„Zeig mir Deinen Garten und ich sage dir, wer du bist!“ Ob das so stimmt? Wir sind durch die Gartenlandschaft spaziert und haben Eindrücke gesammelt – von A bis Z. Wir können uns natürlich auch gründlich täuschen.
Arbeitsteam
Manchmal lässt ein Garten uns vor Neid erblassen. In der Mitte ein Apfelbaum, unter dem die Familie Kaffee trinken und plaudern kann. Gemüsebeete strotzen in üppigem Grün. Die Bohnenstangen stehen aufrecht in der Reihe. Vielleicht gibt es sogar einen Brunnen mit altmodisch verziertem Schwengel. Und erst die Himbeerstauden! Ein sanft geschwungener Steig führt zur Terrasse, die mit bunten Blumenkübeln geschmückt ist. Wie ist so etwas möglich? Wer hat so viel Zeit? Der Gärtner gesellt sich für einen kleinen Plausch zu uns Zaungästen. Er, der Ehemann, bestellt den Gemüsegarten, die Gattin ist für die Blumen zuständig. Das Traumpaar schlechthin! Gestritten wird nur innerhalb des Hauses.
Bastler
In diesem verwunschenen Häuschen hoch oben auf den Felsen würden wir auch gern wohnen. Das ist offensichtlich mit Liebe gebastelt! Jede Dachschindel wurde sorgfältig mit der Hand geschnitzt. Und die Mühle klappert am nicht vorhandenen Bach. Aber warum ist der Wicht, der hinter dem Windfang lauert, so blau? Irgendwie will er nicht zu diesem Ensemble passen. Vielleicht ein Geschenk zum 40. Hochzeitstag – und der Geber kommt manchmal vorbei, um den Standort seiner edlen Gabe zu überprüfen?
Cellistin
Wer denkt sich denn einen Gartenzwerg mit Cello aus? Wir haben recherchiert, und hier ist die Geschichte: Die Musikerin mit Geschmack erwähnte einmal, dass ihr niemals ein Gartenzwerg in den Garten käme, es sei denn, er spiele Cello. Also ließ ihre Schwester diese Plastik anfertigen und ihr als Geschenk zustellen. Nun muss der musikalische Zwerg den Garten schmücken, ob sie bzw. er wollte oder nicht. Aber er sieht doch recht zufrieden aus. Und die Cellistin hoffentlich auch!
Durchblicker
An Reihenhäusern kleben ja normalerweise die so genannten Handtuchgärten. Aber hier sehen wir ja gar keine Zäune, die die Handtücher einfassen, sondern haben -freien Blick einen durch einen riesengroßen Garten. Keine vier Wäschespinnen, keine vier Komposthäufen. Alles wird gemeinsam genutzt, sogar die Katze wird reihum gefüttert, wenn die Besitzer im Urlaub sind. Wer sich einsam fühlt, spaziert einfach rüber zur nächsten Terrasse! Am schönsten ist es, wenn in der Sommernacht der Mond scheint und der Nachbar ein Feuerchen schürt. So etwas könnte man GG, also Gartengemeinschaft nennen.
Expertin
Es kann zeitraubend sein, stehen zu bleiben und der Hobbygärtnerin aus Leidenschaft zuzuhören. Nachts studiert sie im Internet, welche Erde zu welcher Kirschsorte passt. Sie ist Herrscherin über ein riesiges Kräuterbeet – und das Waschwasser des Salats wird nicht in den Abfluss geschüttet, sondern darf die Weinranken an der Hauswand tränken.
Familienvater
Für unsere Kinder tun wir alles! Längst wurde die Schaukel in den Ästen der alten Linde verdrängt durch multifunktionale Spielgeräte mit Klettergerüst, Wippe, Spielturm und Gondel. Neben Hasenstall und Bobbycar-Park nehmen diese Geräte zwar viel Platz im Reihenhausgärtchen ein. Aber nach Meinung der Kinder muss schon noch Platz für ein Riesentrampolin sein. Die Kinderschar jubelt – die kinderlosen Nachbarn sehnen sich nach dem geräuschärmeren Sandkasten. Ob man später von einer Trampolin-Freundschaft sprechen wird?
