Ausgabe 1 / 2018 Artikel von André Paul Stöbener

Einfach und leicht machen

Wie Inklusion in Kirchengemeinden gelingen kann

Von André Paul Stöbener

Einfach machen! Wer kennt diese Aufforderung nicht. Drauf los machen ohne groß nachzudenken. Mut haben, einfach loszulegen und neugierig zu sein, was alles kommen mag. Ohne alle Bedenken einfach anfangen und fröhlich guten Mutes Neues beginnen und die Hoffnung haben, dass es sich weisen wird.

Und doch geht Inklusion nicht immer leicht von der Hand, zeitweise ist Inklusion sogar schwer und scheint unerreichbar. Wie können Teilhabe und Inklusion in der Gemeinde gelingen? Was kann die Idee der Inklusion in der Kirche alles einfacher machen? Wie lässt sich Inklusion lustvoll ins kirchliche Leben zu bringen? Was gibt es an feder-leichten Methoden, Ansätzen und Beispielen, wie Inklusion gelingen kann?

Es geht bei Inklusion und Teilhabe darum, dass wir einander wahrnehmen wie wir als Menschen sind.

Es geht bei Inklusion um Wahrnehmung ohne gleich zu bewerten. Es geht darum, dass Menschen einander wertschätzen, sich achtsam auf Augenhöhe begegnen und einander Vertrauen schenken. Es geht darum Mut zu haben, Neues zu wagen, sich auf Neues einzustellen und einander etwas zuzutrauen. Es geht um Achtsamkeit anderen Menschen gegenüber. Es geht darum, dass sich jeder und jede zugehörig fühlt, teilnehmen und seine, ihre Begabungen einbringen kann. Überall: in den Nachbarschaften, Quartieren, Dörfern und Städten. Und in Kirchengemeinden und diakonischen Einrichtungen. Das ist Inklusion.

Kunst des Zusammenlebens

Inklusion ist, einfach formuliert, die Kunst des selbstverständlichen Zusammenlebens unterschiedlicher Menschen, die gleichwertig und gleichberechtigt miteinander wohnen, arbeiten, spielen, beten, lernen und feiern. Damit dies gelingen kann, ist das Wahrnehmen, Erkennen und Abbauen von Barrieren notwendig, die Menschen an einer Teilhabe am gesellschaftlichen und kirchlichen Leben hindern.

Es geht um eine inklusive Haltung, die sich darin zeigt, dass wir uns als Kirche immer wieder fragen, was wir tun können, damit Menschen sich mit ihren Begabungen und Fertigkeiten, mit ihren Stärken und Schwächen in unserer Kirche willkommen fühlen und mit ihren Talenten aktiv einbringen können. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess, der das Wahrnehmen, Denken und Handeln in den unterschiedlichsten kirchlichen Arbeits- und Lebenszusammenhängen mitbestimmt und verändert.

Inklusion ist ein Wesenszug von Kirche. Inklusion ist der geistliche Auftrag, sich allen Menschen zuzuwenden. Es ist der geistliche Auftrag von Kirche, in ihren eigenen Strukturen und Angeboten Barrieren zu erkennen, diese abzubauen sowie Teilhabe aller zu ermöglichen.

In den Eckpunkten Inklusion  hat die Evangelische Landeskirche in Baden ihr Verständnis von Inklusion theologisch und fachlich formuliert.

Eckpunkte Inklusion

Das fachliche und theologische Verständnis von Inklusion nimmt Einzelpersonen und Gruppen in den Blick, die am Rande oder in der Mitte der Gesellschaft leben und keinen oder wenig Zugang zu Formen der sozialen Teilhabe haben. Dies gilt beispielweise für Menschen mit Behinderungen oder in prekären Lebenssituationen, Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Zugewanderte und Geflüchtete. Sie sind als Expert*innen in eigener Sache anzuerkennen und zu beteiligen.

Die Eckpunkte Inklusion sollen „die Lust und die Freude an der Inklusion wecken, unabhängig davon, dass deren Umsetzung zeitweise herausfordernd erscheint. Wir wollen ein inklusionsförderndes Lebensgefühl in unserer Kirche wecken, das ansteckt. Dies steht für das bereichernde Leben des Miteinanders der verschiedenen Menschen in den Kirchengemeinden. Wir wollen begeisternd gemeinsam die von Gott im Evangelium allen Menschen zugesprochene Liebe leben.“

Zu den Eckpunkten Inklusion gibt es eine Arbeitshilfe, die an Hand von themenorientierten Impulsfragen Hinweise gibt, wie mit inklusiven Ideen in Kirchengemeinden einfach begonnen werden kann. Es geht um die Gestaltung inklusiver Gottesdienste, um Achtsamkeit in der Gemeinde, um inklusiv gestaltete Gemeindefeste und inklusive Seelsorge und eine einladende Willkommenskultur.

Inklusion hinterfragt stets den Blick auf und in die Welt, die Regeln und Gewohnheiten des Zusammenlebens sowie die institutionellen, gesellschaftlichen und kirchlichen Strukturen. Sie verändert unsere Vorstellungen und Wahrnehmungen vom guten und gelingenden Leben, bietet einzigartige Chancen zur Veränderung und fordert Kirche und Gesellschaft heraus. Es geht besonders darum, Hindernisse und Barrieren wahrzunehmen und abzubauen, die Menschen gegen ihren Willen vom kirchlichen und gesellschaftlichen Leben fernhalten.

