Alle Ausgaben / 2014 Artikel von Helga Kotthoff

Witzige Weiber und komische Kerle

Humor und Komik haben ein Geschlecht

Von Helga Kotthoff

Am meisten begeistert mich am Komischen wohl, dass es so eine Art Zick-Zack der Kommunikation ist. Es ist so viel reichhaltiger als ernsthaftes Reden – es kommt unerwartet, meist ist Anspielung beteiligt, schnelles Kombinieren ist ebenso gefragt wie Kreativität.

Gestern zum Beispiel sah ich in unserer Teeküche eine Kollegin die Tassen spülen und rief: „Wird heute mal die hausfrauliche Seite ausgelebt?“ Und sie: „Das ist der ganzheitliche Ansatz.“ Wir haben schallend gelacht. Nachher habe ich überlegt, warum wir das witzig fanden: Wir haben einfach so getan, als sei unsere chronische personelle Unterbesetzung eine enorme persönliche Bereicherung für uns. „Ganzheitlichkeit“ geistert ja auch als erstrebenswert durch viele Theorien und Moden. Ganzheitlich ist gut. Unser Berufsalltag entspricht dem natürlich überhaupt nicht. Wir tun aber so, als würden wir so leben, als wäre der Abwasch im Institut die persönliche Bereicherung schlechthin. Gleichzeitig wird auch noch darauf angespielt, wie viel Schwindel mit solchen Etiketten überall getrieben wird. So ein kleiner joke produziert keinen großen Aha-Effekt, keine umwerfende Pointe. Aber er vereint blitzschnell unterschiedliche Perspektiven. Der kleine Lacher zwischendurch versöhnt vorübergehend mit den Nervereien des täglichen Lebens. Es macht den Alltag erträglich, mal zu lachen und eine komische Perspektive hereinzubringen. Und es lebt sich leichter mit Menschen, die das können.

Selbst Kritik ist genießbarer, wenn sie mit einer Prise Humor geliefert wird. Meine Tante hatte einen viel zu fetten Dackel. Der war unwahrscheinlich verhätschelt, und wir haben ihr auch ab und zu gesagt, dass sie ihm weniger zu essen geben soll. Sie war dann beleidigt und warf dem Dackel weiterhin alles Mögliche vom Tisch zu, wenn er bettelnd mit seinem Hundeblick davor stand. Einmal kam ein Freund von mir mit zu Besuch zu ihr. Der begrüßte also den dicken Dackel ganz überschwänglich und sagte witzelnd: „Na Purzel, die wievielte Schlankheitskur hast du denn abgebrochen?“ Meine Tante lachte aus vollem Halse. Sie hat den Dackel damit später selbst geneckt – und! stellte die übertriebene Zusteckerei etwas ein. In freundlich-scherzhafter Kritik bleibt eben immer ein verbindendes Element.

Andererseits kann Humor auch ganz schön aggressiv sein. Humoristische Aggression ist Bestandteil vieler Arten von Frotzeln, sich Mokieren, Parodie und Lächerlich-machen. Direktes Heruntermachen von Menschen „gehört sich nicht“ – aber scherzhaftes lässt sich nicht so leicht festmachen. Der Scherzangriff erlaubt generell den Rückzug darauf, dass der Angriff ja nicht ernst gemeint war; Frauen erleben das in der sexuellen Anmache. Witzigkeit kennt nämlich sehr wohl soziale und kulturelle Grenzen und orientiert sich daran. Wer witzig ist, rüttelt immer irgendwie an Normen und nimmt sich Freiheiten. Mit witzigen Bemerkungen lassen sich Situationen umdefinieren: Wer die Lacher/innen auf seiner Seite hat, hat dann den Trumpf in der Hand.

KollegInnen-Gelächter

Aber nicht jede und jeder kann sich überall das Gleiche erlauben: Womit vielleicht der Chef beflissenes Mitlachen erntet, damit kann die Sekretärin übel auflaufen. Erst recht gilt dies, wo man/frau Sarkasmus oder Selbstironie freien Lauf lässt. Sarkastischer Humor macht das Gegenüber oder die Sache eher klein, selbstironischer macht sich selbst klein. Beides hat im Alltag prinzipiell seine Berechtigung. Aber im Berufsalltag ist es für Frauen gefährlich: Mit Sarkasmus machen sie sich unbeliebt und mit Selbstironie bauen sie ihre wacklige Autorität ab.

