Alle Ausgaben / 2009 Artikel von Hanne Finke

Wildwuchs und Mischkultur

Kleines Plädoyer für naturgemäßes Gärtnern

Von Hanne Finke


Sind Sie eine Gärtnerin aus Leidenschaft? Oder empfinden Sie es als pure Last, das Grundstück rund ums Haus in Ordnung zu halten? Was für die eine ein notwendiges Übel, lässt die andere aufatmen, weil sie frische Luft und die Erholung bei der Gartenarbeit schätzt.

Für manche ist ein Garten die Quelle für Kartoffeln und frisches Gemüse, andere sind Rosenliebhaberinnen und Blumenfans. Trotz knapper Zeit werden kleine Kräutergärten gepflegt oder Balkons zu Minigärten umfunktioniert. Oasen der Ruhe mit plätscherndem Wasser im Reihenhausgarten liegen neben dem intensiv bewirtschafteten Grundstück, das sich als Bauerngarten entpuppt, in dem Blumen und Gemüse eine Gemeinschaft bilden.

Schon seit Jahrtausenden wird gesät und geerntet, gegossen und gejätet, angepflanzt und gedüngt. Gartenkultur ermöglicht Menschen die Ernährung, erfreut aber auch durch Schönheit der Gewächse, Gestaltung und Farben. Sprießendes Gemüse und zarte Blumen können uns gleichermaßen erfreuen. Nicht nur der Körper, auch die Seele will genährt werden; in Gärten wird durch diesen Zusammenklang und das Erleben von Werden und Vergehen das Leben selbst vermittelt.

Gärten vor dreißig oder eher fünfzig Jahren dienten hauptsächlich der Ernährung, sorgten im gesamten Jahr für Gemüse und Kräuter, Kartoffeln, Zwiebeln und Kohl, Beeren und Obst. Angebaut wurde, was das Land hergab. Mit der Ernte war die die Haltbarmachung unmittelbar verbunden. Wir erinnern uns an große Kellerräume mit vielen Regalen für Eingemachtes, an riesige Kartoffelhürden oder einen Extraraum (mit wenig Sauerstoff) für Äpfel. Da standen die Steingutgefäße für Sauerkraut und Gurken, und Zwiebel- und Knoblauchzöpfe hingen an der Wand. Größere Mengen von Möhren und Roter Bete wurden in so genannten „Mieten“ eingelagert. Das heißt: Fast ausschließlich Produkte aus regionalem Anbau fanden den Weg in die Küche, und die Selbstversorgung konnte bis auf Weniges auch für größere Familien sicher gestellt werden. Mit reichlich Arbeitsaufwand, versteht sich.


Für oder gegen Giersch?

Entscheidend für die Gartenkultur war früher – und ist auch heute – die Haltung der Menschen zu den Lebewesen in ihrem Garten. Hier: schöne grüne Rasenflächen, Rhododendron und auch Fichten und Koniferen, ein Rosenbeet und wohl auch ein paar Frühjahrsblüher. Da: heimische Sträucher, viele verschiedene Stauden, Beete mit Gemüsepflanzen, ein paar Brennnesseln, Melde und Beinwell dazwischen, eine Kräuterspirale und ein kleines Wasserbiotop, außerdem Beerensträucher, Holunder und Haselbusch und viele Sommerblumen.

Ohne die Vorlieben anderer zu werten oder gar zu verurteilen, möchte ich zu einem interessierten Blick in einen naturgemäß bewirtschafteten Garten einladen. Vielen GartenbesitzerInnen ist zum Beispiel der Giersch (Gewöhnlicher Geißfuß – Aegopodium podagraria) wohl bekannt. Alle Jahre wieder breitet er sich hartnäckig und immer weiter aus und macht es sich in Beeten und Stauden bequem. Jedes kleine Stückchen Wurzel, das beim Jäten übrig bleibt, wirft einen neuen Trieb, und in der Erde entwickeln sich weit verzweigte Wurzelgeflechte. Also muss der Giersch weg! Aber wie? Der Griff zum Pflanzengift ist leicht – es kostet nicht viel, der Aufwand ist gering, und schon nach wenigen Tagen zeigen gelbe Blätter an, dass der Giersch sich verabschiedet. Schließlich sieht es in den Beeten wieder schön ordentlich aus.

Eine zugegebenermaßen arbeitsintensive Alternative zur Chemie: ausbuddeln, ausstechen, ausgraben – immer wieder. Aber vorher genießen Sie den Giersch im zeitigen Frühjahr als frisches Grün, denn er eignet sich hervorragend gemeinsam mit Schnittlauch und anderen frischen Kräutern wie Löwenzahn, Scharbockskraut oder Brennnesseln für einen leckeren Quark, zum Beispiel zu Pellkartoffeln. Giersch lässt sich auch wie Spinat oder in Suppe zubereiten und ist sogar im Heilpflanzenbuch aufgeführt.