Inklusion ist dabei nicht etwas Zusätzliches, das neben allen anderen Aufgaben jetzt noch dazu kommt, sondern eine das tägliche Tun reflektierende und fragende Haltung. Inklusives Fragen bedeutet: Was kommt in den Blick, wenn wir das, was wir in der Kirche ohnehin tun – Gottesdienste, Gemeindefeste, Konfirmation, Seelsorge, Kirchenchor, Besuchsdienste, Jugendarbeit, Kinder- und Familienarbeit – inklusiv betrachten?

Schrittweise inklusive Ideen einbringen

Die Evangelische Landeskirche im Rheinland entwickelte den Index Inklusion für Kirchengemeinden. Dieser Index  ist eine Sammlung von Fragen, die Kirchengemeinden dabei helfen, Inklusion in den verschiedenen Handlungsfeldern umzusetzen. Die Fragen nehmen sehr unterschiedliche Aspekte von Inklusion in den Blick: Haltungen, Umgangsformen, Kommunikationen, Zusammenarbeit, Vernetzung und kirchliche Räume. Wie kann eine Kirchengemeinde schrittweise inklusive Ideen in das kirchliche Leben einbringen? Die Fragen sollen dabei helfen, viele verschiedene Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, und zum Austausch anregen. Ziel ist die Bewusstseinsbildung in Bezug auf die eigene inklusive Haltung im Umgang mit Vielfalt.

Leichte Sprache besser  zu verstehen

Die Fragen überfordern Kirchengemeinden nicht. Sie stehen in einer handlichen Fragebox  auf Karteikarten und können einzeln bearbeitet werden. Die Fragen machen es einfach zu beginnen. Zum Beispiel könnte jede Kirchengemeinderatssitzung, jede Chorprobe, jede Teamsitzung mit einer Frage beginnen, über die maximal fünf Minuten gesprochen wird. So kommt das Thema Inklusion in die Kirchengemeinde, und so bleibt es lebendig. Es geht nicht darum, den ganzen Katalog abzuarbeiten. Es können die Fragen ausgewählt werden, die hilfreich sind und die Schwerpunkte der eignen kirchlichen Praxis vor Ort in den Blick nehmen.

Leichte Sprache ermöglicht die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Unterstützungsbedarf durch barrierefreie Kommunikation.   Sie hilft dabei, selbstbestimmt am kirchlichen Leben teilnehmen zu können. Kirchengemeinden und deren Mitarbeitende profitieren nachhaltig, wenn Menschen sich in Leichter Sprache über die Kirche und den Glauben informieren können. Denn wenn Ausgrenzungen aufgrund der Sprache entgegen gewirkt wird, fühlen Menschen sich in Kirchengemeinden willkommen. Die Evangelische Kirche in Baden spricht die Sprachen der Menschen, und Menschen in ihrer Verschiedenheit mit unterschiedlichen Begabungen und Gaben verstehen die Sprache der Kirche.

Ein Beispiel…

…aus Buch Hosea in der Lutherübersetzung soll dies verdeutlichen: 5,15b … wenn’s ihnen übel ergeht, so werden sie mich suchen: 6,1 „Kommt, wir wollen wieder zum HERRN; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. 6,2 Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden. 6,3a Lasst uns darauf Acht haben und danach trachten, den HERRN zu erkennen…“

Buch Hosea in Leichter Sprache:
Propheten sind Menschen, die in ihren Herzen auf Gott hören. Menschen, die mit Gott in Verbindung stehen. Ein Prophet sagt laut, was er von Gott hört. Hosea war ein Prophet. Hosea erzählt: Manchmal geht es uns schlecht. Dann gehen wir zu Gott. Gott erwartet uns schon. Gott hat uns zerrissen. Gott wird uns zusammenfügen. Gott hat uns geschlagen. Gott wird uns heilen. Wir leiden. Gott leidet mit uns. Wir sind am Boden. Gott richtet uns auf. Gott will es so. Hilf uns, das zu verstehen!

Leichte Sprache…

… hilft Menschen, selbstbestimmt zu entscheiden   … hilft, Kirche für alle Menschen verständlich zu gestalten   … hilft, die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen   … hilft, die Teilhabemöglichkeiten aller Menschen zu erhöhen und einfache Zugänge zu kirchlichen Angeboten zu schaffen   … hilft Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Migrationshintergrund, gehörlosen/schwerhörigen und sehbehinderten/blinden Menschen, älteren Menschen und Menschen mit Lese- und Schreibdefiziten sowie mit Lernschwierigkeiten, alles zu verstehen und mitmachen zu können.

Werkzeugkoffer Inklusion

 Wie kann in der Kirche das Thema Inklusion theologisch reflektiert werden? Wie können die Bedingungen dafür geschaffen werden, dass Menschen mit und ohne Behinderung am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben können? Es ist eine spannende und zukunftsweisende Aufgabe, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Eine große Chance liegt darin, dass wir das, was wir tun, mit Freude und mit Begeisterung tun. Inklusion neugierig und mit Freude umzusetzen und Lust zu wecken, das sollte unser Anliegen sein.

An vielen verschiedenen Stellen innerhalb der EKD gibt es sehr viele Mut machende Beispiele, wie Inklusion gelingen kann. In der Evangelischen Landeskirche in Baden wollen wir Inklusionsfreude in Workshops und Tagungen auf kirchengemeindlicher Ebene so angehen: Wir setzen einen Werkzeugkoffer Inklusion ein – prall gefüllt mit filmischen Szenen, Spielen, Visualisierungen und musischer Gestaltung, haptisch-sensorischen Übungen, Wahrnehmungsaufgaben, Organisation von Inklusionsfesten, inklusiven Spaziergängen, theatralischen Inszenierungen und partizipatorischen (zielgruppenorientierten) Gestaltungselementen.

Es lohnt sich, die ersten Schritte hin zu einer inklusiven Kirche zu gehen. Einfach mutig beginnen.

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