Rose Coser1 hat in den späten 60er Jahren große Unterschiede zwischen dem öffentlichen und privaten Humor von Frauen gezeigt. Sie hat MitarbeiterInnen-Besprechungen in einer amerikanischen Uni-Klinik aufgezeichnet. Chefärztinnen hielten sich in größeren Teambesprechungen unter KollegInnen deutlich stärker mit ihrem Humor zurück als beim Kaffeeplausch. Die Frauen waren, wie Coser beobachtet hatte, eigentlich ziemlich humorvoll, zeigten ihn aber nur dort, wo sie nicht Gefahr liefen, zu über- oder zu unterlegen zu wirken. Die Herren Kollegen witzelten hauptsächlich über die PatientInnen und die unter ihnen stehenden AssistenzärztInnen. Das hätte man aus dem Mund der Frauen kaum gebilligt. Selbstironie konnten sie sich aber auch nicht erlauben, denn der wirkt statusabbauend. Und ihr Status war dafür nicht stabil genug.

Zum Glück können Frauen sich heute zumindest in westlichen Gesellschaften viel mehr als in den sechziger Jahren darauf verlassen, dass KollegInnen, Unter- und sogar Übergeordnete die Hand nehmen, die ihnen eine Frau reicht. Janet Holmes führt in Neuseeland eine groß angelegte Studie durch zu Humor am Arbeitsplatz.2 Sie sieht nur wenige Unterschiede im Scherzverhalten von Männlein und Weiblein. Geschlechterübergreifend liege die wichtigste Funktion von Humor in der Arbeitswelt darin, Beziehungen positiv zu halten, also Kollegialität zu zeigen. Holmes zeigt aber verschiedene humoristische Strategien, die trotzdem noch mit gender zu tun haben: Sie stellt unter Frauen insgesamt freundlichere Formen des Scherzens fest. Es ist anders als zu Cosers Zeiten. Chefinnen halten sich nicht mehr zurück, Chefs witzeln auch mal auf eigene Kosten. Männer untereinander fordern sich dauernd mit witzigen Attacken gegenseitig heraus. Die müssen schlagfertig gekontert werden. Dann ist mann jemand. Ihr Team belegt allerdings auch, dass in der Arbeitswelt leider noch ganz platt sexistische Witzformen auftauchen. Manche Frauen wissen sich zu wehren, manche nicht. Umgekehrtes hört man kaum …

ER und SIE im Rampenlicht

Auch in der größeren Öffentlichkeit hatten Männer lange den humoristischen Platz für sich gepachtet. Je publikumsträchtiger die Situation, umso mehr fanden sich nur Männer als aktive Humoristen im Rampenlicht, sei es als Chef, der sich in der Mitarbeiterbesprechung witzige Bemerkungen erlaubt, oder als Büttenredner bei einer Karnevalsveranstaltung, als Clown, Slapstick-Komiker im Film oder Humorist mit Herz im Fernsehen – von Charlie Chaplin bis Heinz Ehrhard.

Mittlerweile haben die Frauen aufgeholt. Ob Heidi Kabel, Helga Feddersen, Ingrid Steeger oder Elke Heidenreich, die leider ihre Metzgersgattin aus dem Kohlenpott schon vor vielen Jahren von der Theke abtreten lassen hat – allesamt tolle Komikerinnen, die ein Millionenpublikum sehr gut unterhalten haben. Sie verkörper(te)n unterschiedliche Facetten des witzigen Weibes, vom polternden Hausdrachen mit Herz über das ältliche Frollein und die niedliche Biene mit hochgeschobenem Pullover bis zum gestandenen Weibsbild mit Mutterwitz und Mundwerk.

