Ausgabe 2 / 2021 Andacht von Elke Kirchner-Goetze

Beziehungsgeflecht

Glauben - mit Gott und Menschen in Beziehung

Von Elke Kirchner-Goetze

Votum:
Die befreiende Zuwendung unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft, die uns die Heilige Geistkraft schenkt, sei mit euch allen!
Amen.

Mit diesem zusprechenden Wunsch beginnen viele Predigten. Es ist der Schlusssatz des zweiten Korintherbriefes und eine der wenigen Stellen im Neuen Testament, in der alle drei Wesenheiten Gottes zusammen genannt werden. Gnade, Liebe und Gemeinschaft – alles Worte für eine Beziehung.

In Gott selbst besteht eine Beziehung und sie will mit uns Menschen in Beziehung treten. Bereits in der Schöpfungserzählung lesen wir: „Da sprach Gott: wir wollen Menschen machen – als unser Bild, etwa in unserer Gestalt.“ (Gen. 1,26 BigS) Der Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti beschreibt dies so:

Am Anfang also Beziehung. / Am Anfang: Rhythmus. / Am Anfang: Geselligkeit. /  Und weil Geselligkeit: Wort. / Und im Werk, das sie schuf, / suchte die gesellige Gottheit sich / neue Geselligkeiten. / Weder Berührungsängste / noch hierarchische Attitüden. / Eine Gottheit, die vibriert / Vor Lust, vor Leben. / Die überspringen will / auf alles, / auf alle.1

Von Anfang an sucht Gott die Beziehung zu den Menschen. Deshalb ist christlicher Glaube nicht Fürwahrhalten bestimmter Glaubenssätze oder Annahme einer Existenz Gottes. Es ist ein Vertrauensverhältnis. Die biblischen Texte und Erzählungen sind entstanden, weil Menschen Erfahrungen mit Gott gemacht haben. Einem Gott, der mit den Stammvätern und -müttern gewesen ist, ihnen seinen Segen versprochen und einen Bund mit ihnen geschlossen hat. Gott, die sich Mose im brennenden Dornbusch als diejenige vorstellt, die für ihr Volk da sein will, die ihre Unterdrückung in Ägypten sieht, mit ihnen leidet und sie retten will (Ex. 3).  Die Geschichte Israels, wie sie in der Bibel erzählt wird, ist auch eine Geschichte des gegenseitigen Ringens um diese Beziehung durch schwierige Zeiten hindurch.
Gott bleibt seiner Zusage treu, er steht zu der Beziehung, die perspektivisch ausgeweitet wird auf alle Völker (z.B. Jes. 2,1-4).

Glauben im biblischen Sinn meint also nicht Wissen um Fakten, sondern Vertrauen. Vertrauen auf Gottes Verlässlichkeit und Treue. „Ich glaube an Gott“ heißt für mich: Ich gebe mich vertrauensvoll in diese Beziehung hinein wie zu einem geliebten Menschen.

Jesus verweist auf das grundlegende Bekenntnis des jüdischen Volkes zu Gott, als er von einem Gelehrten nach dem höchsten Gebot gefragt wird: „Höre Israel, Adonaj ist für uns Gott, einzig und allein Adonaj ist Gott. So liebe denn Adonaj, Gott für dich mit Herz und Verstand, mit jedem Atemzug, mit aller Kraft.
… Liebe deine Nächste und deinen Nächsten wie du dich selbst liebst.“
(Mk. 12,28-31, vgl. Deut. 6,4-7)

Hier geht es nicht in erster Linie um eine Frage nach dem richtigen Handeln, sondern nach der Gottesbeziehung. Diese Beziehung als Fundament ist dann Orientierung für das Leben. Die Gebote öffnen einen Raum, in dem die Beziehung zu Gott und Mitmenschen gestaltet werden kann.

Erst in der Begegnung mit einem Du wird der Mensch zum Ich, zu einem Individuum, das beziehungsfähig ist. Aus der Entwicklungspsychologie wissen wir, wie wichtig gute, verlässliche Bindungen vom Lebensbeginn an für die Entwicklung eines Kindes sind. Wer selbst tragfähige Beziehungen erlebt, kann Empathie entwickeln und Verantwortung in einer Gemeinschaft, in Familie und Gesellschaft übernehmen. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagte: „Alles Leben ist Begegnung“.

Alles im Du sehen! / Nicht der Welt entsagen, sondern sie in ihren Grund stellen. / Von der Welt wegblicken, das hilft nicht zu Gott. / Auf die Welt hinstarren, das hilft auch nicht zu ihm. / Aber wer die Welt in ihm schaut, steht in seiner Gegenwart. / Wer mit dem ganzen Wesen zu seinem Du ausgeht und alles ihm zuträgt, / findet ihn, den man nicht suchen kann. / Wenn du das Leben der Dinge ergründest, / wenn du das Leben heiligst, / begegnest du dem lebendigen Gott.2

Christlicher Glaube ist Glaube in Gemeinschaft. Persönliches wie gemeinschaftliches Gebet, gemeinsames Feiern der Liebe Gottes und der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gehören zusammen, sind Formen von Beziehungspflege.

Lied
Du bist da,
wo Menschen leben3

Gott, du bist mitten unter uns, wo Menschen in Beziehung treten, wo sie einander brauchen und helfen, wo sie aufeinander zugehen, wo sie sich in Liebe begegnen. Segne uns mit deiner Liebe, bleibe bei uns mit deiner Gnade und stärke uns mit deiner Geistkraft.
Amen.

Anmerkungen
1 Kurt Marti, Die gesellige Gottheit. Ein Diskurs. Stuttgart 2004.
2 Martin Buber, Ich und Du.
3 Singen von deiner Gerechtigkeit, Nr.98

Elke Kirchner-Goetze ist Gemeinde- und Religionspädagogin und arbeitet als Studienleiterin für Frauenarbeit im Amt für Kirchliche Dienste der EKBO.

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