Genießerin
Was sagt uns ein Garten, der uns anscheinend nichts erzählt? Es blühen keine Blumen, am Gartenzaun entlang wachsen ein paar Bäume und Büsche, der Rasen wird offenbar alle paar Wochen einmal notdürftig gestutzt. In der Wiese lädt einsam eine Liege zum Sonnen, Ausruhen und Schmökern ein. Hier wohnt mit ziemlicher Sicherheit eine Genießerin, selbstbewusst, tüchtig im Beruf. Von ihrem Garten erwartet sie bescheiden zwei Dinge: Er darf keine Arbeit machen, und er muss einen Sonnen- und einen Schattenplatz bieten für die Auszeit, die sie sich gönnt.
Humorist
Schon lange nichts mehr vom Breitmaulfrosch gehört, der lieber Marmelade als Konfitüre mag? Er liebt den Jazz beim Klang der Klarinette, aber wenn ein Storch vorbeikommt und fragt, ob er einen Breitmaulfrosch gesehen hat, übt er lieber Etüden. Wer sich diese Plastik in den Garten gestellt hat, muss Sinn für Humor haben oder Musiker sein.
Idylle
Von weitem vermuten wir eine Gartenzwerg-Idylle im Osterglockenbeet. Aber halt! Aus der Nähe sehen wir, dass der arme kleine Kerl ja festgebunden ist. Aber was hat er verbrochen, der Gute? Wir sehen an seinem unschuldigen Blick aus den treuen blauen Augen, dass er zu nichts Bösem fähig ist. Wir können nur hoffen, dass die Gartenbesitzer bald eine bessere Lösung finden, um ihn vor dem Umfallen zu bewahren.
Jugend
Leicht zu erkennen, wer in diesem Garten die Herrschaft übernommen hat: Die herumliegenden Biertische und -bänke erzählen von vergangenen Festen, bei der Dartscheibe am Apfelbaum und um den Kicker herum wächst kein Gras mehr. Die einstigen Rosenstöcke haben ihr Dasein als Fußballtor nicht überlebt. Die Eltern haben sich in den Vorgarten zurückgezogen, wo sie geduldig abwarten, bis der Nachwuchs ausgezogen ist. Dann können sie wieder ihren Garten bestellen, bis die Enkel… – siehe oben unter F.
Kompostist
Sie haben richtig gelesen. Ein Komponist komponiert Musik, ein Kompostist kompostiert Erde – meist verborgen in einer abgelegenen Ecke des Gartens. Hierhin wandert der eklige, stinkende Biomüll. Durch geheimnisvolle Rituale entsteht hier die schöne, dunkle, duftende Komposterde. Stolz schiebt der Fachmann das Ergebnis seiner Mühe Walten durch die Beete, verteilt hier und dort liebevoll das dunkel schimmernde Gut. Der natürliche Alles-Kompostist kennt keine Angst: Orangen- und Bananenschalen, Fleischabfälle und Papiertaschentücher lässt er seelenruhig verrotten, und auch Ratten fürchtet er nicht. Der Wissenschafts-Kompostist setzt alle „giftigen“ Substanzen auf den Index. Wer Recht hat, können wir nicht beurteilen.
Liebhaber
Der Steingärtner ist ein Romantiker und hat viel zu erzählen. Von jeder Gebirgswanderung schleppt er Steine im Rucksack heim und weiß nach zehn Jahren noch, wo er sie gefunden hat. Im Steingarten finden die Kostbarkeiten ihre ewige Ruhe, umgeben von bunten Blumenkissen und (heimlich) umgesiedelten Alpenblümchen.