Es hat auch davor Komikerinnen gegeben, wie zum Beispiel Liesl Karlstadt, die allerdings in den Feuilletons neben Karl Valentin bestenfalls etwas schulterklopfende Anerkennung abbekam. Schlechtestenfalls wurde sie nur als eine Art Wand gesehen, an der Valentins Querschläger aufprallen konnten. Komikerinnen wie Helga Feddersen oder Ingrid Steeger luden zum Lachen über die von ihnen inszenierten Frauentypen ein, aber kaum zum Lachen über die Welt und ihre Widersprüche. Sie machten entweder auf trutschig oder auf sexy. Oder sie waren so nett wie Lieselotte Pulver im „Wirtshaus im Spessart“. Ungefährlich nett oder selbst die Zielscheibe oder Partnerin eines Komikers. So ungefähr war das Repertoire. Aber Kabel, Feddersen und Heidenreich haben das schon stark ausgebaut.

Inzwischen ist ein öffentlicher Resonanz- und Entfaltungsboden für einen Humor von Frauen entstanden, der auch eine eigene Perspektive auf Frauenleben integriert. Clowninnen wie Gardi Hutter präsentieren sich als Boxkämpferin im Ring, nebenbei kurz den Säugling fütternd. Karikaturistinnen wie Claire Bretecher, Marie Marcks und Franziska Becker nehmen unseren Alltag aufs Korn. Sie zeigen uns als Subjekt unseres Lebens. Im Fernsehen wird sogar gender bewitzelt, etwa bei Missfits, Hella von Sinnen und Maren Kroymann, Kaya Yanar bewitzelt türkische Macho-Typen. Hella von Sinnen spielte zum Beispiel ein Hausmütterchen, das zwischendurch noch kurz als Domina in den Werkzeugkeller geht, Maren Kroymann eine Kosmetikverkäuferin, die der Kundin von allen Cremes und Wässerchen abrät. Anke Engelke hat ebenfalls viele Frauentypen sehr witzig parodiert. Aktuell lassen drei weitere TV-Komikerinnen beim Spiel mit den Geschlechterrollen aufhorchen: Monika Gruber – zum Beispiel, wenn sie sich in „Best of Beide“ vom Partnerinstitut „Last Chance“ professionell mit ihrem österreichischen Kollegen Michael Niavarani ins große Glück führen lassen will. Gayle Tufts bewitzelt in ihrer Show „Some like it heiß“ Frauen in den Wechseljahren, „erhitzt vom Rampenlicht und anderen Energie-Quellen“. Auch Ina Müllers Tour von 2006 unter dem Thema „Weiblich, ledig, 40″ klingt historisch ziemlich neuartig.

Da werden Widersprüche in den Anforderungen an heutige Frauen sichtbar. Daneben verfängt sich Comedy manchmal auch in den Widersprüchen heutiger Frauenrollen, etwa Ally McBeal – die war zwar Anwältin in einer renommierten Kanzlei, kämpft aber mit dem souveränen Auftreten und legt oft anmutig ihr Köpfchen schief, ganz das klassische Frauchen auf der Suche nach Liebe. Von einem weiblichen Woody Allen sind wir noch weit entfernt. Gerda Wurzenberger hat in einem NZZ-Folio von 2002 geschrieben: Als ältere Frau, schlecht frisiert, mit einem Hundeblick hinter einer schwarzen Hornbrille, sentimental, melancholisch, ununterbrochen von ihren psychischen Problemen labernd, wäre eine komische Anti-Heldin noch immer nicht akzeptabel.

Um das zu verstehen, müssen wir wohl doch das gute alte Wort Patriachat bemühen. Humor passt vor allem nicht zum Ideal der Dame. Bis in die 1950er Jahre wurden Damen in Etikettefibeln angewiesen, nur ja nicht zu laut zu lachen oder sich gar mit selbst erzählten Witzen in der Tischgesellschaft hervorzutun. Das sollten sie tunlichst den Herren überlassen. Die Einschränkung der weiblichen Komik hatte gleichzeitig mit der Kontrolle des Körpers und der des Geistes zu tun. Auch das Lachen sollte silberhell erklingen und nicht etwa brüllend herausplatzen – so seinerzeit der Vorschlag von „Miss Manners“ in der Washington Post. Die Frau sollte wirklich an ihrem Lachen arbeiten! Sie sollte es dem Tischherrn möglichst oft gönnen. Aber bitte nicht Herumgrölen und auf die Schenkel klopfen. Es galt eben als nicht sittsam und damenhaft, den Clown zu spielen und herumzualbern. Komik spielt mit der Verformung des Körpers, die Grimasse entstellt das Gesicht. All das war nicht vereinbar mit den gesellschaftlichen Anforderungen des Schönseins und der Zurückhaltung an die Frau.

