Alle Ausgaben / 2017 Artikel von Karoline Block und Johannes Quaas

Wolken und Klimawandel

Ein Einblick in die zwangsläufige Ungenauigkeit von Prognosen

Von Karoline Block und Johannes Quaas

Ob ein Sommertag heiß oder nur warm wird? Es kommt darauf an, wie viele Wolken da sind. Ob eine Nacht klirrend kalt wird? Nur, wenn sie sternenklar ist und nicht wolkenverhangen. Wenn der Himmel bewölkt ist, kommen Sonnenstrahlen nicht durch, sondern werden ins Weltall reflektiert. Und Wärmestrahlung wird nicht so leicht ins Weltall abgegeben, sondern die Erde bleibt warm.

Wenn man also das Wetter anschaut, dann spielen Wolken eine sehr große Rolle. Das Klima hingegen ist eine statistische Beschreibung des Wetters in ­einer bestimmten Region über lange Zeiträume. So werden zum Beispiel die mittleren Temperaturen über einen Zeitraum von 30 Jahren angeschaut, aber auch andere Charakteristika wie etwa die saisonale Änderung der Temperatur oder auch die Intensität von Gewittern oder die Länge von Dürreperioden. Aber auch für das Klima spielen Wolken eine sehr große Rolle.

Das globale Klima ändert sich bekanntlich gerade. Der Grund dafür – wie für jede Klimaänderung – ist, dass sich die Energieflüsse zwischen Erde und Weltall ändern: einerseits der Anteil der Sonnenstrahlung, der absorbiert wird, und andererseits die Wärmestrahlung, die die Erde abgibt. Es ist also die Strahlungsbilanz des Systems „Erde“, die betrachtet werden muss. Und weil Wolken die Strahlungsbilanz stark beeinflussen, sind sie ein wichtiger Faktor im Klimawandel.

Veränderung des Energiegleich­gewichts der Erde: Antrieb des ­Klimawandels

Bevor die Menschheit – in der vorindustriellen Zeit, also bis etwa Mitte des
19. Jahrhunderts – angefangen hat, in großem Maßstab fossile Brennstoffe zu verbrennen und so die Zusammensetzung der Erdatmosphäre deutlich zu verändern, war das System „Erde“ annähernd im Gleichgewicht. Es wurde so viel Wärmestrahlung von der Erde ins Weltall abgegeben wie Sonnenlicht absorbiert wurde. Seit sich die Zusammensetzung der Erdatmosphäre ändert, sind die Energieflüsse um etwa 1 Prozent aus dem Gleichgewicht geraten. In erster Linie sind es die zusätzlichen Treibhausgase, die die Wärmestrahlung ins Weltall verringern. Andererseits wirken die Partikel in der Atmosphäre, sogenannte Aerosole, dem teilweise entgegen, indem sie Sonnenlicht ins Weltall zurückwerfen.

Aerosole ändern auch Wolken: Sie sind die Kondensationskeime, auf denen sich die mikrometergroßen Wolkentröpfchen bilden. Mehr Aerosole bedeuten mehr Wolkentröpfchen und damit Wolken, die mehr Sonnenlicht reflektieren. Dies hat auch einen kühlenden Einfluss. Wegen der großen Variabilität der Wolken lässt sich allerdings nur ungenau sagen, wie groß dieser Einfluss ist und wie sich Wolken über Änderung der Anzahl der Tröpfchen hinaus weiter verändern. Wie groß dieser Effekt ist, das ist die größte Unsicherheit in der Frage, wie stark die Menschheit aktuell die Energiebilanz des Erdsystems ändert. Aktuelle Studien an der Universität Leipzig, in denen wir Satellitendaten ausgewertet haben, deuten auf einen Effekt hin, der etwa ein Drittel des Treibhauseffekts durch die anthropogenen, also durch menschliches Tun verursachten Treibhausgase aufhebt.

