Ausgabe 1 / 2019 Frauen in Bewegung von Irene Löffler

Afra Hirn und Schwestern.

Eine Führung zu Augsburger Stifterinnen

Von Irene Löffler

Außer denen, die sich mit Stadtgeschichte und Frauen beschäftigen, dürfte es kaum jemand auffallen:
Augsburg ist geprägt von Stiftungen. Und zwar Stiftungen von Frauen. Lassen Sie sich einladen zu einem kleinen Stadtrundgang!

Ich stelle mir vor, ich fliege mit Ihnen auf Augsburg zu. Wir steuern St. Anna und ihre Umgebung an, den evangelisch-lutherischen Kern der Stadt. Das relativ kleine Gebiet wurde früher im Norden durch die Stadtmauer begrenzt. Reisen wir außerdem durch die Zeit und beginnen mit Afra Hirn. Wir kennen nur ihr Todesdatum, den 14. Februar 1438. Ihr Ehemann Konrad und sie waren als Kaufleute reich geworden, aber die Ehe blieb kinderlos. Also stifteten sie: für ihr eigenes „Grabhaus“ bei St. Anna, heute als Goldschmiede-Kapelle bezeichnet, und für ein Haus für vier Pilgernde, etwas weiter entfernt an einem Lechkanal.

Ein Seelhaus für Frauen

Darüber hinaus stiftete Afra neben St. Anna ein Seelhaus für vier arme Frauen. Eine Tafel erinnert dort an sie. Seelhäuser waren Stiftungen „für das Seelenheil“ der Stifterinnen – und Lebensorte für Frauen. In Augsburg hatten sie die gleichen Aufgaben wie Beginen. Sie pflegten Kranke und begleiteten Gebärende und Sterbende. Seelfrauen hielten Nachtwache bei Sterbenden und später an den Gräbern, an Jahrtagen besuchten sie Gottesdienste für die Verstorbenen. Das Geld, das sie dafür bekamen, bemaß sich nach dem Ansehen des Seelhauses; und das angesehenste war das der Afra Hirn. Wenn Einwohnerinnen krank oder alt und schwach wurden und ihre Aufgaben nicht mehr erledigen konnten, mussten sie ausziehen. Meistens lebten sie dann arm im Spital. Das Seelhaus von Afra Hirn wurde 1783 aufgelöst und sein Vermögen auf das Pilgerhaus übertragen.

Auch Beginenhäuser wurden in Augsburg fast ausschließlich von Frauen gestiftet, die Schwestern Noteisen taten es gemeinsam mit ihren Brüdern. Dazu ließen sie in ihrem Haus einen Türdurchbruch zur Kirche St. Martin am Kesselmarkt herausschlagen und übernahmen diesen Namen für die Beginen-Niederlassung.

Wenn Frauen Beginen-Niederlassungen stifteten, gaben sie ihnen Frauennamen wie St. Clara, St. Ursula, St. Margareth und St. Katharina. Wie Clara von Assisi lebten Beginen in der Nachfolge Jesu arm und ehelos. Sie ernährten sich von ihrer eigenen Hände Arbeit. Die Stadt unterstützt die Beginengemeinschaften, nicht selten gegen den Bischof. Nicht von ungefähr ist die Geschichte ihrer zwangsweisen Auflösung in der Reformationszeit die Geschichte eines Machtkampfes zwischen Bischof und Stadt, in die der Kaiser schlichtend eingriff.

Maria Stern und St. Ursula bestehen heute noch als Franziskanerinnen- beziehungsweise als Dominikanerinnenkloster. Denn als im 14. Jahrhundert Beginen verfolgt wurden, empfahl ihnen Bischof Friedrich Spät von Faimingen, sich als sogenannte Dritte Orden den bestehenden Orden anzuschließen. Von den kleineren Niederlassungen ist im heutigen Stadtbild nichts mehr zu sehen.

Ein Gymnasium für Mädchen

Am Martin-Luther-Platz stand noch bis ins letzte Jahrhundert die Augsburger Schulstiftung einer Frau Anna Barbara von Stetten (23.9.1754–19.2.1805). Drei Häuser für die Mädchenbildung stiftete sie. Ihr Motto war: „Das Ganze muß Familie, nicht Kloster … sein.“ Hier ist der Ursprung der höheren Mädchenbildung für Evangelische in Augsburg. Heute befindet sich das Stettengymnasium am Katzenstadel.

