Alle Ausgaben / 2007 Andacht von Petra Buschmann-Simons

Zwei und doch eins

Andacht über Ringe und Liebe

Von Petra Buschmann-Simons


„Wer seinen Ehering verliert, muss solange vor der Himmelstür warten, bis er ihn gefunden hat.“ Mit diesen Worten einer Frau im Ohr suche ich fieberhaft meinen Ring. Der Ehering ist etwas ganz Besonderes – Erinnerung an einen besonderen Tag in unserem Leben.

Wir tragen gerne Ringe – ob als Schmuck oder auch als Symbol, zum Beispiel der Macht bei weltlichen und kirchlichen Würdenträgern. Der Ring gehört zu den Urformen des Schmucks. Ringe sind aussagekräftig, deutlich sichtbar für jeden und jede. So sagt ein Siegelring etwas über unsere Abstammung aus. Und spätestens seit dem „Herrn der Ringe“ wissen wir alle, welche große Bedeutung ein Ring haben kann und wie er Menschen verändert. Mir ist aufgefallen, dass „Mann“ im Moment viel Ring trägt, meist dick und breit, bevorzugt aus Edelstahl und sofort ins Auge fallend. Zeichen wofür? Der Freund meiner Tochter meint, weil er ihm gefällt und ein Geschenk meiner Tochter ist. Aufholbedarf bei den Männern? Zeigen, was „Mann“ hat oder wo „Mann“ hingehört? Jedenfalls steckt eine Aussage dahinter, ob es nun der 1-Karäter oder der schlichte Goldreif ist.

Wir tragen viele Ringe im Laufe unseres Lebens: Schmuckringe, Siegelringe, Freundschafts- und Verlobungsringe, und eben den Trauring, ob Mann oder Frau, ob homo- oder heterosexuell. Meist tragen wir Ringe nicht „nur so“, sondern wir verbinden etwas damit. Der Ring kann ein Erbstück sein oder ein Geschenk von einem besonderen Menschen, vielleicht nicht besonders teuer, aber für uns doch unendlich wertvoll. Es kann ein Versprechen dazugehören, ob nun das der Freundschaft oder Partnerschaft, oder wie bei Nonnen, die bei ihrer Profess einen goldenen Ring bekommen, einer lebenslangen Verbindung mit Jesus. Sie sind dann sozusagen mit ihm „verheiratet“, auf ewig verbunden.

Zur Zeit des Römischen Reiches trug nur die Frau einen Ring mit eingraviertem Spruch „Du hast das Pfand meiner Liebe.“ Auch die Germanen kannten den Ring als Pfand der Liebe. Der Nibelungenmythos erzählt, dass sich Siegfried und Brunhilde mit einem Ring ewige Treue schworen. Im Mittelalter verlobte man sich durch beiderseitige Ringgabe als Zeichen der Bindung. Welche Bedeutung dem Ring als Zeichen der Treue zukommt, belegt die Anordnung eines Bischofs im 12. Jahrhundert, wonach es jungen Männern verboten ist, den Mädchen aus Spaß einen Ring an den Finger zu stecken.

Wir tragen den Ring – und umgekehrt legen wir ihn ab, wenn eine Freundschaft oder Partnerschaft zerbricht. Oft ist noch lange gut zu sehen, wo ein Ring seine Spuren am Finger hinterlassen hat. Dann ist sein Fehlen ein sichtbares Zeichen der Ungebundenheit oder, wie viele es empfinden, der neu gewonnenen Freiheit. So oder so: Der Ring ist mehr als ein Schmuckstück, er ist ein Symbol. Die runde, geschlossene Form erinnert uns daran, dass auch unsere Beziehungen eine runde Sache sein sollen. Von Anfang an hat der Ring diese Bedeutung – er steht für die Liebe und Zuneigung, die ohne Anfang und Ende, also immer sein sollen. Zur Eheschließung gehört der Ringtausch. Zwei Menschen tragen nun den gleichen Ring, gleich in Form und Material, und so soll eben auch eine Beziehung sein. Manchmal ist die Größe der Ringe unterschiedlich. Zwei bleiben zwei und sind doch eins, eng miteinander verbunden. Das zeigt der Ring deutlich nach außen, für jeden und jede sichtbar.

Wer seinen Ring ständig trägt, weiß, dass der mit der Zeit auch Abnutzungserscheinungen zeigt. Er wird matter, hier und da trägt er ein paar Kratzer davon. So ist es oft auch in einer langen Partnerschaft. Die Liebe ist nicht mehr so strahlend wie am Anfang, nicht mehr so heftig, nichts Besonderes mehr, sondern ganz alltäglich. Da haben zwei eine gemeinsame Geschichte hinter sich, gute und schwere Zeiten, auch Zeiten der Krisen und Stürme. Und doch hat die Verbindung gehalten. Man weiß, was man am anderen hat und möchte ihn nicht mehr missen. Und so trägt man seinen Ring weiter als Zeichen der Zugehörigkeit.

