wie köstlich ist deine Zusage für meinen Gaumen, süßer als Honig für meinen Mund.“

– Kohelet 5,11: „Süß ist der Schlaf derer, die arbeiten müssen, ob sie wenig oder viel zu essen haben. Die Reichen hingegen sind so satt, dass sie nicht in Ruhe schlafen können.“

– Jesaja 5,20: „Wehe denen, die das Böse gut heißen und das Gute böse. Sie machen Finsternis zu Licht und Licht zu Finsternis. Sie machen Bitter zu Süß und Süß zu Bitter.“

– Apostelgeschichte 8,23: „Ich sehe ja, dass du voll bitterer Galle und im Unrecht verstrickt bist.“

– Hebräer 12,15: „Achtet, darauf, dass niemand Gottes Zuneigung fernbleibt, dass nicht etwa eine bittere Wurzel nach oben wächst und lästig wird, und viele durch sie beschädigt werden.“

– Kolosser 3,21: „Ihr Väter erbittert eure Kinder nicht, damit sie nicht mutlos werden!“
– Petrus 2,3: „Ihr habt doch geschmeckt, dass Gott freundlich ist.“

(Wenn auch warme Speisen/Getränke angeboten werden, sollten die Bibelzitate lieber zwischendurch vorgelesen werden.)

Jetzt ist die Zeit zum Schmecken gekommen. Lassen Sie es uns genießen.

Unser Zusammensein beenden wir mit einem Gebet. Zwischendurch bleiben Pausen für eigene Gedanken.

Gott, wir bringen vor dich unsere Klagen über alles Bittere in unserem Leben, 
   (Pause)
Klagen über die sauren Wochen, die oft nicht enden wollen,
   (Pause)
Klagen über die salzigen Tränen, die uns den Hals zuschnüren,
   (Pause)
Klagen über bittere Not Leidende überall auf der Welt.
   (Pause)
Gott, wir bitten dich, lass uns nicht in Verbitterung stecken bleiben sondern hilf uns heraus.
   (Pause)
Gott, wir bringen vor dich unseren Dank für alles wundervoll Süße in unserem Leben, für alle Speisen, ob sie sauer, bitter, salzig oder herzhaft schmecken,
   (Pause)
unseren Dank für unsere Sinne, die uns Orientierung geben,
unseren Dank für die Menschen neben uns.
Amen

(Das Eingangsgedicht könnte für jede Teilnehmerin bereit zum Mitnehmen liegen, evtl. auch die Bibelverse oder die Redewendungen.)

Christine Wunschik, geb. 1948, hat bis zum Eintritt in den Ruhestand als Referentin bei den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland gearbeitet. Sie war viele Jahre Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.

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