Ganz in der Nähe, neben dem Maximilianmuseum, lebten in der Reformationszeit Stefan und Sibylla Eislin. Für mich ist diese Frau eine Stifterin, auch wenn sie nicht Häuser oder Wohlfahrtseinrichtungen stiftete, sondern – Worte. Sie bezahlte den Druck der Bücher von Schwenckfeld. Und sie schaffte Bücher im Geist Schwenckfelds an und stellte sie ärmeren Anhänger*innen zur Verfügung. Sibylla Eislin ermöglichte zudem Religionsgespräche mit „Altgläubigen“ und Anhänger*innen jeder Glaubensrichtung.

Wohnraum für arme Leute

Die schönste und meistgenutzte Augsburger Frauenstiftung ist das Alte Stadtbad: ein Jugendstilbad mit kleiner Halle für Frauen und großer Halle für Männer. Letztere ist heute für alle zugänglich, die kleine Halle wird für Schulen und Wellness genutzt. Die Schwestern Forster (Emilie 1821-1895 und Frida 1819-1902) haben den Grundstock für dieses Bad und ein Altenheim gelegt. Zudem haben sie ein Haus gestiftet, das lange Zeit das Archiv der Stadt beherbergte.

Susanne Neidhart (gestorben 1558) stiftete das Neidhartstift „auf ewig verarmten, notdürftigen Leuten beiderlei Konfessionen gegen einen geringen Mietzins“.  In der Fuggerei durften – und dürfen – nur römisch-katholische Arme leben. Heute erinnert eine Gedenktafel an sie, die Stiftung besteht immer noch.

Besonders genieße ich es immer, die Annakirche zu besuchen. Dort fällt mein Blick links vor dem Eingang der Kirchentür auf den Grabstein, den Euphrosina Welsch „sich und ihren Töchtern“ setzen ließ. In der Todesnot helfe „des Herrn Wort Arzneyen“, ließ die Apothekerin schreiben. Was für ein Selbstbewusstsein!

Von Selbstbewusstsein zeugt auch das literarische Denkmal, das die Tochter Barbara ihrer Mutter Anna Barbara Gignoux setzte – leider aber nicht auf der Gedenktafel an deren Kattunfabrik. Dort wird sie als Gönnerin des Malers Nilson und anderer bekannter Männer Augsburgs dargestellt; dass diese Darstellung falsch ist, hat die Historikerin Christine Werkstetter nachgewiesen.1 Das Verdienst Anna Barbara Gignoux‘ ist vielmehr, dass sie die bankrotte Fabrik, die ihr Ehemann ihr bei seinem Tod im Jahr 1760 hinterließ, zum Blühen brachte – nach jahrelangem Kampf mit dem zweiten Gatten um die Leitung der Firma. Sie ließ sich von ihren unternehmerischen Aktivitäten auch nicht durch die gängige Vorstellung abhalten, dass „Frauens=Personen nicht im Stand wären, einer Cotton=Fabrique vorzustehen“, und sicherte so die Existenz von 500 Mitarbeiter*innen.2

Denk- und Dankmale

Schon die wenigen Beispiele zeigen: Das Spektrum der Stiftungen von Augsburger Frauen ist groß. Neben sozialen Einrichtungen wie Altenheimen, Krankenhäusern, Waisenhäusern und Schulen gibt es Einzelfallhilfen, etwa für Berufsausbildungen von Mädchen oder Priestern. Da sind Kunstund Kulturstiftungen. Luise Barbara Gräfin von Isenburg (1789-1870) förderte 1834 die „Kleinkinderbewahranstalten“, andere förderten die Gründung der Niederlassung der Jesuiten, wieder andere die der Jesuitinnen. Die Frauen von Maria Ward ermöglichten ab dem 17. Jahrhundert höhere Schulbildung für katholische Mädchen. Oft benötigten die Frauen allerdings die Unterstützung ihrer Brüder, Ehemänner oder Väter, um ihren Willen gegen Widerstände durchsetzen zu können.