Die Frage, nicht nur was Giersch angeht, ist: Bin ich gegen den Giersch oder will ich mit ihm leben? Gegen Giersch sein heißt auch: gegen viele so genannte Unkräuter – die besser Wildkräuter genannt werden – wie Hahnenfuß, Löwenzahn, Labkraut oder Vogelmiere, heißt auch gegen Maulwürfe, Läuse, Schnecken und vielerlei unseren Gartenehrgeiz störende Eindringlinge zu sein. Störende Eindringlinge? Sind Schmetterlinge, Hummeln und Ohrwürmer auch störende Eindringlinge? Sind nicht Margeriten, Kornblumen, Klatschmohn, Zitronenmelisse oder Frauenmantel und Vergissmeinnicht auch sich rasant ausbreitende Pflanzen, die nicht die Beete überall bedecken sollen?

Das Wichtigste ist die Einstellung zum Leben, die uns in unserem Tun leitet. Soll die Natur beherrscht werden oder ist das Ziel, mit allem zusammen zu leben, was in der Natur vorkommt? Wenn wir davon ausgehen, dass alles Leben auf der Welt in komplizierten Kreisläufen miteinander verbunden ist, sind wir Menschen im höchsten Grade abhängig von allen anderen Lebewesen. Und so wären wir ohne die für uns unsichtbaren Bodenbakterien und viele andere Winzlinge verloren.


Lust und Geduld

„Ehrfurcht vor dem Leben haben“ (Albert Schweizer) – daraus folgt für den eigenen Garten eine Praxis, die die Umwelt schonend behandelt. Wichtigste Voraussetzung dafür sind sehr viel Geduld und die Lust am Beobachten und Lernen. Es hilft, wenn die Freude an dem, was gewachsen ist, an der Vielfalt, am Blühen und Ernten einer wichtiger ist als das Erreichen festgesteckter Ziele, die nicht eingehalten werden können, weil das Wetter sich ändert, oder weil Tauben das erste Erbsengrün anpicken. Im nächsten Jahr werden dann die Erbsen genauer beobachtet und beizeiten angehäufelt oder Brombeerruten auf die Beete gelegt – dann haben die Tauben keine Chance mehr.

Wie auch sonst im Leben gilt: klein anfangen, hier und da eine Veränderung vornehmen, nach und nach neue Wissensbereiche aneignen, mit anderen darüber sprechen, ein Buch ausleihen oder spezielle Zeitschriften wie „Kraut und Rüben“ oder „Natürlich gärtnern“ beachten – dies alles führt schließlich zum Erfolg.
Der landläufigen Meinung, ein Naturgarten bestehe aus unkontrolliertem Unkraut- und Wildwuchs, kann mit Sachverstand und fundiertem Wissen entgegengewirkt werden. Denn naturgemäß Gärtnern bedeutet nicht, der Natur einfach ihren Lauf zu lassen. Gartenbau ist Kultur, der Garten ist also eine „künstliche“ Welt. Die Eingriffe von uns Menschen in die Kreisläufe sollten aber so erfolgen, dass möglichst wenige Störungen entstehen. Naturgemäßes Gärtnern besteht darin, ein neues Gleichgewicht zu schaffen in Übereinstimmung mit der Natur. Das bedeutet keinen Rückschritt in veraltete Techniken, sondern die Einbeziehung wissenschaftlicher und technischer Errungenschaften unserer Zeit. Die verschiedenen biologischen Methoden sind vor allem Entwicklungen, die für die Zukunft von großer Bedeutung sind.


Erfahrung und Wissen

Was muss bedacht werden für naturgemäßen Gartenbau? Kompostieren, Mischkultur, Ansiedeln von Nützlingen, naturgemäßer Pflanzenschutz und organische Düngung sind die Grundkoordinaten.

Immer wieder sehe ich staunend, wie aus allerlei Garten- und Küchenabfällen in ein bis zwei Jahren mit Hilfe von unzähligen Regenwürmern wunderbare neue Erde wird, die den Gemüsebeeten oder Beerensträuchern beim Wachsen hilft. Kompostieren will gelernt sein!