Wenn die gegenläufigen Effekte der Partikel (Aerosole) und der Treibhausgase gegeneinander aufgerechnet werden, dann ist deren dramatisch unterschiedliche Lebensdauer zu beachten: Aero­sole werden rasch durch Regen ausgewaschen und verweilen nur etwa eine Woche in der Atmosphäre. Kohlendioxid dagegen hat eine Lebensdauer von Jahrhunderten bis Jahrtausenden. Die Treibhausgase sammeln sich also in der Atmosphäre an, und der Effekt wird immer stärker. Wenn also der Verbrauch der fossilen Brennstoffe in Zukunft begrenzt oder ganz abstellt wird, dann wird kurz danach der abkühlende Effekt der Aerosole verschwinden. Der erwärmende Treibhauseffekt wirkt dagegen noch für viele Jahrhunderte. Und weil das Wegfallen eines kühlenden Effekts ja eine relative Erwärmung bedeutet („minus mal minus ist plus“!), ist sogar mit stärkeren künftigen Erwärmungs­raten zu rechnen.

Reaktion des Klimasystems auf die Erwärmung

Ändert sich die Energiebilanz des Erdsystems, dann muss sich die Temperatur der Erde ändern – das System „Erde“ strebt einem neuen Gleichgewicht zu. Absorbiert die Erde zum Beispiel weniger Sonnenlicht, dann muss sie sich abkühlen, so dass sie auch entsprechend weniger Wärmestrahlung abgibt. Oder ein anderes Beispiel: Wenn zusätzliche Treibhausgase in den kalten Schichten der Atmosphäre nur geringe Wärmestrahlung ins Weltall schicken, muss dafür der Erdboden wärmer werden, damit von dort umso mehr Wärmestrahlung abgegeben wird, und so insgesamt wieder so viel Energie emittiert wie Sonnenlicht absorbiert wird. Die ersten Arbeiten dazu finden sich schon bei Jean-Baptiste Joseph Fourier Anfang des 19. Jahrhunderts.

Allerdings reagiert das Klimasystem darüber hinaus in komplexer Weise: Es ist nicht einfach eine Erwärmung, die sich direkt aus der Energiebilanzänderung ableiten ließe. Vielmehr ist das Klimasystem ein komplexes, chaotisches System, das vielfältigen internen Wechselwirkungen unterworfen ist. Nicht umsonst ist die Chaosforschung wesentlich von der Meteorologie geprägt worden – die Komplexität des Wettergeschehens ist ja aus dem Alltag sicherlich genügend bekannt. So ändert sich, wenn sich die Erdoberfläche erwärmt, zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit: Wärmere Luft enthält mehr Wasserdampf. Da Wasserdampf als natürliches Treibhausgas wirkt, bedeutet das zusätzliche Erwärmung. Oder in den polaren Regionen verschiebt sich die Null-Grad-Grenze polwärts: dunkle Erd- und Ozeanoberflächen, die mehr Sonnenlicht absorbieren, werden mehr – die Erde erwärmt sich zusätzlich.

Und natürlich: Wolken ändern sich. Aber wie? Das ist die große Unbekannte, die verhindert, dass die Wissenschaft genau vorhersagen kann, wie stark der Klimawandel sein wird, selbst wenn ein Szenario über das Verhalten der Menschen vorausgesetzt wird.

Die Veränderung der Wolken im Klimawandel

Es gibt kein einfaches Konzept, mit dem sich die Wolkenveränderung beschreiben und berechnen ließe. Immerhin konnten in den letzten Jahren einige Hypothesen aufgestellt und untersucht werden. Klar ist mittlerweile, dass sich verschiedene Wolkentypen in unterschiedlicher Weise ändern.

Vier Hypothesen betreffen die Wolken in den Tropen, den Subtropen, den mittleren Breiten, und den polaren Regionen.

Vor allem in den Tropen kommen viele hochreichende Kumulonimbus-Wolken (Gewitterwolken) vor, die in eisigen Höhen riesige Eis- oder Cirrusschirme ausbilden. Die abgegebene Wärmestrahlung dieser Wolken ändert sich auch in einem wärmeren Klima nicht, da sich die Kumulonimben dann noch weiter aufbäumen und höhere Schichten erreichen können. Dadurch bleibt die Temperatur an der Wolkenoberkante relativ konstant, während sich bodennahe Schichten deutlich erwärmen. Somit wird zusätzliche Energie im System gehalten – eine positive Rückkopplung.

