Ausgabe 1 / 2019 Artikel von Judith Königsdörfer

Donnerstags in Schwarz

Für eine Welt ohne Vergewaltigung und Gewalt

Von Judith Königsdörfer

Nadia Murad, die irakische Menschenrechtsaktivistin, und der kongolesische Arzt Denis Mukwege erhielten beide den Friedensnobelpreis 2018. Zwei Personen, die vorher wahrscheinlich nichts voneinander wussten. Zwei Menschen, die den Einsatz von sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten bekämpfen.

Nach einem Jahr voller MeToo-Hashtags ein Hoffnungsstreifen am Horizont? Fakt ist: Sexualisierte Gewalt ist ein Thema. Immer noch und überall. Egal in welchem Erdteil, egal in welcher Form. Vergewaltigung als gezielt eingesetzte Waffe im Krieg. Häusliche Gewalt. Die Faust im Gesicht oder rein psychische Gewalt von einem Menschen, den frau doch liebt.

Um auf diese Dramen aufmerksam zu machen, hat der ÖRK, der Ökumenische Rat der Kirchen, eine Kampagne ins Leben gerufen: „Donnerstags in Schwarz – Unterwegs zu einer Welt ohne Vergewaltigung und Gewalt“. Menschen und Institutionen, die sich daran beteiligen, setzen damit ein klares Zeichen, dass sie Gewalt, besonders Gewalt gegen Frauen und Mädchen, nicht länger hinnehmen wollen.1

Hervorgegangen ist DONNERSTAGS IN SCHWARZ – oder „Thursdays in Black“– aus der Dekade Kirchen in Solidarität mit den Frauen (1988-1998). Während dieser Zeit waren zunehmend Berichte zu hören über Vergewaltigung als gezielt eingesetzte Kriegswaffe, über geschlechtsbezogene Ungerechtigkeit, Misshandlung und Tragödien, die aus solcher Gewalt heraus entstehen. Zugleich wurde aber auch etwas anderes sichtbar: Trotz der erlittenen Qualen zeigten die Frauen eine hohe Resilienzfähigkeit. Immer deutlicher traten ihr Mut und ihre persönlichen Bemühungen, solcher Gewalt zu widerstehen, in den Vordergrund. Nicht von ungefähr also wurden vier Frauen-Bewegungen zum Vorbild der Kampagne:

Die Mütter der Verschwundenen in Buenos Aires, Argentinien, die jeden Donnerstag auf dem Plaza de Mayo dagegen demonstrierten, dass ihre Kinder während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 spurlos verschwanden: Schweigend umrundeten sie den Platz eine halbe Stunde lang – im Stehen zu demonstrieren war verboten.

Die Frauen in Schwarz in Israel und Palästina, die seit 1988 gegen Krieg und Gewalt protestieren: Schweigend demonstrieren sie jede Woche zur selben Zeit am selben Ort gegen Gewalt und Unrecht – ihre Forderungen halten sie der Welt auf Schildern und Transparenten entgegen.

Die Frauen in Ruanda und Bosnien: Sie wehrten sich gegen die Anwendung von Vergewaltigung als Kriegswaffe während der jeweiligen Völkermorde in der ersten Hälfte der 1990er Jahre.

Black Sash – die Bewegung der schwarzen Schärpe in Südafrika: Die Frauen protestierten seit 1955 gegen die Apartheid und die Anwendung von Gewalt gegen dunkelhäutige Menschen. Bis heute setzt sich diese Nichtregierungsorganisation für die Gleichbehandlung aller Südafrikaner und Südafrikanerinnen ein.