Mischkultur sorgt dafür, dass sich Pflanzen bei der Schädlingsabwehr gegenseitig unterstützen. In diesem Jahr versuche ich ein Beet mit Kartoffeln, die zu ihrer gesundheitlichen Ergänzung Spinat, Kohlrabi und Kapuzinerkresse bekommen. Beim Anbau von Gemüse und einigen Blumen ist besonders das gute Miteinander zu beachten. Kartoffeln und Sonnenblumen mögen sich zum Beispiel nicht und beeinflussen einander ungünstig. Andererseits sind gerade Kartoffeln oder Sonnenblumen für den Erstanbau in neuen Gärten sehr geeignet, da sie verdichteten Boden lockern und mit Nährstoffen anreichern. Gut harmonieren hingegen Erdbeeren mit Zwiebeln und Radieschen, die bekannteste Pflanzengemeinschaft bilden Möhren und Zwiebeln, weil die Möhren- und Zwiebelfliege einander vertreiben.

Ein „Muss“ sind auch die Nützlingshotels. Denn naturgemäßer Gartenbau setzt darauf, dass viele Kleinlebewesen hilfreich für einen ausgewogenen Kreislauf sind. Mit unterschiedlichen Methoden wird also dafür gesorgt, dass Ohrwürmer, Marienkäfer, Wildbienen oder auch Wespen sich im Garten ansiedeln – vor allem durch Nisthilfen, die zu richtigen kleinen „Hotels“ zusammengefasst werden können. Hinzu kommen müssen allerdings auch entsprechende Pflanzen und Sträucher, um zum Beispiel Hummeln anzulocken.

Zu den weiteren biologischen Methoden gehört schließlich das Herstellen von Pflanzenbrühe, etwa aus Brennnesseln, Schachtelhalm oder Beinwell. Verdünnt dient sie als Düngemittel oder zur Pflanzenstärkung.

Und nun? Ich jedenfalls gehe nun in meinen Garten und säe Spinat und Ringelblumen. Ach ja – die Erbsen müssen auch noch angehäufelt werden…


Für die Arbeit in der Gruppe

– Erinnern Sie sich einmal an Gärten Ihrer Kindheit! Schließen Sie vielleicht die Augen und wandern in Gedanken dort herum. Was gab es bei Ihnen zu Hause oder in der Nachbarschaft, in Ihrer Stadt oder dem Dorf, in dem Sie aufwuchsen, zu sehen?
Tauschen Sie sich mit anderen über diese Gartenerinnerungen aus und erzählen Sie einander, was besonders wichtig war.
– Treffen Sie sich mit der Frauengruppe zu Gartenbetrachtungen, zum Beispiel auf kleinen Rundgängen vor Ort – oder auch verbunden mit einem Ausflug. Finden Sie sich anschließend zur Gesprächsrunde – bei schönem Wetter vielleicht in einem Garten – zusammen und diskutieren Sie Ihre Beobachtungen. Was haben Sie entdeckt? Ist Ihnen Interessantes oder auch Merk-Würdiges aufgefallen?
– Sprechen Sie miteinander über gute oder auch schlechte Erfahrungen mit naturgemäßem Gärtnern. Bei offenen Fragen bieten Gartenzeitschriften und Bücher zum Thema umfangreiche Ergänzungen zum Text oben.
– Gestalten Sie einen Frauentag mit dem Thema „Traumgarten“. Im Mittelpunkt steht ein lebendiger Garten – die Fülle, die Gott bei der Schöpfung gemeint hat. (Vgl. Bibelarbeiten und Andachten in dieser ahzw!) Ein Baustein dieses Frauentages kann sein, die Frauen zu motivieren, ihren Traumgarten zu malen (mit verschiedenen Farben) oder zu gestalten – auf einem Tablett mit lebenden Materialien wie Moos, kleine Pflanzen, Samen, Äste, Steine, Rinde, Holz…; das bietet sich auch als Gemeinschaftsarbeit an, ebenfalls ist eine Ausstellung denkbar.
– Liedvorschläge: Dass Erde und Himmel dir blühen (siehe oben) oder auch: Alles muss klein beginnen / Du meine Seele singe (mit dem Text von Ester Schmidt nach Paul Gerhardt, Melodie J.G. Ebeling 1666)


Hanne Finke, 57, ist Landesbeauftragte (ehrenamtlich) im Frauenwerk der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Die Erzieherin und Dipl.-Pädagogin hat zwei erwachsene Kinder, war lange als Kommunale Frauenbeauftragte tätig und arbeitet seit drei Jahren in der kommunalen Sozialarbeit.


Zum Weiterlesen:

Marie-Luise Kreuter: Der Biogarten, blv Verlag, 24., überarbeitete Auflage 2009  Das Buch bietet eine hervorragende Grundlage für naturgemäßes Gärtnern.

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