In den Subtropen finden sich sehr viele Wolken über den Ozeanen. Aufgrund der Erddrehung und der Ozeanzirkula­tion sind die Temperaturen der Meeresoberflächen über den östlichen Gebieten der Ozeane kalt, über den westlichen hingegen relativ warm. Über kalten Meeresflächen bilden sich ausgedehnte Wolkendecken (Stratus) mit starkem Einfluss auf die Sonnenstrahlung. Über den wärmeren Gebieten dagegen aufgelockerte Bewölkung (Kumulus), die mehr Sonnenlicht zur Meeresoberfläche durchlässt. Es gibt Anzeichen dafür, dass tatsächlich die Stratuswolken weniger und die Kumuluswolken mehr werden, wenn sich die Meere erwärmen: Es wird also weniger Sonnenlicht reflektiert, somit haben wir es mit einer zusätzlichen Erwärmung zu tun.
Wo sich in den mittleren Breiten die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete befinden, wird von der großräumigen Zirkulation in der Atmosphäre bestimmt. Es wurde beobachtet und auch in Modellen simuliert, dass sich diese Zugbahnen – und die mit den Kalt- und Warmfronten einhergehende Bewölkung – polwärts verschieben. Dort ist die Sonne weniger stark, es wird also weniger Sonnenlicht reflektiert – auch dies eine erwärmende Rückkopplung.

In den polaren Regionen werden mehr Eiswolken flüssig. Wolken, die wärmer sind als der Gefrierpunkt, bestehen aus flüssigem Wasser. Kalte Wolken bestehen aus Eis. Da Eiskristalle größer sind und dafür viel weniger, reflektieren Eiswolken weniger Sonnenlicht. Wenn es wärmer wird, gibt es mehr Flüssigwasserwolken und weniger Eiswolken, das heißt: Es wird mehr Sonnenlicht reflektiert, und dieser Effekt wirkt der Erwärmung entgegen. Dennoch erwärmt die Arktis sich stärker als der Rest der Welt – aber aus anderen Gründen, unter anderem, weil dort Schnee und Meereis schmilzt und so mehr Sonnenlicht absorbiert wird.

Insgesamt gehen wir heute also davon aus, dass die Reaktion der Wolken den Klimawandel beschleunigt. Um wie viel genau, das ist leider immer noch nur ungenau zu berechnen.

Und was bedeuten Wolken für das 2°C-Ziel?

Auf der „Pariser Klimakonferenz“ haben sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention im Dezember 2015 darauf geeinigt, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau zu begrenzen.1 Aktuell ist es schon knapp 1°C wärmer. Wie viel Kohlendioxid die Atmosphäre verträgt, bis wir mit 2°C rechnen müssen, ist unklar. Je nachdem, wie sich die Wolken wirklich ändern, kann es sein, dass ein überschaubarer Übergang in ein nicht-fossiles Zeitalter genügt. Es ist aber auch möglich, dass schon die jetzige Konzentration zu 2°C Erwärmung führt, wenn in wenigen Jahrzehnten der Ozean die ganze Wärme aufgenommen hat. Will die Menschheit mit Sicherheit unter 2°C bleiben, müsste also sehr bald die Verbrennung von fossilen Brennstoffen aufhören.
Ein besseres Verständnis der Wolken kann uns helfen, genauere Prognosen des Klimawandels zu treffen und dann die Energiepolitik optimal auszurichten.

Karoline Block (30 J.) hat einen Master (M.Sc.) in Meteorologie an der Universität Hamburg und dem Max-Planck-Institut für Meteorologie absolviert. Sie beendet gerade ihre Promotion an der Universität Leipzig, in der sie eine neue Abschätzung des Klimaantriebs durch Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen erarbeitet hat. Ihre aktuelle Forschung beschäftigt sich mit dem Klimawandel in der Arktis.

Dr. Johannes Quaas (43 J.) ist Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig. Der Diplom-Meteorologe hat an der École Poly­technique in Paris promoviert. Weitere Stationen waren beim britischen Wetterdienst (UK Met Office) in Exeter und am Max-Planck-Institut für Meteo­rologie. Forschungsschwerpunkt sind Wechsel­wirkungen zwischen Aerosol und Wolken und Wolken-Klima-Wechselwirkungen, die in der Arbeitsgruppe mit dem globalen Klimamodell
und mit Satellitendaten untersucht werden.

Anmerkungen
1) Mehr dazu beispielsweise unter
http://www.umweltbundesamt.de/daten/klimawandel/klimarahmenkonvention#textpart-3; das gesamte Dokument zur Klimakonferenz ist zugänglich unter
http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09r01.pdf

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