Unvergessen ist bei vielen, dass diese Ringe einmal auf einem Altar gelegen haben. Das macht sie einmalig und wertvoll. Des Öfteren, etwa nach einer Beziehungskrise oder wenn neue Ringe gekauft wurden, wird an mich der Wunsch heran getragen: Könnten Sie unsere Ringe noch einmal segnen? In unserer evangelischen Kirche gibt es das nicht, weil wir Menschen und nicht Dinge segnen. Aber dieser Wunsch zeigt mir eine tiefe Sehnsucht nach Verlässlichem und Bleibendem, vielleicht gerade in einer Zeit, wo so vieles im Wandel ist und wir immer wieder erfahren, wie zerbrechlich auch unsere Beziehungen sind. Da möchten wir auch nach außen zeigen, was uns wichtig ist und uns verbindet.

„Wahre Liebe gleicht dem Ring, und der Ring hat kein Ende“, sagt ein brasilianisches Sprichwort. So wünschen wir uns auch unsere Beziehungen: zwei Ringe aus einem Guss, verschieden und doch eins, verbunden durch die eine Liebe, nach außen erkennbar, wohin wir gehören. Wie der Ring eben – eine runde Sache. Und es ist beruhigend zu wissen, dass dabei noch einer im Bunde ist: Gott, den wir Liebe nennen, dessen Liebe ewig, ohne Anfang und Ende ist und von dem wir glauben und hoffen, er ist auch Grund unserer Liebe, auf der Seite der Liebenden und hilft, Liebe zu leben. An den Hoch-Zeiten unseres Lebens und auch im grauen Alltag.

„Nehmt diese Ringe zum Zeichen eurer Verbundenheit.“ In vielen Kulturen sind bei der Trauung Ringe wichtig, in manchen ineinander verschlungene Ringe: Liebende gehen ineinander auf und doch bleiben sie auch sie selbst. Zum Tauschen der Ringe gehört das Versprechen, einander zu lieben in guten und schweren Tagen – und das mit Gottes Hilfe, die wir brauchen, um dieses Versprechen auch wirklich leben zu können. Als Zeichen der umfassenden Liebe Gottes werden die beringten Hände ineinander gelegt und der Segen gesprochen. Liebe steht unter Gottes Schutz, Liebende leben unter seinem Segen. Es tut gut, das zu erfahren.

„Und die Liebe hört niemals auf“, heißt es in der Bibel. Ich kenne viele Frauen, die den Ring des Partners nach dessen Tod zu ihrem eigenen tragen als Zeichen der Verbundenheit über den Tod hinaus. Andererseits erlebe ich, dass da, wo die Liebe stirbt, der Ring bald abgelegt wird, weil er Zeichen für die Beziehung ist „bis der Tod euch scheidet“. Und wenn die Liebe stirbt, gibt es keinen Grund mehr, den Ring zu tragen. „Wer seinen Ehering verliert, muss solange vor der Himmelstür warten, bis er ihn gefunden hat.“ Vielleicht, so denke ich, geht es nicht um den Ring selbst, sondern um die sichtbare Erinnerung an das, was wichtig ist und  wonach wir immer wieder suchen sollten: den anderen oder die andere, die zu uns gehören wie die Luft zum Atmen. Ich habe viele Geschichten über verlorene Ringe gehört. Oft nehmen wir einen Ring ab, weil er bei bestimmten Tätigkeiten stört oder weil wir ihn schonen wollen. Und wenn wir ihn verlieren, suchen wir ihn hartnäckig und unermüdlich, weil wir an ihm hängen. Weil wir an dem hängen, was der Ring uns bedeutet, für was oder, besser gesagt, für wen er steht. Und das macht ihn so kostbar und einmalig wertvoll. Er bindet uns wirklich.

Dazu fällt mir noch eine Geschichte von Verlorengegangenem ein – die vom verlorenen Sohn. Am Ende der Geschichte kehrt er heim, und sein Vater läuft ihm entgegen, er kleidet ihn neu und er steckt ihm einen Ring an den Finger. Zeichen, dass er wieder in alle Recht eingesetzt ist. So ist Gott, sagt das Gleichnis im Lukas-Evangelium mit dem Symbol des Ringes, so ist Gottes Liebe: umfassend, unendlich und alles vergebend. Eine Geschichte vom Verlorengehen und Wiederfinden. Eine Geschichte, die Mut macht, der Liebe zu trauen. Gottes Liebe, die bleibt. Wie der Ring, ohne Ende.

Petra Buschmann-Simons, geb. 1958, ist seit 17 Jahren Pfarrerin in der Ev. Friedenskirchengemeinde Bergkamen und seit 2004 Mitglied im Vorstand der EFHiD. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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