Komik und Kinderstube

Aber auch diesseits (oder jenseits) von Geschlecht gibt es beim Lachen große Unterschiede. Da sind Leute, die gehen zum Lachen in den Keller, und solche, die immer einen Scherz auf der Zunge haben. Ich glaube, dass es mit Familienstilen zu tun hat. Man muss es eben erlebt haben. Ich finde es spannend, dass Hella von Sinnen sagt, bei den Geburtstagsfeiern in ihrer Familie wäre die Parodienummer von zwei Tanten der Höhepunkt des Abends gewesen. Und sie konnte auch sowas vorführen und hatte Erfolg damit. Es gab ein Publikum, das applaudierte. Franziska Becker sagt, ihre Mutter hätte so einen trockenen Humor gehabt, und Maren Kroymanns Mutter parodierte als Berlinerin die Tübinger Schwaben. Für Kinder ist es sehr wohltuend, wenn in der Familie gelacht und gewitzelt wird. Sie schauen sich ab, wie solche Vorstellungen aussehen. Denn auch die Darbietung will gelernt sein, die Imitation von Dialekten und Sprechweisen, die Parodie, das Hin und Her der witzigen Bemerkungen.

Es überrascht nicht sehr, dass auch dieses „zum Lachen bringen lernen“ Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht. Es gab dazu in den 1979er Jahren in den USA groß angelegte Studien von Paul McGhee.3 Er fand, dass im Schulalter die Schere zwischen Jungen und Mädchen stark auseinander ging: Jungen waren die kleinen Spaßmacher – und die Mädchen lachten und lächelten; aktives Scherzen wurde bei ihnen weniger goutiert, also übten sie sich weniger ein. Eine neuere deutsche Studie von Marion Bönsch-Kauke4 hat weniger krasse Unterschiede zu Tage gefördert. Aber sie sieht auch die Mädchen, die miteinander kichern und die Jungen, die im Humor mehr „austeilen“.

Für alle gilt: Humor braucht Selbstbewusstsein. Viele Formen verlangen einen kleinen Auftritt, nicht nur Witze. Man muss sich etwas herausnehmen. Auch witzige Geschichten aus dem eigenen Alltag wollen gut erzählt werden. Humor ist eine Alltagskunst. Das ist eine Frage der Praxis. Wer es oft macht, kann es auch. Und: Selbstironie ist wichtig. Ich jedenfalls brauche das. Wenn ich erzähle, dass ich mal wieder aus Versehen in den falschen Zug gestiegen bin, dann will ich keine Ratschläge dazu hören, besser auf die Anschlagtafeln zu gucken am Bahnhof. Das weiß ich selbst. Ich will, dass die ZuhörerInnen es mit mir auf die leichte Schulter nehmen. Ich will nicht perfekt sein müssen, und ich will in meinem Privatleben auch niemanden um mich herum haben, der oder die auf perfekt macht. Wer nicht über sich lachen kann, ist eine traurige Erscheinung.

Prof.in Dr. Helga Kotthoff ist Sprachwissenschaftlerin und Inhaberin einer Professur für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Freiburg. Sie hat u.a. über kulturelle Prägungen von Kommunikation und interkulturelle Kommunikation gearbeitet – und das, nicht zuletzt, immer wieder auch mit wissbegierigem Blick auf Scherz und Komik.

Der Beitrag ist die – mit freundlicher Genehmigung von Helga Kotthoff – gekürzte und leicht redaktionell bearbeitete Fassung eines nicht veröffentlichten Interviews.

Anmerkungen
1) Vgl. Rose Laub Coser: Some social functions of laughter – a study of humor in a hospital setting, in: Human relations, Thousand Oaks, Calif. (u.a.): Sage Publ, Vol. 12.1959, 2, S. 171-182
2) Mehr unter: www.victoria.ac.nz/lals/about/staff/janet-holmes
3) Hinweise (leider nur auf Englisch) zu Lachforschungen und -anleitungen von Paul McGhee unter: www.laughterremedy.com
4) Vgl. Marion Bönsch-Kauke: Psychologie des Kinderhumors – Schulkinder unter sich, VS Verlag für Sozialwissenschaften 2003

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