DONNERSTAGS IN SCHWARZ, das sind selbstbewusste Schritte hin zu einer gerechteren Gesellschaft.2 Isabel Phiri, die stellvertretende Generalsekretärin des Weltkirchenrates, drückt es so aus: „Eigentlich sollten die Kirchen die Gesellschaft anführen und vormachen, wie mit geschlechtsbezogener Gewalt umzugehen ist – und nicht andersrum. DONNERSTAGS IN SCHWARZ „ist also unsere Art als Kirchen, auf die #MeToo-Bewegung zu antworten.“

Höchste Zeit findet Phiri es, „dass wir endlich von Berichten und Meetings zu konkreter Handlung kommen.“ Und wünscht sich darum, dass nicht nur der Weltkirchenrat donnerstags in Schwarz auf die Straße geht. Wünscht sich, dass sich jeder Mensch, jede Kirche, jede Gemeinde samt all ihren globalen und lokalen Partner*innenorganisationen anschließt. Denn das ist die Stärke dieser Kampagne: Sie funktioniert global ebenso wie lokal. Unabhängig von Zeit, Ort, Person, Gruppe oder Glaube. Wer DONNERSTAGS IN SCHWARZ geht, macht konkrete Schritte hin zu einer Welt ohne Vergewaltigung und Gewalt.

Seite an Seite gegen Vergewaltigung und Gewalt

Der Fokus der Kampagne liegt eindeutig auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Gleichwohl erfahren auch Männer und Jungen geschlechtsbezogene Gewalt – auch wenn dies ein weit weniger prominentes Thema ist. In jedem Falle aber ist klar, dass Vergewaltigung und andere Formen geschlechtsbezogener Gewalt letztlich nur durch solidarisches Handeln aller wirksam bekämpft werden können.

Im Weltkirchenrat wird – in den Plenarsitzungen ebenso wie in den Frauenversammlungen des Zentralausschusses – immer wieder betont, wie wichtig es ist, für eine gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern einzutreten. Beeindruckt hat mich persönlich in Busan3 die Vorversammlung der Frauen und Männer, die sich für diese gerechte Gemeinschaft engagieren. Denn genau das braucht es, um Kirche und Gesellschaft zu erneuern: den Einsatz von „allen Menschen guten Willens“, von denen die Botschaft der Vollversammlung in Busan spricht: „Wir fordern alle Menschen guten Willens heraus, ihre Gott-gegebenen Fähigkeiten für verändernde Handlungen einzusetzen.“

Wenn es um die Gestaltung dieser Welt geht, sind Perspektiven, Erfahrungen und Beteiligung von Frauen und Männern erforderlich. Es braucht gerechte Beziehungen zwischen den Geschlechtern, wenn wir Herausforderungen wie dem Klimawandel begegnen wollen. Es braucht Geschlechtergerechtigkeit, wenn wir eine Wirtschaft schaffen wollen, die dem Leben dient. Und ein gerechter Friede ist ohne Geschlechtergerechtigkeit schon gar nicht zu haben. Der ÖRK widmet sich daher besonders der ökumenischen Theologie-Ausbildung und der Schulung von Führungskräften. Dort setzen sich die Teilnehmenden unter anderem mit der Frage auseinander, was Frieden und Gerechtigkeit speziell für Frauen bedeuten. Denn sie sind es, die am meisten unter Flucht oder Menschenhandel leiden, schwere sexuelle Gewalt erfahren oder in anderen entmenschlichenden Situationen leben.

Bei der Flut und Komplexität aktueller Aufgaben und Herausforderungen stellt sich gar nicht erst die Frage, ob es Vernetzungen zwischen Kirchen und Organisationen geben sollte. Es muss sie einfach geben! In ÖRK-Lehrgängen lernen gläubige Frauen, die Instrumente der Vereinten Nationen zur Verteidigung der Rechte der Frauen und der Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Auch hier spielt die Vernetzung eine große Rolle: Christliche Frauenorganisationen und Teilnehmende der jährlich stattfindenden Tagung der UNO-Kommission für die Stellung der Frau bringen Themen der glaubensbasierten Ebene mit Themen des politischen Spektrums zusammen. Bei den Nachhaltigen Entwicklungszielen ist das Ziel Nr. 5, Geschlechtergerechtigkeit und Empowerment von Frauen und Mädchen,  der Schnittpunkt zwischen Ökumene und Politik.