Stifterinnengeschichte lässt sich auch an Augsburgs Straßennamen ablesen. Leider ist nur bei Bertolt Brecht und neueren, nach Frauen benannten Straßen eine Kurzbiographie angebracht. Wie überhaupt das Erinnern an die Namen und damit die Leistungen von Frauen sehr zu wünschen übrig lässt. So finden sich, obwohl viele Frauen ihre Kunstwerke der Stadt vermacht haben, in den Kunstsammlungen – außer in der Moderne – nur zwei Bilder von Frauen. Aber die sind nicht von Augsburger Künstlerinnen gemalt. Im Maximilianmuseum sind Werke der Hausmalerinnen öffentlich ausgestellt. Ein ehrendes Andenken an Anta Rupflin, Ida Paulin, Helena Rohbausch sucht frau dort vergebens.

Mitten in der Augsburger Innenstadt, auf dem Martin-Luther-Platz, begegnen wir dem Goldschmiedebrunnen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Gestiftet hat ihn die Jüdin Sabine Bühler. Am Brunnen steht: „von einem Bürger“. Auf meine Nachfrage bei der Stadtverwaltung hieß es, man könne doch den ursprünglichen Text nicht verändern. An einer anderen Stelle war dies durch den persönlichen Einsatz von Maria Luise Bertram allerdings möglich. Sie schaffte es, dass die Stifterin eines Teils des Siebentischwaldes auf einem berichtigten Gedenkstein sichtbar wird: Katharina Wiedemann (1826-1901). Auch die Gedenktafel für Ruth Höhmann in der Maximilianstraße ist ihrem Einsatz zu verdanken; diese Frau stiftete ihr Haus den städtischen Kunstsammlungen.

Anders als die meist unsichtbaren Stifterinnen im Stadtbild werden die Frauen genannt, denen vor allem die Wiedererrichtung des goldenen Saales zu verdanken ist. Wie die Namen der Männer, die dafür stifteten, stehen ihre Namen auf den Gedenktafeln, an denen alle vorbeigehen, die zu Fuß zum Saal hochsteigen. Immerhin ein Frauendenkmal hat Augsburg. Es ist nicht für eine Stifterin errichtet, sondern für die „Taubenmarie“ Marie Schuhmann (1874-1957) – für eine Marktfrau passend am Stadtmarkt. Vor einigen Jahren haben sich Augsburger*innen zusammengeschlossen, um so ihrer zu gedenken.

Für mich schaut es so aus, dass sich Frauen ein Denkmal setzten durch Stiftungen, dass aber oft das „Dankmal“ dazu fehlt. Ein ehrendes Gedenken an Frauen, die nicht nur an sich selbst und ihre Lieben gedacht haben. Umso mehr freut mich die Gedenktafel für Augsburgs Trümmerfrauen im Augsburger Rathaus, eine Initiative der CSU-Frauen im Stadtrat, oder der Hexenbrunnen am Lueg ins Land für die Opfer der Hexenverbrennungen. Und nicht zuletzt im Rathaus das Mahnmal für Augsburgs Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Augsburg pflegt Gedenken, das finde ich gut. Dass Frauen dabei meist übersehen werden, weniger. Wie ist es bei Ihnen aus?

Quellenangaben
1) Zitiert nach Christine Werkstetter: Anna Barbara Gignoux (1725-1796), eine Mäzenin In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 86. Band, Augsburg 1993, S. 235ff
2) Vgl. auch www.augsburgwiki.de/index.php/AugsburgWiki/GignouxAnnaBarbara


Irene Löffler hat römisch-katholische Theologie studiert und war als Religionslehrerin sowie in der Frauenseelsorge Bayern tätig. Inzwischen evangelisch-lutherisch, engagiert sie sich dafür, dass in Augsburg wieder ein CSD stattfindet. Seit 1994 arbeitet sie beim Weltgebetstag der Frauen mit, heute vor Ort und im Bayern- und Deutschlandteam. Sie engagiert sich für die Sichtbarkeit von Frauen und queeren Menschen in Geschichte und Gegenwart sowie für behindertengerechte Museen.

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