Macho
oder: Das Kind im Mann! Wer in seinem Garten ein Schienennetz anlegt, damit die Fleischmann-Eisenbahn -fröhliche Kreise um die Terrasse ziehen kann, muss ein Mann sein, aber noch lange kein Kinderfreund. Wir haben gehört, dass derselbe Mann sich schrecklich aufregt, wenn versehentlich ein Fußball in seinem Garten landet. In jeder lauen Sommernacht breitet er liebevoll eine Riesenplastikplane über seine Plastik-Gartenmöbel und seinen Lieblingszwerg. Hier sind wir ausnahmsweise froh, dass es keine Gleichberechtigung gibt. Wie gut, dass wir nicht mit albernen Mützchen, Schubkarren und Gießkannen permanent im Garten stehen müssen!
NachbarInnen
Inmitten der Wiese, umgeben von duftenden Blumen und Sträuchern ruht eine schöne Frau. Eine der Superfrauen, die alles im Schlaf schaffen? Hat sie kein schlechtes Gewissen, weil sie gerade nicht fleißig ist, obwohl sie jeder sehen kann? Da entdecken wir ihren Nachbarn – oder ist es der Hausfreund? – der mit Hingabe ihren Garten pflegt, weil es ihm einfach Spaß macht. Fantastisch!
Ordnungsfanatiker
Die Buchsbäumchen stehen in Reih und Glied, die Gartenwege wurden mit dem Lineal konstruiert. Kein Pflänzchen tanzt aus der sorgfältig gezogenen Reihe, und die Tulpen wagen sich nur im Quadrat aus der Erde. Die moderne Reihenhausarchitektur mit ihren Metallbalkonen leistet diesem Schönheitsideal Vorschub. Hier wird auch im Garten darum gebeten, nicht zu kleckern.
Pflasterer
Der Garten sieht aus, als sei der Onkel Baggerführer und arbeite im Steinbruch. Die Hofeinfahrt ist gepflastert, die gepflasterte Veranda hat die Größe eines kleinen Konzertsaals. Der Platz für die Wäschespinne ist auch gepflastert, die Gartenwege sowieso. Etwaige vorwitzige Pflänzchen haben in diesem Garten keine Chance. Ob die Hausfrau damit einverstanden ist?
Querdenker
Den würden wir gern kennen lernen. Hat er sich Stan und Ollie in den Garten geholt, weil sie ihm seelenverwandt sind? Jedenfalls haben wir sofort gute Laune, wenn wir die beiden hier im Gespräch sehen.
Rasenfachmann
Der Rasen sieht aus wie vor Buckingham Palace. Neid? Am Rasen scheiden sich die Geister. Ordentliche Leute vertikutieren im Frühjahr regelmäßig. Die anderen finden das Moos grün genug und warten, bis Gras drüber wächst. Wer im Garten die Ruhe genießen will, hat Pech gehabt, denn irgendeiner aus der Nachbarschaft mäht immer. Dann doch lieber Kunstrasen! Aber wenn Laub drauf fällt, muss man trotzdem rechen.
Schneckenmörderin
Beim Abendspaziergang erkennen wir im flackernden Licht einer Kerze eine ansonsten friedliche Zeitgenossin, eine scharfe Schere in ihrer Mörderinnenhand. Ihre Opfer sind Nacktschnecken, die nachts an ihrem Salat naschen. Wir wollen gar nicht wissen, was sie mit ihnen macht! Wir persönlich graben lieber kleine Löcher, die wir mit Bier füllen. Im Rausch stirbt es sich auch für eine Schnecke angenehmer.
Technikfreak
Die Gerätemedizin gibt's auch im Garten. Maschinenfreunde können am Samstag gar nicht genug beim Baumarkt einkaufen. Der elektrische Rasenmäher ist nur der Anfang, es folgen die batteriebetriebene Heckenschere, die Vertikutiermaschine, der Häcksler, der Kantenschneider. Bald braucht man ein extra Häuschen für den Maschinenpark.