Anmerkungen
1) Die Kampagne startete 2013 mit einem Aufruf auf der 10. Vollversammlung des ÖRK in Busan/Korea. Sie bildet mit der „Gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern“ das Zentrum aller Aktivitäten auf dem „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“, der die programmatische Arbeit des Weltkirchenrates bis 2021 auf allen Ebenen durchzieht.
2)
Die Farbe Schwarz ist hier übrigens nicht negativ auf „Rasse“ bezogen. Sie wurde als Zeichen des Widerstandes und der Resilienz gewählt.
3)10. Vollversammlung des ÖRK in Busan/Korea 2013

Eine Welt ohne Vergewaltigung und Gewalt – daran sollten wir arbeiten. Damit DONNERSTAGS IN SCHWARZ überflüssig wird. Das wird ein langer Weg sein, aber er beginnt mit dem ersten Schritt. Und: Es ist ganz leicht, sich an der Kampagne zu beteiligen – im privaten wie im beruflichen Umfeld, in der Kirchengemeinde oder Kommune, zuhause wie auf Reisen. Tun Sie einfach, was für Sie und zu Ihnen passt.

Bestellen Sie
Ihr Kampagnenmaterial hier: www.oikoumene.org/de/mitmachen/thursdays-in-black

Tragen Sie
an Donnerstagen regelmäßig schwarze Kleidung. Oder einen der Buttons, die mit dem weißen und lila Schriftzug auf schwarzem Grund auf das Anliegen aufmerksam machen. Früher oder später wird es Ihren Mitmenschen auffallen, und spätestens dann kommt man/frau ins Gespräch.

Laden Sie
Freund*innen und Kolleg*innen ein, bei DONNERSTAGS IN SCHWARZ mitzumachen.

Drucken Sie
Informationsmaterial von der Internetseite des ÖRK aus für Menschen, die durch Ihre schwarze Kleidung oder den Button neugierig geworden sind.

Lassen Sie
ein Roll-up anfertigen und stellen es an Donnerstagen gut sichtbar auf: in Ihrem Vorgarten, in Ihrer Arbeitsstelle, in Ihrer Kirche, in Ihrem Gemeindezentrum, auf Ihrem Wochenmarkt, bei einer Veranstaltung Ihrer Organisation – wo immer sie sich länger aufhalten. Denken Sie aber daran, zuvor das erforderliche Einverständnis einzuholen.

Und / oder lassen Sie Stofftaschen und T-Shirts mit dem Kampagnenlogo bedrucken.

Feiern Sie
einen Gottesdienst zu DONNERSTAGS IN SCHWARZ. Material zum Lernen, Beten und Handeln: Bibelauslegungen, Gebete und Gedichte sowie ein Handbuch für Kirchen zu Geschlechterbewusstsein, Führung und Entwicklung finden Sie hier: www.oikoumene.org/de/mitmachen/thursdays-in-black/toolkit-for-congregations?set_language=de

Ein möglicher Termin dafür wäre der Valentinstag. Zum „Tag der Verliebten und Liebenden“ wird oft 1 Korinther 13,4-7 zitiert: „Die Liebe hat einen langen Atem…“. Doch wie ist das mit der Langmut und der Freundlichkeit? Mit „alles ertragen“, „alles hoffen“ und „alles erdulden“? Beleuchten Sie die andere Seite der „Liebe, die alles erträgt“: Was empfindet eine Person, die häusliche Gewalt erfährt, bei diesen Worten?

Erhöhen Sie
die weltweite Aufmerksamkeit und Vernetzung: Machen Sie Fotos von jeder Donnerstags-Aktion. Posten Sie Selfies oder Gruppenbilder auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter. Sie werden überrascht sein, wie oft Ihre Posts kommentiert und geteilt!

Judith Königsdörfer ist Diplom-Agraringenieurin und promoviert in Jena im Fach Volkskunde/Kulturgeschichte über die sogenannte „Individuelle Hauswirtschaft in der DDR“, eine kleinbäuerliche Nische innerhalb des Systems der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Sie ist Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und Referentin Netzwerk Dom am Ev.-reformierten Dom in Halle. – www.ekm-reformiert.de/referentin-netzwerk-dom/

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