Unkrautjägerin
Sie empfindet es als persönliche Beleidigung, wenn einige Pflanzensorten sich der Ausrottung widersetzen. Es ist kein Trost für sie, dass das Unkraut heute Wildkraut oder gar Kulturpflanzenbegleiter genannt wird. Der Giersch, ihr persönlicher Feind, war früher in der Volksheilkunde sogar sehr geschätzt, um Gicht und Rheuma zu behandeln. Man aß ihn als Wildgemüse und war froh, soviel von ihm zu haben. Er hat angeblich sogar Heilkräfte, die Harnorgane und den Stoffwechsel fördern. Aber sagen Sie das nicht laut – es kommt bei unserer Unkrautjägerin nicht gut an.
Veilchen
Oh, welch ein fröhlich buntes Blumenbeet! Wer fragt sich da schon, was die einzelnen Blumen bedeuten. Dabei steckt eine ganze Wissenschaft dahinter, nicht nur im Lied: „Man find gewöhnlich die Frauen ähnlich den Blumen, die sie gerne tragen!“ Wenn das wahr wäre, müssten sich die Hobbygärtnerinnen schon genau überlegen, was sie da von sich preisgeben. Zeugt eine Reihe Sonnenblumen von Stolz und Hochmut, die rote Rose von leidenschaftlicher, die gelbe Akazie gar von heimlicher Liebe? Jedenfalls können wir heute unmöglich nachvollziehen, was wir im Alter von zehn Jahren unseren Freundinnen ins Poesiealbum geschrieben haben:
Blüh wie das Veilchen im Moose,
sittsam bescheiden und rein,
und nicht wie die stolze Rose,
die immer bewundert will sein.
Da halten wir es doch lieber mit der Reseda: Sie bedeutet Charakter und Charme!
Witzbold
Tomaten sind des Gärtners Stolz. Da sehen wir im Frühsommer plötzlich einen Blumentopf mit herrlich roten Tomatenrispen. Beim näheren Hinsehen stutzen wir. Unser Freund hat Strauchtomaten aus dem Supermarkt an seine grünenden Pflanzen gebunden. Und schon lugt die ewig nörgelnde, neidische Nachbarin herüber: „Ihr habt aber schon schöne Tomaten.“ Unser Freund aber lacht sich ins Fäustchen.
Zäune
Manche Gärten sind so dicht umzäunt, dass kein noch so kleines Loch den Blick ins Innere freigibt. Und schon erwacht die Neugierde: Welches dunkle Geheimnis verbirgt sich hinter der strengen Thujenmauer? Das Brummen des Rasenmähermotors verrät, dass es eine Art Leben hinter dem Zaun gibt. Aber welches Leben? Hockt hier ein verbitterter Griesgram, der keinen Kontakt will, oder eine Hexe, die giftige Kräuter anpflanzt, um Liebestränke zu brauen? Oder ist eine reizende junge Familie frisch eingezogen, die noch keine Zeit hatte, die Hecke zu schneiden?
– Spazieren Sie doch einmal durch die Gegend und beobachten Sie Ihre Gefühle und Vorurteile beim Spitzen über die Gartenzäune! Das kann ganz schön spannend sein!
– Oder hätten Sie Lust zu überlegen, welcher Blume Sie sich verwandt fühlen und warum?
– Vielleicht könnten Sie auch vereinbaren, dass zum nächsten Treffen Ihrer Gruppe jede Frau ein Bild (Foto oder Zeitschrift) ihres Lieblingsgartens mitbringt. Alle Bilder werden in die Mitte gelegt – und Sie versuchen gemeinsam zu raten, welcher Garten warum zu welcher von Ihnen passen könnte.
– Und wenn Sie etwas mehr Zeit und viel Lust haben, erstellen Sie doch einfach als Gruppe eine ganz eigene Liste der Gartentypen von A bis Z.
Christel Opp, Jahrgang 1959, ist gelernte Musikerin, unter anderem in Sachen Cellospielen, Dirigieren und Komponieren. Seit einigen Jahren pflegt sie neben ihrer musikalischen auch ihre kabarettistische Ader in den Frauenkabaretts „Avantgardinen“ und „Frankenperlen“ und in Kabarett-Workshops für Frauen.
Mehr unter: www.christel-opp.de
© für alle Fotos: Christel Opp
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